Vom Lokalbericht auf die Leinwand

Vom Lokalbericht auf die Leinwand

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Einen Bericht von der Lokalseite ins Kino zu bringen, ist eine interessante Herausforderung. Vor allem wenn der Regisseur über seinen journalistischen Schatten springt und die lokale Begebenheit zum „Septième art“ erheben kann.

Dieser Spagat ist Marc Thoma in „D’Engelcher vu Schëndels“ nicht so richtig gelungen und lässt den Zuschauer deshalb unbefriedigt.

Pascal Granicz als Böser (Bild: Steve Braun)

Eine gottesfürchtige Witwe, die laut Pfarrer keinen einzigen Gottesdienst auslässt, bekommt eines Tages Post aus dem Himmel. Die Heiligen bitten sie, ihrem Dienstmädchen ein Glas Himbeermarmelade zu schenken. „Engel Rosa“ wird sie genannt und als Botschafterin des Himmels bezeichnet. „Feits Ketty“ ist zutiefst beeindruckt und kommt der Forderung um ihres eigenen Seelenheils willen nach. Natürlich wandern die Geschenke nicht in den Himmel, sondern in Nachbars Küche.

Die „himmlischen Briefeschreiber“ sind von der Leichtigkeit, mit der sich ihr Vorhaben umsetzen ließ, beeindruckt. Die Briefe werden immer fordernder. Es bleibt nicht bei fettem Speck und frischen Eiern. Bald hat Therese ein blitzendes neues Fahrrad, elegante Kleider, geht auf Reisen – bis die ganze Sache letztendlich auffliegt und die Schwestern sich vor Gericht dafür verantworten müssen. Dieses lässt sie allerdings nach einer pikanten Verhandlung – einer der seltenen Höhepunkte des Films – relativ glimpflich davonkommen.

Schlagzeilen

„Frau Kerzmann sieht so gar nicht aus nach dem verhutzelten alten Betweibchen, das ich mir vorgestellt habe“, schreibt der „Reporter vor Ort“, Nic. Molling, im Escher Tageblatt und bescheinigt der robusten Greisin eine gewisse Bodenständigkeit, die schlecht einhergeht mit der Unverfrorenheit und der Amateurhaftigkeit des Betrugs.

Dennoch scheint die „Engleingeschichte“ offensichtlich zur Folklore zu gehören, der Ausflug nach Schönfels hat einen gewissen Unterhaltungswert bekommen. „Die wenigen Zeitzeugen, die es noch gibt, erinnern sich nur ungern an die Engelchen, die ihr Dorf so brutal in die Schlagzeilen brachten“, schreibt Thoma.

Tatsächlich geistert die Nachkommenschaft der „Feits Ketty“ auch nach dem Prozess weiterhin in den Köpfen der Nachbarn. Die beiden Frauen haben jedoch Lehrgeld gezahlt, Therese lässt sich weiterhin verwöhnen und unterstützen, Barbara hingegen hat alle Mühe, das geschuldete Bußgeld zusammenzukriegen. Einen neuen „Brief aus dem Himmel“ will sie nicht mehr schreiben.

Jetzt ist es ihr Ehemann Franz Ewert, der nicht lockerlässt. Er will das Geld der Nachbarin unbedingt haben. Wenn nötig mit Gewalt. Wie es ausgeht, steht dann auf der ersten Seite des Tageblatt vom 15. Januar 1934, wenn es über den bestialischen Mord berichtet.

Aus dem Kontext

Die Drehbuchschreiber Marc Thoma und Pol Tousch haben viel und intensiv auf das Archiv unserer Zeitung zurückgegriffen, um die Geschichte der Engelchen und ihr brutales Ende nachzuvollziehen und in ihren gesellschaftlichen Kontext zu stellen.

Dennoch ist ihnen der Versuch, aus einem punktuellen Ereignis der Aktualität, einem sogenannten „Fait divers“, einen handfesten Filmstoff zu machen, nicht gelungen. Die Herangehensweise bleibt die des Journalisten, der mit dem „Nol op de Kapp“ durchaus eine Marktlücke gefunden hat. Aber eine zweiminütige Reportage ist kein Spielfilm, selbst wenn man den Stoff aufplustert.

Dabei ist das Ereignis selbst durchaus ein interessanter Ausgangspunkt. Die Geschichte der zusammengesetzten Familie, die der kinderlosen Witwe ans Haus und ans Ersparte geht, lässt aufhorchen, genau wie die Jahre zwischen 1932 und 1935 ebenfalls genügend Stoff bieten für eine gesellschaftspolitische Analyse über eine bewegte Zeit der Krise in unserem Land und des wachsenden Nationalsozialismus beim Nachbarn.

Vor diesem vielschichtigen Hintergrund ist es schade, letztendlich nur die Gutgläubigkeit und Gottesfürchtigkeit der Luxemburger als Vorwand für den zweistündigen Spielfilm genommen zu haben. Das führt notgedrungen zu gewissen Längen und Wiederholungen, die durch die Wahl einzelner Schauspieler, die letztendlich nur sich selbst darstellen können, noch verschärft wird. Auch der selbst gestellten Herausforderung, die Dreißigerjahre erstmals filmisch zu belichten, wird der Film nicht gerecht. Dafür muss er notgedrungen den Sponsoren zu sehr entgegenkommen.

Luxemburg ist heute ein Filmland, das qualitativ hochwertige Produktionen hervorbringt. Die Zeit des Amateurkinos, an das Marc Thomas Film immer wieder erinnert, ist endgültig vorbei. Nostalgie wäre schlecht angebracht.