„Ein anderes Leben“: Hanna und ihre Töchter

Spätestens mit ihrem Auftritt in der humoristischen Krimiserie „Mord mit Aussicht“ wurde die renommierte Theaterschauspielerin Caroline Peters vor gut zehn Jahren auch einem breiten Fernsehpublikum zu einem Begriff. Seitdem hat sich ihre Karriere kontinuierlich weiterentwickelt, man könnte also meinen, dass sie mit genug Arbeit ausgelastet wäre? Entsprechend überraschend nun das Romandebüt von Caroline Peters: „Ein anderes Leben“.
Drei Schwestern treffen sich am Grab des Vaters der jüngsten. Schon auf der ersten Seite des Romans purzeln die Erwartungen hin und her. Denn erzählt wird die Geschichte einer derart extrem gepatchworkten Familie, dass sie eher an das göttliche Durcheinander auf dem altgriechischen Olymp erinnert als an die modisch-dysfunktionalen Beziehungskisten im Hier und Heute. Es geht um ein Frau – Hanna, die nacheinander drei Freunde aus der Heidelberger Studienzeit heiratete und von jedem der Männer jeweils eine Tochter zur Welt brachte: Laura, Lotta und die Ich-Erzählerin als Nesthäkchen, das in dem Buch namenlos bleiben wird. Als Erklärungsansatz könnte man genauso gut auch Hanna und ihre drei Männer – Klaus, Roberto und Peter – in Anschlag bringen. Doch dann würde der Blick auf „Ein anderes Leben“ in eine Schieflage geraten.
Denn im Grunde werden die Frauen verhandelt, welche, wie die Töchter, in unerbittlicher Eifersucht aneinander gebunden sind, und deren Mutter, die am Anfang des Romans bereits tot ist. Und dennoch geht es selbst auf dem Begräbnis ihres dritten Mannes um sie. Hanna gehört zu jenen im Halbtraum lebenden Menschen, welche „die Welt mit Jules Verne bereisen, oder mit dem Spieler von Dostojewski ins Casino gehen“.

Hanna, die Unkonventionelle, die überaus Kluge, die Poetin, die Abenteuerin, die mit den Anforderungen eines Hausfrauenlebens in den 1970er Jahren nicht zurechtkam. Die für ihre Anstellung in der Kölner Universitätsbibliothek die schriftliche Genehmigung ihres Ehemannes vorlegen musste. Und die schließlich ausbricht, um die Familie hinter sich zu lassen.
Caroline Peters’ Erzählstil neigt zu einer analytischen Schärfe, die wiederum durch pointierten Humor abgemildert wird. Die von Zärtlichkeit und auch Bitterkeit getragene Schilderung von Hannas letzten schweren Jahren zeigt dann wiederum nachdrücklich, dass es sich bei der Autorin nicht bloß um eine großartige Schauspielerin handelt!
„Mein Name ist Barbra“: Barbra Streisands monumentale Autobiografie

