Alain spannt den BogenSchwacher Midori-Auftritt

Alain spannt den Bogen / Schwacher Midori-Auftritt
Christoph König tat sein Möglichstes, konnte die ehemalige Starviolinistin Midori aber nie wirklich für einen konstruktiven Dialog gewinnen Foto: SEL/Michal Stolorz

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Die Solistes Européens Luxembourg im Doppelpack: Ein Konzert mit guten und schlechten Überraschungen in der Philharmonie und eine hervorragend gespielte CD mit überraschenden und hochwertigen Werken luxemburgischer Komponisten sind die Themen unserer heutigen Ausgabe.

Chinesische Perlen

Aus Anlass des chinesischen Neujahrs, das am 10. Februar als Jahr des Drachen begonnen hatte, und zum 45. Jubiläum der Bank of China, die dieses Konzert ebenfalls unterstützte, fanden sich dann auch drei chinesische Werke auf dem Programm. Die Solistes Européens Luxembourg unter der Leitung von Christoph König begannen mit zwei ineinander übergehenden chinesischen Tänzen („Purple Bamboo“ und „Son of Happiness“) in der Bearbeitung des schottischen Komponisten Edward McGuire (*1954). Dieser flotten Einleitung folgte das komplexe Violinkonzert von Robert Schumann, ein Stiefkind der Violinliteratur. Das Konzert erlebte zu Schumanns Lebzeiten nur eine unzufriedenstellende Probe und verschwand sehr schnell wieder in der Schublade, bis die Nazis aus Propaganda-Gründen das Werk durch Paul Hindemith überarbeiten ließen und es dann 1937, also 84 Jahre der Fertigstellung, zur Uraufführung kam, die damals von Georg Kulenkampff gespielt wurde. Begleitet wurde er von den Berliner Philharmonikern unter Karl Böhm.

Mittelmäßiger Schumann

In der Tat entspricht das Konzert (ohne Kadenzen) nicht dem Geist der Romantik, sondern kommt eher düster, zerrrissen und behäbig daher. Vom Solisten wird größte Gestaltungskraft verlangt, ansonsten kann es schon mal recht langweilig und unverständlich werden. Die Interpretation durch die SEL und die einst großartige Violinistin Midori erlebte ich eher als durchwachsen. Midori, die man auf den großen europäischen Bühnen seit gut 15 Jahren nicht mehr wahrgenommen hat, konnte dann auch nicht wirklich überzeugen. Christoph König gelang es zwar wunderbar, diese schwer zu beschreibenden Stimmungen wiederzugeben, und das Orchester geizte (insbesondere im 1. Satz) nicht mit einem schönen Schumann-Klang, auf dem sich die Solistin hätte sehr frei bewegen können. Das tat Midori dann allerdings nicht; sie spielte zwar ordentlich, lebte die Musik aber nicht und gestaltete somit an keiner Stelle wirklich. Die Emotionslosigkeit ihrer Mimik und Haltung spiegelten sich dann auch in der Wiedergabe.

Ab dem zweiten Satz, der noch relativ vielversprechend begann, schienen Orchester und Solistin auseinanderzudriften. Sie fanden dann auch nicht mehr zusammen, sodass das interessante Konzert mit einem schwachen Finalsatz endete. Christoph König tat das Möglichste, um alle Enden zusammenzuhalten, konnte aber die ehemalige Starviolinistin nie wirklich zu einem konstruktiven Dialog mit ihm überreden. Wenig und schnell versiegenden Applaus gab es dann auch vom Publikum für diese Darbietung und Midori musste sich beeilen, um sich mit einer gut gespielten Bach-Zugabe wenigstens etwas zurückzukaufen. Wer sich aber näher mit dem Schumann-Konzert auseinandersetzen will, der sei auf die hervorragende Einspielung mit Isabelle Faust, dem Freiburger Barockorchester und Pablo Heras-Casado (auf harmonia mundi) verwiesen.

Spielfreudiger Mozart

Die beiden folgenden Stücke waren Überraschungswerke und wurden im Programm dieses Concert surprise nicht angekündigt. Als Erstes erklang das kurze Stück „Celebration“ der amerikanisch-chinesischen Komponistin Zhen Yi (*1953), die 2006 Finalistin für den Pulitzer Price for Music gewesen war, später dann den Koussevistky Music Award und den Lieberson Award gewonnen hat. In dieser zweiten Konzerthälfte wirkten die SEL dann ab der ersten Note sehr engagiert und spielten wieder richtig gut und konzentriert.

