Wer Bahn fährt, hat Zeit zum Lesen

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LUXEMBURG - Öffentlicher Transport kontra Individualverkehr. Die Diskussionen laufen immer wieder auf allen möglichen Ebenen.

Mit der jährlichen Aktion „E Buch am Zuch“ punktet eindeutig die Eisenbahn, zusammen mit ihren Partnern „Freed um Liesen“ und dem Nationalen Literaturzentrum in Mersch. Das attraktive Werk lockt am 23. April auch eingeschworene Autofahrer hinter ihrem Steuerrad hervor.

Die einen stehen im Stau, verfluchen das vor ihnen schleichende Auto, dessen Fahrer sich besonders schlecht anlegt und den ohnehin schwerfälligen Verkehr noch zusätzlich blockiert. Und die anderen lehnen sich bequem in ihrem Sessel zurück und gönnen sich ein Stündchen Ruhe – mit einem guten Buch. „Wir haben eine der modernsten und bequemsten Flotten ganz Europas“, sagte der Generaldirektor der staatlichen Eisenbahngesellschaft, Marc Wengler, bei der Vorstellung der Aktion „Lesen in einem Zug“.

Sammlerstück

Sie hat in ihrer 16. Auflage nichts von ihrer Attraktivität eingebüßt. Neben der Eisenbahn, die auf diese Weise recht anspruchsvoll für sich werben kann, stellen auch die beiden „literarischen“ Partner das gemeinsame Produkt mit einem gewissen Stolz vor. Es sind die Initiative „Freed um Liesen“, die am Ursprung der ganzen Aktion steht, und das „Centre national de littérature“ in Mersch, das mit seinem Archiv und der Fachkenntnis seiner Belegschaft viel praktische Arbeit einbringt.

Es geht bei der punktuellen Aktion, die jedes Jahr am 23. April, dem Welttag des Buches stattfindet, der auch der 450. Geburtstag des britischen Schriftstellers William Shakespeare ist und deshalb im englischen Sprachraum dieses Jahr ganz besonders gefeiert wird, nicht nur ganz banal ums Lesen. Die Initiatoren definieren jedes Jahr ein spezifisches Thema und suchen dann zusammen, was die Luxemburger Autoren darüber veröffentlicht haben.

Element Erde

Die diesjährige Ausgabe dreht um die Erde und schließt damit einen vierjährigen Zyklus ab, der sich nacheinander mit den Elementen Feuer, Wasser und Luft beschäftigt hat. Die rund hundert Seiten präsentieren 50 Texte von 41 Autoren, die zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und heute publizierten. 24 Texte sind auf Deutsch geschrieben, elf auf Französisch und 13 auf Luxemburgisch. Unter den 41 Autoren sind allerdings nur fünf Frauen. Unter den Autoren sind zum Teil sehr bekannte Namen wie Michel Rodange, Edmond Dune, Josy Braun oder Nicolas Welter. Es sind aber auch überraschende Persönlichkeiten wie Fernand Kartheiser, Jacqueline Krieger und K. Schnog (später bekannt als Tom Palmer) dabei. Die ältesten Texte stammen aus der Feder von Michel Rodange, jüngster Autor ist die 37-jährige Nathalie Ronvaux, die 2013 den Nationalen Literaturwettbewerb gewann.

Das Thema „Erde“ dreht um vier Schwerpunkte: Es geht dabei um den äußeren Aspekt der Landschaft, die im waldreichen „Éislek“ ja anders aussieht als im roten „Minett“. Es geht um das, was unter dem Boden ist, wie die Minengänge der roten Erde oder die Kasematten der Stadt Luxemburg. Es geht um Tod, Beerdigung und Vergänglichkeit und es gibt Texte zur Fruchtbarkeit der Erde und zum Kreislauf der Natur. „Die luxemburgische Literatur ist erstaunlich reich und vielfältig. Bei einer gezielten Suche findet sich unwahrscheinlich viel“, sagte Germaine Goetzinger, ehemalige Leiterin des Literaturzentrums in Mersch und maßgeblich am Projekt „Buch am Zuch“ beteiligt.

Literaturvermittlung

Ihr Nachfolger, Claude Conter, stellte seinerseits die punktuelle – und deshalb allein schon einmalige – Aktion ins Zeichen der Literaturvermittlung.

Diese artikuliert er um drei spezifische Pfeiler: Als Erstes nennt er die Förderung der Kreativität, für die der Kulturfonds des Ministeriums oder die Servais-Stiftung gegebenenfalls Instrumente und Maßnahmen zur Verfügung stellen. Eine zweite Stufe ist die Weitervermittlung des literarischen Schaffens, mit Lesungen oder Kundgebungen wie dem abwechslungsreich gestalteten Tag des Buches, der sich bei uns gleich über vier Tage erstreckt. Der dritte Punkt ist die Zugänglichkeit der literarischen Werke über Bibliotheken und Archive. Hier spielen Initiativen wie „Freed um Liesen“ nochmals eine tragende Rolle.

„Das Buch im Zug bekleidet insofern eine Sonderstellung, als wir mit auf die Leute zugehen, statt sie an einen bestimmten Ort zu verpflichten. Wir sprechen sie da an, wo sie für ihre Arbeit oder ihre Freizeit sind.“

Weitere Extras sind der Geschenkcharakter und die hohe Anzahl der verteilten Werke, die dadurch ein weitaus breiteres Publikum ansprechen als nur die gewohnten Leseratten.

Das Rendezvous ist notiert: am Geburtstag von Shakespeare, dem 23. April um Punkt 16 Uhr in der hauptstädtischen Bahnhofshalle. Und nur da!