Er ist mittlerweile 94 Jahre alt und immer noch aktiv. Der Dirigent Herbert Blomstedt (Jahrgang 1927) ist der älteste noch praktizierende Dirigent der Welt. Und das ist er mit Leib und Seele. Auch heute noch sind seine Interpretationen erfüllt von Leben und Frische, von Augenzwinkern und Gestaltungsfreude. Wie man letztes Jahr anlässlich seines Auftritts beim Lucerne Festival feststellen konnte, wo er mit der damals fast 80-jährigen Pianistin Martha Argerich einen ungemein frischen und jugendlichen Beethoven interpretierte.
Am vergangenen Samstag nun hatte Herbert Blomstedt die Ehre, zusammen mit den Wiener Philharmonikern die neue Spielzeit in der Philharmonie zu eröffnen. Auf dem Programm: die Symphonie Nr. 8 D 759 „Unvollendete“ von Franz Schubert und die 4. Symphonie von Anton Bruckner. Zwei Werke also, die zu Blomstedts Kernrepertoire gehören.
Und welch ein musikalischer Paukenschlag wurde dieses Konzert! Bereits Schuberts „Unvollendete“ zeigte Blomstedt als einen profunden Kenner von Schuberts Musik, der mit Stil und Emotionen bis in die tiefsten Winkel dieser Symphonie vordrang. Der romantische Gestus stand natürlich bei Blomstedt im Vordergrund. Hier gab es keinen seichten Pathos, hier ließ Blomstedt die Wiener Philharmoniker mit teils dunklen, teils strahlend hellen Farben musizieren.
Scharfe Konturen, dramatische Wendungen, dezente Farbenspiele, unendlich schöne Melodien und ein trotz großer Besetzung immer transparentes Klangbild ließen Schuberts bekannteste Symphonie in allerbestem Licht erscheinen.
Nach der Pause (ja, es gibt sie wieder!) ein weiteres Lieblingswerk des schwedischen Dirigenten und zugleich ein Paradestück der Wiener. Herbert Blomstedt, der sowohl Schubert wie auch Bruckner auswendig dirigierte, erwies sich hier als ein Meister der Gestaltung, der genau wusste, wie er Bruckners Musikblöcke zu behandeln hatte.
Die Musik blieb flüssig, Blomstedt achtete dabei sehr auf die Mittelstimmen, die er dann als melodisches Bindeglied einsetzte, und somit einen organischen Ablauf erzielte. Mit agogischer Finesse baute er Innenspannung auf, die oft nur auf einem leichten Accelerando oder Ritardando beruhten, aber immer konsequent in den dramatischen Ablauf passte.
Dazu die Wiener Philharmoniker mit ihrem klangveredelten Spiel, die in jedem Takt zusammen mit ihrem Dirigenten atmeten und immer wieder die organischen Momente der Musik betonten. Kein Zweifel, eines der besten Konzerte, die wir je in der Philharmonie gehört haben. Für mich persönlich vielleicht die schönste Aufführung einer Bruckner-Symphonie überhaupt. Und ich habe viele bisher erlebt …
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