Warten auf die Palme

Warten auf die Palme
(DPA/Frederick Injimbert)

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In einer Villa oberhalb von Cannes entscheidet die Jury am Samstag über die Auszeichnungen. Die Spannung steigt, einen Favoriten gibt es noch nicht.

Ein Festival für die Stars, nicht für die Filme. Nachdem die australische Schauspielerin Nicole Kidman dreimal hintereinander die Zeremonie des abendlichen Treppensteigens absolvierte (sie war insgesamt bei vier Filmen dabei), ging die französische Presse hart mit dem Generalsekretär des Filmfestivals in Cannes, Thierry Frémaux, ins Gericht.
Er bevorzuge seine Lieblinge, wogegen andere Filmemacher hintanstehen müssten. Gemeint sind damit aufsteigende Filmländer aus Asien und Südamerika.

Dabei war die Auswahl mit Filmen aus Ungarn, Südkorea, Schweden, Marokko, Japan, Russland und der Ukraine durchaus breitgefächert. Eine Entdeckung war „Krotkaya“ des ukrainischen Regisseurs Sergei Loznitsa, der die Geschichte der angespannten Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine erzählt.

Politische Themen

Der Film liegt damit im Trend des Festivals, dem politische Themen stark am Herzen liegen. So gesehen bei Fatih Akin, der sein „Aus dem Nichts“ in die türkische Gesellschaft in Deutschland versetzt oder bei „Happy End“ von Michael Haneke, in dem das Flüchtlingsdrama von Calais im Hintergrund spielt.

Der Film selbst ist eine von Familiendramen und Missverständnis geprägte Geschichte über – so Haneke – „die Unfähigkeit der Gesellschaft, zu kommunizieren“. Der Film wird in Cannes als Anwärter auf eine „Palme d’or“ gehandelt. Es wäre die dritte für den Regisseur.

Nicht überzeugen konnte Sofia Coppola mit ihrem Südstaaten-Drama „The Beguiled“ (Die Beute), eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Thomas P. Cullinan und ein Remake des Films, den Don Siegel bereits 1971 mit Clint Eastwood in der Rolle der einzigen männlichen Figur des Films gemacht hatte. Es ist die Geschichte eines verletzten Kapitäns der Nordarmee, der in einer Mädchenschule in den Südstaaten aufgenommen wird. Verpflegung oder Verrat? „Coppola hat es nicht fertiggebracht, die Gewalt und die sexuelle Spannung so wiederzugeben wie Don Siegel“, schreibt die internationale Kritik und wirft der Regisseurin eine viel zu sanfte Vorgehensweise vor.

Zu große „Nettigkeit“

Eine viel zu große „Nettigkeit“ wird auch weiteren Filmen des Wettbewerbes wie dem südkoreanischen „Okja“, dem japanischen „Hikari“ oder dem amerikanischen „Wonderstruck“ vorgeworfen.

Bessere Kritiken gab es für das zurzeit beliebte Format der „Biopics“. Das gilt für Vincent Lindon in der Rolle von Rodin, sowie – mit gewissen Einschränkungen – für „Le Redoutable“ von Michel Hazanavicius, der die Geschichte von Jean-Luc Godard erzählt, oder für die Darstellung des Lebens der französischen Sängerin Barbara, mit der Mathieu Amalric den Auftakt von „Un certain regard“ machte.

In dieser Auswahl zog eine Reihe erster Filme die Blicke an. Genannt seien „Jeune femme“ von Léonor Serraille, „La novia del desierto“, ein argentinischer Film von Cecilia Atan und Valeria Pivato, sowie „L’Atelier“ von Laurent Cantet, der 2008 mit „Entre les murs“ die Goldene Palme bekommen hatte. Dieses Jahr hat er einen sehr politischen Film über die Integration der Jugendlichen in die Kinos gebracht. Verglichen wird er dabei mit seinem Studienfreund Robin Campillo, der mit „120 battements par minute“ an die Anfänge von AIDS erinnert. Eine Goldene Palme? Am Sonntag wissen wir mehr.