KunsteckeSkulpturen fürs Leben

Kunstecke / Skulpturen fürs Leben
Marie-Josée Kerschen ist seit mehr als 50 Jahren als Bildhauerin aktiv. Ihre Werke zeugen von ihrem Bekenntnis zum Humanismus, ihrer Solidarität zu ihren Mitmenschen und ihrem Engagement für den Schutz der Natur. Foto: Tom di Maggio

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Zelebrierte die Bildhauerin Marie-Josée Kerschen vor rund zehn Jahren mit „Ma vie sculptée“, einem Buch und einer Ausstellung im Escher Theater ihren 60. Geburtstag und nach 30 kreativen Jahren den vorläufigen Höhepunkt ihres Künstlerlebens, so zeugt die aktuelle Ausstellung „Un demi-siècle de sculpture“ im Schifflinger „Konschthaus“ nicht nur von ihrem Talent, sondern auch von ihrem Weg zu neuen Horizonten.

Anders als Neuankömmlinge in der heimischen Kunstszene hat die in Vianden wohnende Bildhauerin Marie-Josée Kerschen nichts mehr zu beweisen. Sie ist seit mehr als 50 Jahren als Bildhauerin aktiv, hat Höhen und Tiefen in ihrer Vita gemeistert und zeugt nach wie vor von einer immensen Willens- und Schaffenskraft. Als „Hymne auf das Leben“ bezeichnet Guy Wagner in einem auf der Webseite der Künstlerin veröffentlichten und 2002 verfassten Einführungstext das Œuvre von Marie-Josée Kerschen. In der Tat hat sich die Künstlerin in all den Jahren mit recht unterschiedlich verlaufenden Lebensetappen, aber auch mit den Entwicklungen ihrer Umwelt und dem Schicksal der Menschen allgemein auseinandergesetzt. Ihre Werke befinden sich in zahlreichen Gemeinden des Großherzogtums, ob bei Mahnmalen für die Opfer eines Krieges, in Erinnerung an verstorbene nahe Verwandte oder etwa als Hinweis auf die Stellung der Frau. Unabhängig vom Motiv, ob Mensch oder Tier, ob real existierend oder geistiger Vorstellung, ihre in Holz gehauenen, geschnitzten oder in Bronze gegossenen Arbeiten verweisen alle auf ihren so charakteristischen Stil und ihre tiefe Einfühlsamkeit, ihr Bekenntnis zum Humanismus, ihre Solidarität zu ihren Mitmenschen und darüber hinaus auch ihr Engagement für den Schutz der Natur in all ihren Facetten.

In den vergangenen Jahren hat sich die Luxemburgerin auf die von ihr meisterhaft beherrschte Holzkunst konzentriert
In den vergangenen Jahren hat sich die Luxemburgerin auf die von ihr meisterhaft beherrschte Holzkunst konzentriert Foto: Henri Goergen

Unter den 34 in Schifflingen ausgestellten Skulpturen befinden sich zwei Gruppen mit Arbeiten, die sie aus Flutholz aus dem Ahrtal nach der großen Überschwemmungskatastrophe, die besonders eine Ortschaft arg traf, geschaffen hat. „Memorial Ahrtal 2021“ nennt sie gleich mehrere Figuren, bei denen sie neben dem verwendeten Holz auch einen passenden Farbanstrich gesetzt hat, um die Herkunft des Materials genau zu dokumentieren. „Optimist II und III“ sowie „Floating like a Duck I und II“ nennt sie weitere aus diesem sozusagen recycelten Holz geschaffene Figuren. Ihr Solidaritätsgefühl bringt sie außerdem mit der Versteigerung der Bronze „Naissance“, 1981 entstanden, zum Ausdruck. Die Aktion läuft noch bis Ende der Schau.

