„A Big Bold Beautiful Journey“ (RATING: 2,5/5)
Kogonadas „A Big Bold Beautiful Journey“ startet mit der Ambition, ein modernes Märchen zu erzählen. Ein Roadmovie mit magischem Realismus, eine romantische Komödie als visuelles Spektakel mit emotionalem Herz. Doch hinter all dem Glanz verbirgt sich ein Film, der oft zu bemüht wirkt – opulent, überladen und manchmal leer.
Zwischen märchenhaftem Roadmovie, romantischer Komödie und analytischem Traumspiel sucht Kogonadas neuer Film „A Big Bold Beautiful Journey“ nach Emotion – und findet doch vor allem sich selbst. David (Colin Farrell) und Sarah (Margot Robbie) treffen sich auf einer Hochzeit. Dort, wo Liebe in Ritualen erstarrt, wo das Glück choreografiert und der Zufall verdrängt ist, funkt etwas – oder zumindest die Idee davon. Bevor sich die beiden näherkommen, schickt sie das Schicksal – in Form eines sprechenden GPS – auf eine Reise, die sie zu Türen führt, hinter denen Erinnerungen, verpasste Chancen und alternative Lebensentwürfe warten.

Wie in einem modernen Märchen öffnen sich Räume, die an psychologische Bühnen erinnern. Das GPS wird zum digitalen Zauberwesen, das seine Helden zwingt, sich selbst zu begegnen. Doch je weiter David und Sarah reisen, desto deutlicher tritt die Mechanik zutage. Das Wunderhafte wirkt berechnet, das Magische kontrolliert – als stünde jemand daneben, der sicherstellen möchte, dass jedes Symbol auch richtig verstanden wird. Kogonada arbeitet hier mit den Mustern der romantischen Komödie: zwei verlorene Seelen, die sich über Umwege finden, Missverständnisse, sentimentale Offenbarungen. Aber er zerlegt diese Struktur zugleich – mit ironischer Distanz, mit der Präzision eines Regisseurs, der lieber analysiert als fühlt. Die Romcom wird seziert, bevor sie sich entfalten darf.
Dabei ist die Versuchsanordnung faszinierend: Türen als Übergänge, ein GPS als Stimme des Schicksals, ein Paar, das nur über Umwege zueinander findet. Doch aus dieser Anlage entsteht kein lebendiges Spiel, sondern eine intellektuelle Choreografie. Kogonada inszeniert nicht die Begegnung, sondern deren Idee. Ein Satz wie „sometimes we have to perform to get to the truth”, klingt wie das heimliche Motto des Films. Alles hier ist Performance: Liebe als Rollenspiel, Erinnerung als Inszenierung. Das Märchenhafte verliert seine Naivität, das Romantische seine Spontaneität.
Zu perfekt
Visuell dagegen ist „A Big Bold Beautiful Journey“ überwältigend. Die Farbgestaltung ist ein Fest – immer wieder beschwört Kogonada die Ästhetik der klassischen Hollywood-Musicals herauf. In einer Szene hängt ein Plakat von „Singin’ in the Rain“ an der Wand, als offene Referenz und stiller Kommentar. Hier soll das Kino selbst zur Kulisse der Gefühle werden.

Doch die Schönheit erstickt den Atem. Was in „Columbus“ (2017) noch als kontrollierte Ruhe wirkte, wird hier zur Manier. Nahezu jede Einstellung gleicht einem Tableau, jede Bewegung einer Choreografie des Sinns. Der Film will bezaubern und bedeuten zugleich – und verliert beides. Seine Opulenz ist von einer fast sterilen Perfektion, die keinen Zufall, keine Unsauberkeit, keinen „echten“ Blick mehr zulässt.
Das GPS ist nicht das einzige Kontrollinstrument – der ganze Film funktioniert wie eine Maschine der Bedeutung: Türen, Spiegel, Regen, Tanzflächen, alles Metaphern, alles Systeme. Hinter der Fülle der Zeichen bleibt die emotionale Leerstelle. Farrell und Robbie spielen präzise, aber ohne Funken. Ihre Figuren erinnern eher an Denkfiguren in einem philosophischen Versuch als an Menschen aus Fleisch und Blut.
Was bleibt, ist ein ästhetisch funkelndes, aber emotional verhärtetes Märchen – ein Werk von großer Schönheit und noch größerer Selbstreflexion. Kogonada hat ein Kunstobjekt geschaffen, das über die romantische Komödie nachdenkt, ohne sie wirklich zuzulassen. „A Big Bold Beautiful Journey“ ist, wie sein Titel, groß, kühn und schön – und vielleicht gerade deshalb unfähig, einfach zu sein.
„Tron: Ares“ (RATING: 2,5/5)
Mehr als vierzig Jahre nach dem ersten „Tron“ schließt „Tron: Ares“ den Kreis der Reihe. Was 1982 als kühnes Gedankenexperiment begann und 2010 in digitaler Melancholie fortgesetzt wurde, erscheint nun als Versuch, der künstlichen Intelligenz ein moralisches Antlitz zu verleihen – mit wechselhaftem Erfolg.
Den Auftakt des filmischen „Tron“-Franchise machte Steven Lisbergers Disney-Film von 1982, der den Computer noch als mythologischen Raum begriff. Ein Ort, an dem Programme zu Wesen und Daten zu Glaubenssätzen wurden. Der Mensch betrat die Maschine, um seine eigene Schöpfung zu begreifen. „Tron: Legacy“ kehrte diese Bewegung 2011 um. Joseph Kosinskis Fortsetzung verwandelte das „Grid“ in ein nostalgisches Gefängnis, in dem der Schöpfer zum Gefangenen seines Ebenbilds wurde. Der Traum der digitalen Freiheit war zur Vision kontrollierter Perfektion geworden.

Mit „Tron: Ares“ führt nun Joachim Rønning diese Entwicklung in die Gegenwart. Er dreht die Bewegung ein weiteres Mal. Nun verlässt ein Programm die virtuelle Sphäre und tritt in die reale Welt. Aus dem Code wird Fleisch, die Simulation sucht Anschluss an das Menschliche. Diese Idee – das Digitale dringt ins Leben zurück – besitzt in Zeiten lernender Maschinen und generativer Systeme zweifellos Relevanz.
Leere Figuren
Rønning erzählt die Geschichte einer künstlichen Intelligenz (Jared Leto) namens Ares, die aus dem „Grid“ in die reale Welt entsandt wird, um eine existenzielle Krise zwischen Mensch und Maschine zu verhindern. An seiner Seite steht eine Wissenschaftlerin (Greta Lee), die zwischen Faszination und Angst schwankt. Auf dieser Ebene will der Film groß denken: über Bewusstsein, Moral und Verantwortung. Tatsächlich aber bleibt das Drama oft blutleer. Die Figuren wirken, als seien sie von ihren eigenen Texturen aus Glas und Licht gefangen.
Wie schon „Blade Runner“ vor vierzig Jahren stellt auch „Tron: Ares“ die Frage, was Menschlichkeit im Zeitalter des Künstlichen bedeutet. Doch wo Ridley Scotts Klassiker die Erfahrung des Maschinellen in Poesie verwandelte – den Schmerz der Replikanten, das Bewusstsein des Endlichen –, begnügt sich Rønning mit einer Behauptung des Guten. Ares entdeckt das Mitgefühl, spricht über Liebe, rettet schließlich die Schöpfer. Der Film glaubt an die Läuterung der Technik durch Emotion, wo doch gerade die Ambivalenz ihre produktive Kraft wäre. Das Resultat ist eine säuberlich programmierte Erlösungsphantasie, die eher beruhigt als beunruhigt.
Visuelles Ereignis
Visuell dagegen bleibt „Tron: Ares“ ein Ereignis. Rønning und Kameramann Matthew Jensen orchestrieren ein Ballett aus Licht, Reflexion und Bewegung, das zwischen 80er-Retro und futuristischem Design balanciert. Die Oberflächen sind makellos, die Bewegungen präzise, der Rhythmus von Nine Inch Nails’ Score treibend und bedrängend zugleich. Doch in dieser Perfektion liegt auch die Grenze des Films: Er entfaltet eine kontrollierte Schönheit, die sich selbst genügt. Wo noch „Blade Runner“ 1981 oder seine Fortsetzung, „Blade Runner: 2049“ durch Regisseur Denis Villeneuve 2017 in Regen und Rauch Emotion fand, verliert sich „Ares“ im Glanz seiner Shader.

Inhaltlich kippt der Film immer dann, wenn er glaubt, seine Metapher erklären zu müssen. Die moralische Software, die Güte der KI, die Versöhnung zwischen Code und Körper – all das bleibt theoretisch, weil es dramaturgisch kaum erprobt wird. Die Konflikte erscheinen vorhersehbar, das Ende vorherbestimmt. Die Tragik des Menschen im System – der thematische Kern des ursprünglichen „Tron“ – wird durch das Versprechen ersetzt, dass Systeme sich selbst erlösen können.
Hinter der glatten Oberfläche von „Tron: Ares“ liegt eine Spur von Melancholie – der Verlust jener Vision, dass Kino Zukunft denken könne, ohne sie zu besitzen. Der Film will trösten, wo er vielleicht beunruhigen müsste. Er beendet eine Reihe, die einst vom Aufbruch in das Digitale träumte, mit der Befriedung dieses Traums. Die Maschine hat gelernt, Gefühle zu spielen. Und das Kino schaut ihr dabei gebannt zu.
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