Donnerstag16. Oktober 2025

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Alain spannt den BogenWie das OCL in die Saison startete und die Pianistin Beate Szalwinska Tango am Klavier spielt

Alain spannt den Bogen / Wie das OCL in die Saison startete und die Pianistin Beate Szalwinska Tango am Klavier spielt
Das OCL und Mateusz Moleda lieferten ein Konzert der Extraklasse in der Philharmonie Foto: Bohumil Kostohryz

Das „Orchestre de chambre du Luxembourg“ sorgt in der Philharmonie für Bewunderung, die Pianistin Beate Szalwinska mit ihrem bevorstehenden Konzert in der Fondation Valentiny für Neugier. Konzertkritik und Interview im Doppelpack. 

Seit die neue Leitung des „Orchestre de chambre du Luxembourg“ (OCL) im Sattel sitzt, haben Sylvie Charmoy und ihr Team einen Kurswechsel vorgenommen und auch eine neue Richtung eingeschlagen. Los ging die neue Spielzeit für das OCL allerdings mit einem klassischen Konzertprogramm in einer gut besetzten Philharmonie. Und was das Publikum bei diesem ersten Konzert zu hören bekam, war allererste Sahne.

Mateusz Moleda, ein Name, den man sich merken soll

Wenn ein gutes Orchester und ein hervorragender Dirigent zusammenkommen, dann ist schon mal eine Sternstunde möglich. Am Pult stand der deutsch-polnische Dirigent Mateusz Moleda (siehe Interview im Tageblatt, Ausgabe 7. Oktober), doppelter Preisträger des Serge-Koussevitzky-Dirigierwettbewerbs 2023 und ehemaliger Assistent von Marek Janowski und Teodor Currentzis.

Vielversprechender Dirigent: Mateusz Moleda
Vielversprechender Dirigent: Mateusz Moleda Foto: Bohumil Kostohryz

Bereits mit Kilars mitreißendem Werk war schnell klar, dass Orchester und Dirigent an einem Strang zogen. Die Streicher klangen wunderschön, das Spiel war ebenso präzise wie markant und dynamisch. Moleda hatte einen wirklichen Bezug zu dieser Musik und holte auch alles aus ihr heraus. Es ist selten, dass ein Gastdirigent es fertigbringt, innerhalb weniger Proben solch ein musikalisch reiches und nuanciertes Programm auszuarbeiten. Auch die Orchesterleistung bei Schostakowitschs Cellokonzert war makellos und beeindruckte durch stilistische Feinheiten und einen packenden Zugriff.

Musikalische Sternstunde

Moleda war ein Partner, der auf gleicher Augenhöhe mit dem Solisten zu musizieren wusste. Alban Gerhardt, der für den erkrankten Benjamin Moser eingesprungen war, ist zweifelsohne einer der besten und interessantesten Cellisten der Gegenwart. Spieltechnisch ist er brillant und das wunderbare Timbre seines Instruments ist ein Genuss. Auch Gerhardt begnügte sich wie Moleda nicht mit einer linienförmigen Interpretation, sondern tauchte tief in die Seele der Musik ein. Solist, Dirigent und Orchester harmonierten dabei bestens. Nach der Pause dann die 2. Symphonie von Robert Schumann.

Diese Symphonie ist ein Werk, das zeigt, wie der Komponist versucht, aus seiner schweren Depression auszubrechen und letztendlich durch seine Liebe zu seiner Frau Clara über die Krankheit triumphiert. Das OCL folgt seinem Gastdirigenten mit Hingabe, Präzision und viel Spielfreude, auch wenn der heikle Beginn des Kopfsatzes dem Orchester nicht ganz gelingt. Doch ab dann ist bestes Musizieren angesagt. Vor allem sind es aber die Dynamik und Spiellaune des Orchesters einerseits und das große Können des Dirigenten andererseits, die diesen Konzertabend zu einer musikalischen Sternstunde machen.


„Du musst in deinen Wurzeln suchen“

Tageblatt: Beate Szalwinska, Sie sind eine klassisch ausgebildete Pianistin, haben aber vor über 20 Jahren die Musik Astor Piazzollas, also des Tangos, entdeckt. Eine Musik, die Sie bis heute nicht losgelassen hat. Weshalb?

Beate Szalwinska: (lacht) Schuld daran war die Fernsehübertragung der königlichen Hochzeit von Maxima und Willem-Alexander in Amsterdam im Februar 2002. Als beide die Ringe tauschten, wurde Piazzollas Tango „Adios Nonino“ auf Wunsch von Maxima Zorreguieta gespielt. Diese Musik hat mich so fasziniert, dass ich sofort begonnen habe, Recherchen anzustellen, mir Partituren anzuschaffen und mich in die wunderbare Musik Piazzollas regelrecht hineinzuknien. Es wurde zu einer Liebe, die mich bis heute nicht losgelassen hat.

Piazzolla war aber kein Komponist, der für Klavier geschrieben hat.