Holz mit Mosaik angereichert

Anlässlich ihrer Ausstellung 2020 in der Valentiny Foundation hat sie die typischen schlanken Standskulpturen mit ihren realen und doch verfremdeten Gesichtern mit Perlen, Glassplittern und Mosaiksteinchen angereichert. Plötzlich blitzen auf der kahlen, bräunlichen Oberfläche des Holzes ein- und aufgesetzte Schmuckelemente auf, geben ihren Figuren einen fast modischen Anstrich – sicherlich geeignet, um so manchen Betrachter zu verzücken. Dies ist auch bei der laufenden Präsentation der Fall. Da geht nicht nur die Rede von einem „Collier en or antique“ „Flower Power“ oder „Prête pour une sortie en fête“, nein, da zeigt sie auch eine „Hommage an Carlo Signorini“, ihren verstorbenen Partner, der eine Koryphäe in der zeitgenössischen Mosaikkunst war.

Marie-Josée Kerschen, die sich in den vergangenen Jahren auf die von ihr meisterhaft beherrschte Holzkunst konzentriert hat, nutzt unterschiedliche Holzarten für ihre Skulpturen, wobei sie die Beschaffenheit und Tönungen von Eiche, Kirsche oder Lorbeer geschickt je nach Motiv einsetzt. Interessant bei dieser Ausstellung sind auch die filigran gehaltenen Werke mit fein herausgearbeiteten, glatt-hellen Köpfen aus Rebenholz. Das sind keine dicken Stämme, sondern nur kräftigere Äste, die Kerschen zu anschaulichen, zum Aufhängen geeigneten Skulpturen geformt hat „Petite masquerade dans la vigne suspendue“ nennt sie beispielsweise eine solche Reihe. Tischskulpturen mit und ohne Schmuckelementen, aber mit diversem, teils verzerrtem Gesichtsausdruck sowie stattliche Standfiguren spiegeln sowohl ihre eigene imaginäre Welt als auch ihre Vorliebe für geschichtlich-mythologische bis religiösen Referenzen und ihre poetische Ader wider.

Neben eher handlichen Arbeiten trumpft sie auch mit umfangsreicheren Werken, etwa „Trois Dieux inutilisables“ oder „Trois Dieux en suspens“ auf, auch wenn diese Arbeiten in die Schaffensperiode der 90er-Jahre zurückreichen, genau wie „Puppet on the Wings“ und „God under Arrest“. Mit „Bien dans sa peau“ aus dem Jahr 2003 wird die Schau eröffnet – ein symptomatischer Titel, der wohl die Gefühlswelt der Künstlerin, wenn sie sich im Atelier mit ihrem Vorzugsmaterial anfreundet, auseinandersetzt, ihre Themenwelt schmiedet und in harter wie gezielter künstlerischer Handarbeit diese in abgeschlossene Skulpturen umsetzt.

Lesenswert: „Ma vie sculptée“

Marie-Josée Kerschen hat in all den Jahren an zahlreichen Sammelausstellungen im In- und Ausland teilgenommen, mannigfaltige Solo-Schauen seit den frühen 80ern absolviert und sich auch im Theaterbereich künstlerisch eingebracht. Nach Studien in Karlsruhe, in Italien und Paris sowie Teilnahme an der Sommerakademie in Salzburg und mehreren Symposien ist sie weiter ihren Weg gegangen, hat wichtige Preise erhalten und wurde 1992 mit dem „Grand-Duc Adolphe“-Preis ausgezeichnet. Ihre Werke sind in öffentlichen Sammlungen vertreten, vor allem aber ist sie vielen Mitbürgern durch ihre Figuren und Gruppenstandbilder im öffentlichen Raum bekannt. Seit Jahren wirkt sie aktiv bei der Belebung der Galerie ViArt mit und ist bei den einmal im Jahr organisierten Tagen („Konschtour“) der offenen Tür im historischen Städtchen Vianden engagiert.

Das 2012 bei ultimomondo erschienene Buch „Ma vie sculptée“ ist 150 Seiten stark, umfasst neben verschiedenen Texten auch ein in der Sache noch immer aktuelles Gespräch mit der Journalistin Marie-Anne Lorgé sowie eine Fülle an Abbildungen von Werken unterschiedlicher Dimension und Textur von Marie-Josée Kerschen. Es ist zum Preis von 50 Euro in der Galerie zu erwerben.

Die Expo

„Un demi-siècle de sculptures“ ist noch bis zum 24. Februar im „Schëfflenger Konschthaus“ (2, avenue de la Libération) zu sehen. Die Ausstellung ist von mittwochs bis sonntags von 14.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.