Das Hauptwerk musste vom Publikum erraten werden; es handelte sich um die Symphonie Nr. 41 Jupiter von W.A. Mozart. Und hier erlebte das Publikum eine in der Tat in allen Punkten überragende Aufführung. Vor allem war es die dynamische und schwungvolle Leitung von Christoph König, die diesen Mozart zu einem Ereignis machte. König begnügte sich nicht nur mit einer geradlinigen, den Hauptmelodien folgenden Interpretation, sondern setzte insbesondere in den beiden Ecksätzen immer wieder Akzente, schärfte Kanten und spielte mit den Tempi. Wunderbar, wie er im 3. Satz diese einmalige Leichtigkeit in Szene zu setzen wusste und die Instrumentengruppen miteinander und gegeneinander aufspielen ließ. Das war ein toller Mozart, spielfreudig, schnörkellos und sehr dynamisch.

Zeitgenössische Klangerlebnisse

Nach dem Konzert ist vor dem Konzert. Oder wie hier: vor der CD. Am 23. Februar erscheint im Label Naxos „Luxembourg Contemporary Music – 3.“ Wie im Vol. 1 spielen die Solistes Européens Luxembourg unter Christoph König zeitgenössische Werke von Olivier Dartevelle, Luc Grethen, Ernie Hammes, Catherine Kontz und Gast Waltzing. 74 Minuten dauert diese Scheibe und bietet einen sehr vielseitigen Querschnitt durch das luxemburgische Musikschaffen. Den Auftakt macht Luc Grethens Upswing (2016), ein 15-minütiges Stück, in dem der Komponist ein effektvolles „Crescendo an Energie, Kraft und Spannung“ erzeugt. Grethen erweist sich hier als ein Meister der Orchestration, der Farben und der Klangbalance. Ein wahrer Ohrenschmaus!

Es folgt Gast Waltzings „Princess Don’t Grow Old“ (2019), ein Werk mit Filmmusikcharakter und voller narrativer Kraft und Fantasie. Der Jazzmusiker Ernie Hammes hat 2019 sein Concertino Nr. 1 für Piccolo-Trompete, Jazz-Quintett und Kammerorchester kombiniert und schlägt hier einen stilistischen Bogen von Barock bis zum Jazz und begeistert mit tollen Improvisationseinlagen und typischem Jazz-Sound. Ebenfalls von Hammes sind „Booboo“ (2017), „Tuna Melt“ (2017/19) und „West End Avenue“ (2018/19) zu hören. Dass auch hier die Jazz-Elemente überwiegen, dürfte niemanden überraschen. Neben den SEL spielt bei diesen vier Werken auch die Ernie Hammes Group mit Ernie Hammes, Piccolo-Trompete, David Ascani, Saxofon, Boris Schmidt, Bass, Pierre-Alain Goualch, Klavier und Niels Engel, Schlagzeug.

Komplexere und sehr faszinierende Töne lässt Catherine Kontz in ihrem 2020 komponierten Werk „The Waves“ nach Virginia Woolfs gleichnamigem Stück anklingen, das musikalisch den historischen „Wellen“ des Feminismus folgt. Kontz’ Musik aber steht auch ohne Programm für sich. Den Abschluss dieser abwechslungsreichen CD macht „Nouvelle Antigone“ von Olivier Dartevelle. Hier zeigt der ehemalige Klarinettist des Luxemburg Philharmonic, dass er sich als mutiger und innovativer Komponist nicht zu verstecken braucht und mit „Nouvelle Antigone“ ein ebenso dramatisches wie anspruchsvolles Werk in vier Sätzen komponiert hat. Vier der hier eingespielten Werken sind Auftragskompositionen vom luxemburgischen Kulturministerium, eines von den SEL. Es sind alles Aufnahmen, die zwischen 2016 und 2021 live im großen Saal der Philharmonie mitgeschnitten wurden. Die SEL spielen in jedem Werk erstklassig und engagiert, während Christoph König ein sehr gutes Händchen für den jeweiligen Charakter der doch sehr unterschiedlichen Stücke zeigt. Dass der Klang dieser CD atemberaubend ist und unsere zeitgenössische Musik zu einem wahren Hörerlebnis werden lässt, ist dem Produzenten, Aufnahmeleiter und Klangmagier Marco Battistella zu verdanken.

Der Klang dieser CD ist atemberaubend  und lässt unsere zeitgenössische Musik zu einem wahren Hörerlebnis werden
Der Klang dieser CD ist atemberaubend  und lässt unsere zeitgenössische Musik zu einem wahren Hörerlebnis werden