Dadurch bündeln sich Handlungen und Gedanken von mindestens sechs Protagonisten in den Reflexionen einer einzigen Person: des Opfers Sebastian, herausragend gespielt von
Luc Feit.
Schwarze Sonne scheine
Monolog
Albert OstermaierMit: Luc Feit
Regie: Johannes Zametzer
Assistenz: Francis SchmitWeitere Aufführungen:
Am 3. und 4. Dezember um 20 Uhr im Kapuzinertheater
Tickets und Info:
Die Thematik ist ernst: Sebastian, ehemaliger Klosterschüler, jetzt Mitte zwanzig, angehender Dichter mit Talent, wird von Kirche und Medizin missbraucht. Er sei todkrank, heißt es, er müsse sofort behandelt werden, in einer Spezialklinik in Atlanta. Die „Göttin in Weiß“, die – wie sich später herausstellt – nicht einmal ein abgeschlossenes Medizinstudium besitzt, und der Mann in Schwarz, der „den Hummer segnet, während er sich auf die Armut in Afrika“ vorbereitet, missbrauchen ihre Macht und manipulieren ihren Schützling.
Todesangst und Todessehnsucht
Sebastian glaubt ihnen, dass er todkrank ist, macht, was sie von ihm verlangen. Verliert ein Jahr seines Lebens, zwischen Todesangst und Todessehnsucht, in einem Krankenhausbett Tausende Kilometer weg von zu Hause. Am Ende schreibt er ein Gedicht, um anzuklagen.
Doch keiner will es hören, nicht einmal seine Eltern. Und der einst väterliche Mentor, der katholische Priester Sylvester, sitzt in Talkshows im Fernsehen, während die „Göttin in Weiß“, weiterhin Gesunde krank macht.
Es scheint vielleicht auf den ersten Blick nicht besonders originell zu sein, in unserer heutigen Zeit auf den Machtmissbrauch von Kirche und Wissenschaft zu schimpfen, auch wenn die autobiografische Aufarbeitung dem Stoff sofort eine zusätzliche Dimension verleiht. Doch was die Aufführung vor allem so gut macht, ist ihre wunderbar gelungene strukturelle Umsetzung des Stoffes in einen Monolog. Luc Feit als Sebastian springt zwischen Erzählung, indirekter Rede, Anekdoten und eigenen Gedanken hin und her. Der Text bekommt eine Dichte, die ihn atemberaubend macht.
Die Lüge seines Lebens
Es sind nicht nur die verwerflichen moralisch-politischen Strukturen mit ihren verzahnten Hierarchien, die sich vor dem Zuschauer ausbreiten, sondern auch die unterschiedlichen Beziehungen, die Sebastian mit den anderen Figuren pflegt. Da ist natürlich in erster Linie der Priester Sylvester, sein moralischer Ziehvater, jener, der ihn in seinen schriftstellerischen Ambitionen bestärkt, mit ihm über Literatur und Kunst redet, um dann das gewonnene Vertrauen gnadenlos auszunutzen und das gesamte Wertesystem des Jungen zum Einstürzen zu bringen.
Doch auch das Verhältnis zu seinen Eltern und seiner Freundin, die „fassungslos gefasst“ auf die Hiobsbotschaft der fatalen Diagnose reagieren. Und sich dann über die schlecht angebrachten Vorhängestangen in seinem Zimmer mokieren. Es tauchen aber auch Erinnerungen an Sebastians Freundschaft mit Ahmet und Mohammed auf, die aus der Katholizismuskritik eine Kritik an Religionen, sogar Ideologien an sich machen. Doch am berührendsten ist dennoch die autoreferentielle Auseinandersetzung Sebastians mit seinem Schicksal. Mit der Lüge seines Lebens.
Luc Feit alleine auf der Bühne überzeugte bereits 2010 in seiner Hommage an Christian Andersen. Doch vor dem, was er jetzt wieder im Kapuzinertheaters spielt, kann man nur noch den Hut ziehen. Das tat das Publikum am Mittwochabend dann auch. Die Emotionen, die Luc Feit freisetzt, die Leichtigkeit, mit der er durch den komplexen, bilderreichen Text stolziert und vor allem seine nüchterne Ironie, mit der er die furchtbare Geschichte erzählt, sind ganz großes Theater!
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