Es war schon ein peinlicher Fauxpas, den sich Dirigent Teddy Abrams leistete, als er nach der luxemburgischen Erstaufführung von Marco Pütz’ Euphonias Voice vergaß, den Komponisten auf die Bühne zu rufen. Glücklicherweise reagierte dann der Solist Philippe Schwartz und lud Pütz ein, auf die Bühne zu kommen, um seinen berechtigten Applaus entgegenzunehmen. Pütz’ Werk ist ein tolles Stück, das dem Euphonium viele Möglichkeiten gibt, sich zu entfalten. Vor allem aber begeistere mich Pütz’ Umgang mit dem Orchester. Das Luxembourg Philharmonic wusste die Musik bestens in Klang umzusetzen, sodass die Aufführung von Euphonias Voice, übrigens ein Auftragswerk von 2019 der Philharmonie Luxemburg, zu einem starken Erlebnis wurde, dies auch dank des hervorragenden Spiels von Philippe Schwartz.
Pütz’ Euphonias Voice endlich in der Philharmonie
Das Werk bleibt durchgehend musikantisch und man merkt an verschiedenen Stellen, dass Marco Pütz aus dem (gehobenen) Blasorchesterbereich kommt. Zudem wirkt Euphonias Voice sehr kompakt und ideal im Timing; da ist keine Note zu viel, sodass die rund 16 Minuten Spieldauer keine einzige leere Minute enthalten. Was man nicht vom folgenden Werk Watershed für Vibraphon und Orchester des amerikanischen Komponisten Judd Greenstein (*1979) behaupten kann. Die dreisätzige Komposition nimmt sich Zeit für die Entwicklung, kann aber die Spannung nicht durchgehend aufrechterhalten. Es gibt tolle Momente, aber es gibt auch Phasen, wo fast gar nichts Interessantes passiert. Den Fokus legt Greenstein auf das Soloinstrument und es ist wirklich beachtenswert, wie der Komponist es vermag, das Vibraphon in Szene zu setzen. Exzellent ist die Darbietung von Pascal Schumacher, der sich als wahrer Virtuose erweist.

Bisher hatte sich der amerikanische Dirigent Teddy Abrams, der übrigens auch Schlagzeuger ist, als präziser Koordinator erwiesen; bei der Aufführung von Leonard Bernsteins Symphonie Nr. 3 The Age of Anxiety konnte der junge Dirigent beweisen, welch talentierter Interpret und Gestalter er ist. Abrams ist derzeit musikalischer Direktor des Louisville Orchestra und Schüler von Michael Tilson Thomas. Bernsteins z.T. sperriger Musik wusste er mit Konzentration und Sensibilität zu begegnen; seine Kunst aber bestand darin, der komplexen Architektur des Werkes gerecht zu werden und es zu seinem hymnischen Schluss zu führen. Bernstein hat dem Klavier einen besonderen Solopart zugeteilt; und dieser wurde mit Debussy-artiger Feinheit und wunderbarer Transparenz von Inon Barnatan gespielt. Vor der Aufführung der Bernstein-Symphonie wandte sich Abrams ans Publikum und stellte richtig, dass es in Amerika eine großartige Kunstmusik gibt, die sogar von Präsident John F. Kennedy öffentlich in einer Rede gelobt wurde. Es war ganz deutlich herauszuhören, dass Teddy Abrams hier für alle Künstler Amerikas sprach, deren Wirken von dem jetzigen Präsidenten kleingemacht wird.

Das Ensemble d’arco feiert sein 30-jähriges Bestehen
Ein weiteres Jubiläumskonzert stand mit dem Ensemble d’arco auf unserem Programm, das sein 30-jähriges Bestehen feiert und zu diesem Anlass ein nicht alltägliches Konzert vorbereitet hatte. Das Ensemble spielte mit Darko Milowich, 1. Violine, Valeria Pasternak, 2. Violine, Fernando Bencomo, Bratsche und Sehee Kim, Cello in Streichquartett-Besetzung, wurde aber in zwei Werken von einem resp. zwei Hornisten verstärkt. Zwei Themen, die ursprünglich auf zwei Konzerte verteilt werden sollten, bildeten eine interessante Gegenüberstellung.
„Spaß“ und „Krieg“ gehen eigentlich nicht zusammen, trotzdem gelang Ensembleleiter Darko Milowich das Kunststück, ein schlüssiges und vor allem ein sehr anspruchsvolles und abwechslungsreiches Programm zusammenzustellen. Das Konzert begann mit dem Streichquartett op. 33/2 aus den sogenannten „Scherzquartetten“ von Josef Haydn, das stilistisch schon den kommenden Beethoven vorwegnimmt. Es ist eine wunderbare Mischung aus Heiterkeit und Ernst, die Haydn wirklich kunstvoll in Szene setzt. Es folgte Mozarts Sextett: Ein musikalischer Spaß für Streichquartett und zwei Hörner, ein Stück, das dem Ensemble d‘arco hörbar Spaß machte.
Leseempfehlung
Im Vorfeld des Jubiläumskonzerts des Ensemble d’arco führte Alain Steffen ein Interview mit Darko Milowich, dem Gründer und 1. Violinisten des Ensembles. Das Gespräch erschien am 13. Juni und ist online auf tageblatt.lu nachzulesen.
Nach einem etwas zögerlich gespielten Haydn-Quartett fanden sich die Musiker nun nach und nach zusammen und begeisterten durch ihren Elan. Herrlich auch die dissonanten Einlagen der beiden Hornisten Kristina Mascher-Turner und Kerry Turner.
So richtig gut aber wurde es nach der Pause. Nach Mozarts „Dorfmusikantensextett“ nun Paul Hindemiths Bearbeitung von Wagners Ouvertüre zu Der Fliegende Holländer, hier mit dem Untertitel „wie sie eine schlechte Kurkapelle morgens um 7 am Brunnen vom Blatt spielt“ versehen. Hindemith hatte diese Parodie bereits in den frühen 20er Jahren geschrieben, ein Jahrzehnt später sollten seine provokanten Werke vom Naziregime verboten werden, woraufhin der deutsche Komponist zunächst in die Schweiz und dann in die USA emigrierte.
Tragisch auch das Schicksal von Leone Sinigaglia, dessen Musik durch die Rassengesetze – Sinigaglia war Jude – verboten wurde und der kurz vor seiner Deportation durch die faschistische Polizei in Italien an einem Herzinfarkt starb. Sehr schön und tiefgründig geriet dem Ensemble d‘arco dann die Interpretation von Sinigaglias Romanze für Streichquartett und Horn. Dieses wurde wunderbar von Kristina Mascher-Turner gespielt. Den Abschluss machte Erich Wolfgang Korngolds z.T. augenzwinkerndes Streichquartett Nr. 2 op. 26, ein Werk, das 1933 entstanden ist und deutlich verhaltener ist als sein zehn Jahre zuvor komponiertes 1. Quartett. Das Ensemble d’arco wusste gekonnt wienerische Melancholie, postromantisches Flair und parodistische Züge zu einer ebenso geschlossenen wie mitreißenden Interpretationen zu ballen. Korngold selbst verließ wegen der Nazis seine Heimat 1938 und wurde ein berühmter Filmkomponist in Hollywood.
De Maart
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