„Ich dachte, ein Buch zu schreiben, wäre einfacher, als einen Film zu machen, aber Junge, lag ich falsch.“ Über Jahre wurden immer wieder Spekulationen laut, dass Barbra Streisand an ihrer Autobiografie arbeite. Nun ist sie tatsächlich da, der Verlag musste sie ihr, wie der Star in den Danksagungen auch gestand, für eine Veröffentlichung buchstäblich „aus den Händen reißen“.
Sonst wäre sie vielleicht noch immer am Sammeln von Anekdoten, Briefen, Tagebucheinträgen, und der Befragung von Familienangehörigen, Freunden und Kollegen, mit denen sie teils über Jahrzehnte Arbeitsbeziehungen pflegt. Gut möglich, dass in einer der nächsten Auflagen weitere Absätze und ganze Kapitel dazukommen, dass das Textvolumen dieses monumentalen, aktuell zwölfhundert Seiten umfassenden Projekts weiter anschwellen wird. Denn wenn wir aus ihren Lebenserinnerungen mit dem Titel „Mein Name ist Barbra“ etwas lernen können über sie, dann ist es ihr unbeugsamer Wille, eine gute Arbeit abzuliefern.
Immer wieder versucht sie sich gegen die Kritik, sie wäre eine schrecklich nervige Perfektionistin, zu wehren. Überhaupt ist ihre Autobiografie über weite Strecken eine Art Abwehrkampf gegen vielerlei Anwürfe. Dass sie divenhaft und nervtötend sei, dass sie ihre Bühnen- und Filmpartner mit ihrer kapriziösen und besserwisserischen Art in den Wahnsinn getrieben hätte – und vor allem: dass sie der letzte große Star des alten Hollywoods gewesen sei, der wie durch ein Wunder den Übergang zum New Hollywood und die Jahrzehnte danach geschafft habe.
A Star is born
Das Wichtigste scheint Barbra Streisand die Nachweisführung, dass sie eben kein Star ist – egal, ob alte, neue oder sonst welche Schule, sondern eine ungemein hart arbeitende Künstlerin, liebende Mutter und Ehefrau. Phänomenal sind die in die hunderte gehenden Seiten in ihrem Buch, in denen sie die Arbeitsprozesse zu Musicals wie „I Can Get It For You Wholesale“ (mit dem sie 1961 bekannt wurde und bei dem sie ihren ersten Ehemann Elliott Gould kennenlernte) und „Funny Girl“ (mit dem sie 1964 ihren Durchbruch erlebte) bis ins Kleinste erläutert und die Beziehungen zwischen den Protagonisten beschreibt, ohne dabei die alles entscheidende ökonomische Seite außer Acht zu lassen.
Die gleiche Sorgfaltspflicht legt sie sich bei den Schilderungen der Musical-Verfilmung von „Funny Girl“ (mit der sie 1968 weltberühmt wurde) oder bei „Yentl“ auf – jener Produktion, bei der 1983 erstmals eine Frau als Produzentin, Drehbuchautorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin in Personalunion Filmgeschichte geschrieben hat. Wer sich bei der Lektüre durch so viel Detailversessenheit überfordert fühlt, kann zum nächsten Kapitel weiter blättern – der Plauderton, für den sich Barbra Streisand entschied, macht ein solches Texte-Hopping problemlos möglich. Wer aber sich treulich durch die Berge an Informationen wälzt, wird entdecken, dass das Buch in gewisser Weise durchkomponiert wurde. Einzelne Aspekte, wie beispielsweise der frühe Tod des Vaters und die ablehnende Haltung der Mutter gegenüber ihrer Tochter, tauchen immer wieder auf und können leitmotivisch, also durchaus tragisch als Motor für das unglaublich fleißige, ja nimmermüde Wirken der Künstlerin erkannt werden!

Dass sie Anfang der 1960er Jahre auf dem amerikanischen Unterhaltungsmarkt wie eine Bombe einschlug und bei CBS-Records einen Vertrag unterschrieb, der ihr die künstlerische Kontrolle über ihre Schallplattenkarriere garantierte, ist ein derart einmaliger Vorgang, dass man selbstverständlich Barbra Streisands Version dazu wissen möchte. Erstaunlicherweise bleibt sie auch da, im Rückblick auf den Anfang ihrer Karriere, ganz in dieser Anti-Star-Haltung, beschreibt die Zeit als eine Aneinanderreihung von glücklichen Zufällen und bitteren Rückschlägen. Aber immer wieder gab es in den Agenturen, in den Castingbüros, an den Theatern oder in den Fernsehstationen Leute, die an der jungen Frau, die so gar nicht den damals geläufigen Schönheitsvorstellungen entsprach, das enorme Talent und den Eifer erkannten, sich in einer Branche durchzusetzen, in der, entgegen aller Publicity, Einzigartigkeit eher als Unfall angesehen wird.
De Maart
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