Tatsächlich bin ich nicht sofort fündig geworden, da es wirklich nur wenige Stücke von Piazzolla für das Klavier gibt. Die stammen aus seinen Anfängen und sind nicht besonders interessant. Er war ja klassischer Komponist und hatte am Anfang Schwierigkeiten, seinen heute unverwechselbaren Tango-Stil zu finden. Ich habe deshalb damals mit einigen Freunden ein Quintett gegründet, um die Musik von Piazzolla in Originalbesetzung spielen zu können. Wir haben uns dann nach und nach sein ganzes Repertoire für Quintett erarbeitet, sind auf Tournee gegangen und haben in Deutschland, Polen und Finnland Konzerte gespielt, aber auch in Luxemburg. Danach habe ich mich dann vermehrt den Transkriptionen zugewandt und selbst auch sein Aconcagua-Konzert für Bandoneon und Orchester für Klavier und Sextett umgeschrieben.

Die Pianistin Beate Szalwinska interpretiert die Musik von Astor Piazzolla
Die Pianistin Beate Szalwinska interpretiert die Musik von Astor Piazzolla Quelle: Privat

Woher kommt der Tango eigentlich?

Der traditionelle Tango ist ein Tanz der armen Leute in Argentinien. Das wurde in den Armenvierteln und in den Häfen und Bordellen getanzt. Aber es ist eine Mischung aus verschiedenen Kultureinflüssen. Man findet den spanischen Flamenco, dann wieder Rhythmen, die aus Afrika und Kuba stammen, es gibt Einflüsse von den kanarischen Inseln, die damals von den Portugiesen besetzt waren. Tango kommt von dem portugiesischen Wort „tanger“, was so viel bedeutet wie „ich berühre“. Aber genau kann man die Herkunft nicht bestimmen.

Findet man als klassisch ausgebildete Pianistin leicht den Zugang zum Tango?

Da muss ich schon aufpassen und mir meiner Grenzen bewusst sein. Ich bin keine Tangopianistin im eigentlichen Sinne! Das ist ein eigener Stil, eine eigene Welt. Deshalb fühle ich mich auch in den Transkriptionen wohler, besonders dann, wenn sie meinem Naturell als expressive Pianistin entsprechen. Da kann ich dann meine klassische Ausbildung miteinbringen. Man muss auch unterscheiden. Carlos Gardels Tango beispielsweise ist ein Tanztango, Piazzolla hat den Tango Nuevo erfunden. Und der Tango Nuevo ist ganz anders. Es ist vielmehr eine Konzertmusik und nicht tanzbar. Piazzolla entwickelte den eigentlichen Tango auf einer kunstvollen Ebene weiter und orientiert sich sowohl an Komponisten wie Bartok, Stravinsky und Prokofieff als auch am progressiven Jazz. Trotzdem bleiben die Leidenschaft, die Sensualität und das Drama des traditionellen Tangos immer spürbar.

Diese Musik hat mich so fasziniert, dass ich sofort begonnen habe, Recherchen anzustellen, mir Partituren anzuschaffen und mich in die wunderbare Musik Piazzollas regelrecht hineinzuknien. Es wurde zu einer Liebe, die mich bis heute nicht losgelassen hat.

Beate Szalwinska, Pianistin

Piazzolla hat aber auch klassische Komposition in Europa studiert.

Ja, er war in Paris, wo er bei Nadia Boulanger studiert hat. Aber mit wenig Erfolg. Weder Boulanger noch er selbst waren zufrieden mit den Resultaten, die er erzielte, bis Boulanger ihm riet, sich doch mehr auf die musikalische Tradition seines Landes zu konzentrieren. „Du musst in deinen Wurzeln suchen“, sagte sie ihm. Er hat sich dann dem traditionellen Tango zugewandt, den er jedoch stilistisch veränderte. Nach und nach fand der Tango Nuevo seinen Platz und wurde dann auch regelmäßig in den großen Konzertsälen aufgeführt.

Was können Sie uns denn über Ihr kommendes Konzert in der Fondation Valentiny sagen, das unter dem Titel „Le Grand Tango“ stattfindet?

Bei diesem Konzert arbeite ich mit dem argentinischen Bandoneonisten Gilberto Pereyra zusammen, der auch Dirigent und Arrangeur ist und in Paris arbeitet. Er kommt vom klassischen Tango her, während ich eher dem Tango Nuevo und der Klassik verbunden bin. Wir haben schon öfters zusammengearbeitet und es ist immer eine spannende Sache, wenn unsere verschiedenen Stile aufeinanderprallen und sich vermischen. Wir spielen zum ersten Mal „Le Grand Tango“, den Piazzolla für den weltberühmten Cellisten Mstislav Rostropowitsch komponiert hat. Es ist eine der wichtigsten Kompositionen Piazzollas und sehr schwierig zu spielen. Ein traditioneller Tangopianist kann das nicht spielen und auch die Cellopartie entspricht dem hohen spielerischen Niveau von Rostropowitsch. Wir spielen aber nicht diese Fassung, sondern basieren uns auf die Transkription für Klavier und Violine von Sofia Gubaidulina. Die Partie des Klaviers ist hier noch schwieriger als im Original, aber der Part der Violine ist besser für das Bandoneon geeignet. Wir werden drei Teile aus den Jahreszeiten spielen, das berühmte „Ave Maria“, zwei Stücke aus „Histoire du Tango“, „Oblivion“ und noch andere Stücke. Vielleicht auch einen Tango von Carlos Gardel. Das wissen wir noch nicht. Aber das meiste wird von Piazzolla sein.

„Le Grand Tango“ mit Beata Szalwinka, Klavier, und Gilberto Pereyra, Bandoneon, am 19. Oktober um 11.30 Uhr in der Fondation Valentiny. Infos: valentiny-foundation.com.