Montag22. Dezember 2025

Demaart De Maart

CD-Tipps Was Drangsal und BC Camplight in ihren neuen Alben zu sagen haben

CD-Tipps  / Was Drangsal und BC Camplight in ihren neuen Alben zu sagen haben
Der Musiker Drangsal (Max Gruber) trat 2022 auf dem Gelände des Lollapalooza-Festivals am Berliner Olympiastadion auf Foto: dpa/Britta Pedersen

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Drangsal und BC Camplight warten mit neuer Musik auf. Wer überzeugt? Die Platten im Hörtest.

Drangsal: „Aus keiner meiner Brücken“

Rating: 7/10 Punkte
Rating: 7/10 Punkte Quelle: Virgin Music Group

„Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen“ ist der vollständige Titel des vierten Albums von Drangsal. Der Titel kommt nicht von ungefähr, denn nach der Veröffentlichung von „Exit Strategy“ im Jahr 2021 war die Zukunft von Drangsal völlig offen. Der Top-Ten-Erfolg (in Deutschland stand es auf Platz sechs) konnte nicht verhindern, dass sich Max Gruber, der Mann hinter Drangsal, ganz viele Sinnfragen stellte.

Ein Jahr später veröffentlichte er sein erstes Buch. In „Doch“ versammelte er Gedichte und Kurzgeschichten. Dann gründete er mit der Solomusikerin Charlotte Brandi, Annette Benjamin von den Ur-Deutschpunkern Hans-A-Plast, Julian Knoth (Die Nerven) und Thomas Götz (Beatsteaks) die Allstar-Band Die Benjamins. Im Juni 2023 erschien deren selbstbetitelte Debüt-EP. Mit Stella Sommer (Die Heiterkeit) brachte er nach einer EP (2017) und einer Single (2018) im August 2024 auch endlich „In einem blauen Mond“, das erste Album von Die Mausis, heraus.

Im Jahr 2022 fand Gruber doch wieder zu Drangsal zurück – allerdings nicht solo, sondern als Trio. Im Verbund mit dem Gitarristen, Bassisten und Produzenten Lukas Korn und dem studierten Profimusiker Marvin Holley (u.a. Sam Vance-Law) schrieb er äußerst abwechslungsreiche Songs. Mit allerlei klassischen Instrumenten, Gospelchören und Beats ausgestattet, gelingt ihnen der Spagat zwischen Indierock, Indiepop und Funk, zwischen Slacker- und Dandytum, zwischen Ausgelassenheit und Reserviertheit. Das Album beginnt andächtig und mit einer kleinen Prise Hoffnung („Love Will See Us Through This“). Dann besingt Gruber den Untergang („Bergab“), hat in dem Indierock-Schmuckstück „Mein Mo(nu)ment“ die Melancholikerin Sophia Blenda (von Culk) an seiner Seite und serviert zum Schluss mit das Beste: das tragisch-schöne „Ein Haus“. Hoffentlich bedarf es keiner weiteren Krise mehr, um weiterzumachen.


BC Camplight: „A Sober Conversation“

Rating: 9/10 Punkte
Rating: 9/10 Punkte Quelle: Bella Union

Es gibt immer wieder Künstler, die einem grundsympathisch sind. Zu diesen zählt der 46-jährige Indierocker Brian James Christinzio, besser bekannt als BC Camplight. Er trägt Herz und Seele auf der Zunge. Wer ihm bei Instagram folgt, weiß etwa, dass er schon mit Depressionen zu kämpfen hatte. Hinzu kamen Sucht- und Visa-Probleme. Vor der Veröffentlichung seines letztens Albums „The Last Rotation Of Earth“ erlebte er zudem eine schmerzhafte Trennung von seiner Verlobten. Leicht hat er es wohl selten …

Mittlerweile hat der in England lebende US-Amerikaner dem Alkohol abgeschworen. Daher hat er sein siebtes Album „A Sober Conversation“ getauft. Es ist ein Album voller schöner Momente, das allerdings ein schreckliches Ereignis aus seiner Kindheit behandelt: Er wurde einst im Sommercamp von einem Erwachsenen missbraucht. „Ich hatte 30 Jahre lang Angst davor, diese Tür zu öffnen, und hatte Angst vor dem Preis, den ich zahlen würde, wenn ich es täte. Ich habe die Tür geöffnet. In gewisser Weise ist dieses Album das, was auf der anderen Seite war. Ich hoffe, es hilft mir, aber dieses Album ist auch für alle, die Schwierigkeiten haben, ihren Mut zu finden, sich selbst zu finden“, sagt er.

Es ist erstaunlich, wie er ein solch unbeschreibliches, zerstörerisches Erlebnis in solch starke, selbstbewusste Songs verwandeln konnte, die mit Beach-Boys-Melodien und einer Rockoper-Dramaturgie glänzen. BC Camplight ist ein begnadeter Sänger und ein exzellenter Songschreiber, das unterstreicht auch dieses Album wieder: siehe „Two Legged Dog“, „When I Make My First Million“ oder „Bubbles In The Gasoline“. Eingespielt hat er die Songs fast komplett alleine. Fürs Schlagzeug engagierte er Sidonie Hand-Halford und Adam Dawson. Hinzu kamen Backgroundsängerin Jessica Branney und für das Duett „Two Legged Dog“ Abigail Morris, Sängerin von The Last Dinner Party.