Donnerstag25. Dezember 2025

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Filmkritik„My Favourite Cake“, oder: Taxifahrten, