Alain spannt den Bogen Unterschiedliche Klangwelten 

Alain spannt den Bogen  / Unterschiedliche Klangwelten 
Während einer halben Stunde lamentiert, hinterfragt und kommentiert die Solistin Arabella Steinbacher die Musik und agiert quasi alleine in Georges Lentz’ Violinkonzert „… to beam in distant heavens …“, einem sehr auf das Instrument konzentrierten Werk Foto: Alfonso Salgueiro

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Drei sehr unterschiedliche Klangwelten sind diesmal das Thema unserer wöchentlichen Rubrik. Da ist zum Ersten die neue CD mit Gast Waltzing, dem Kyle Eastwood Quintet und dem Czech National Symphony Orchestra zu nennen, die mit einem prachtvollen Sound aufwartet und auf gekonnte Weise Jazz und symphonische Musik vermischt. Da ist aber auch der wunderbare Klang unseres Luxemburg Philharmonic hervorzuheben, der Mahlers 5. Symphonie zu einem wahren Hörgenuss machte. Ganz anders die Klangvorstellungen von François-Xavier Roth und seinem Ensemble Les Siècles, die das Publikum auf eine wunderbare Klangreise mitnahmen.

Vor kurzem dirigierte Gast Waltzing das OPL in einem Programm des Jazz-Musikers Kyle Eastwood, das den Filmen seines Vaters Clint Eastwood gewidmet war. „Eastwood Symphonic“, wie auch der Titel der jetzt eben erschienenen CD lautet, ist eine gelungene Mischung aus Jazz und symphonischer Musik, in der zwölf Filmmusiken aus „Magnum Force“, „Gran Torino“, „Unforgiven“, „The Good, the Bad & the Ugly“, „The Eiger Sanction“, „Dirty Harry“ und anderen kunstvoll variiert und adaptiert werden. Die Original-Musiken stammen von Ennio Morricone, Lalo Shifrin, John Williams sowie von Clint Eastwood und Kyle Eastwood. Die tollen Arrangements dagegen von Gast Waltzing, Andrew McCormack und dem jungen luxemburgischen Musiker Jean-Jacques Mailliet, der auch sonst an dieser Produktion mitgearbeitet hat. Kyle Eastwoods Quintett (mit Chris Higginbottom, Drums, Kyle Eastwood, Doublebass & Bass, Andrew McCormack, Piano, Quentin Collins, Trompete & Flügelhorn, Brandon Allen, Saxofone) vermischt sich hervorragend mit dem opulenten Spiel des Czech National Symphony Orchestra, das von Gast Waltzing geleitet wird, zu einem spektakulären Klangerlebnis voller mitreißender Musik. Eine hochkarätige CD, die sowohl Jazz-Freaks als auch Freunde von klassischer Musik, Filmmusik und niveauvollem Crossover begeistern dürfte. (1 CD PIAS DISCO2204CD)

Resignation oder Aufwachen?

Als europäische Erstaufführung erklang am Freitag Georges Lentz’ Violinkonzert „… to beam in distant heavens …“, ein Auftragswerk des Luxemburg Philharmonic und des Sydney Symphony Orchestra. Lentz, der ja schon lange in Australien lebt und dort Violinist beim Orchester aus Sydney ist, beweist wieder einmal, dass er ein erstklassiger und vor allem sehr individualistischer Komponist ist. Sein Violinkonzert (2018-2023) ist mit seinen 35 Minuten dann auch einerseits ein faszinierendes Klanggemälde, andererseits ein harter Brocken. Lentz arbeitet fast minimalistisch und überlässt der Geige den Vorzug. Während einer halben Stunde lamentiert, hinterfragt und kommentiert die Solistin Arabella Steinbacher die Musik und agiert quasi alleine in diesem sehr auf das Instrument konzentrierten Werk. Das Orchester bleibt meist und bis auf wenige Ausnahmen im Hintergrund. Lentz versteht es, die Violine zum Sprechen zu bringen und seine Musik auch räumlich zu positionieren. So spielen beispielsweise einige Geigen hinten im Saal, während Steinbacher ihren langen „Monolog“ quasi „off-stage“ beginnt. Die musikalische Sprache ist ernst, mal qualvoll, mal nachdenklich. Doch immer wieder blitzen kurz wunderschöne Phrasen wie Diamanten auf. Trotzdem überwiegt der Endzeitcharakter der Musik, mit dem der Komponist auf unseren sterbenden Planeten aufmerksam machen will. Allerdings nicht mit erhobenem Finger, sondern in sich kehrend, rückblickend, fragend. Am Anfang und am Schluss gibt es harte, drohende Paukenschläge. Ende oder Anfang? Resignation oder Aufwachen? Ein großartiges Werk mit einer großartigen Arabella Steinbacher, deren präzises, expressives und schönes Spiel in jedem Moment begeistert.

Nach der Pause dann Gustav Mahlers 5. Symphonie. Das Luxemburg Philharmonic ist in der Zwischenzeit sehr sicher in diesem Repertoire geworden. Trotzdem braucht es zwei Sätze, bis sich die Musiker wirklich gefunden haben und auf gewohnt sicherem Niveau spielen. Ab dem dritten Satz erlebt das Publikum dann einen erstklassigen Mahler, der ohne interpretatorische Experimente auskommt. Gustavo Gimeno hat sich für eine geradlinige, ja klassische Interpretation entschieden und dabei den Solostimmen viel Raum gegeben. In erster Linie muss man das kompakte Blech und die wunderbar intonierende Cellogruppe hervorheben. Viel Applaus für die Soloeinlagen von Adam Rix an der Trompete und insbesondere für Leon Halsdorf, dessen Hornspiel sich im dritten Satz auf Weltklasseniveau bewegte. Überhaupt glänzte das Orchester, von den wenigen Intonationsproblemen in den ersten beiden Sätzen einmal abgesehen, durch ein engagiertes, spielfreudiges und klangschönes Spiel. Zum Schluss verdiente Standing Ovations für das Luxemburg Philharmonic und seinen Dirigenten Gustavo Gimeno.

Hochspannung mit Les Siècles

Das vielgelobte Ensemble Les Siècles und sein Gründer und Dirigent François-Xavier Roth gastierten endlich in unserer Philharmonie. Die Erwartungen waren hochgesteckt und wurden dann auch sogar noch übertroffen. Denn was Les Siècles, die abwechselnd Modernes (Ligeti) und Historisches (Mozart) spielten, an Klangkultur, Feinschliff, Dynamik und Spielfreude mitbrachten, war schon außergewöhnlich. Dazu das subtile, absolut präzise und ausgewogene Dirigat von Roth, den man heute wirklich zu den ganz großen Dirigenten zählen muss, obwohl er kein Star-Typ ist. Das merkte man dann auch an seiner Leitung. Kleine, aber präzise Gesten, ein unaffektiertes, unspektakuläres Dirigat, das zu absolut phänomenalen Interpretationen führte. Ligetis Klangwelten wurden zu einem Abenteuer. Ob bei dem fein ziselierten, niemals übersteigerten „Concert Romanesc“ oder dem atemberaubenden Violinkonzert, Roth fand immer und sofort den richtigen Duktus und Klang. Isabelle Faust erwies sich als kongeniale Solistin, die die ganze Vielschichtigkeit dieses Konzert auf beeindruckende Weise zu Klang formen konnte.

Nach der Pause Mozarts Klavierkonzert Nr. 23 in einer ungewöhnlichen Instrumentenkonstellation. Die Streicher agierten im Hintergrund, während Roth die Holz- und Blechbläser um das Fortepiano herum gruppiert hatte. In diesem ungewöhnlichen Klangbild konnte Alexander Melnikov sein differenziertes Klavierspiel optimal entwickeln, wenn ich auch, ehrlich gesagt, bei Mozart immer noch einen klassischen Konzertflügel vorziehe. Trotzdem eine hörenswerte Interpretation. Wann hat man Mozarts Symphonie Nr. 41 so wunderschön und dramatisch gehört wie heute Abend? Les Siècles erwiesen sich als bestens eingespieltes Team, das sofort den richtigen Klang und die richtige Klangbalance fand. Roths Interpretation, wie auch im Klavierkonzert eher klassisch, ließ das mangelnde Vibrato vergessen, weil er und die Musiker es schafften, ihren Mozart in spieltechnischer, dramatischer und klanglicher Vollendung minutiös auszuloten. Es war ein langes Konzert, das viel Aufmerksamkeit verlangte. Nach zweieinhalb Stunden hatte ich dann nicht mehr die nötige Konzentration, mir nach einer zweiten Pause noch den dritten Teil mit einer musikalischen Überraschung von Isabelle Faust und Alexander Melnikov anzuhören.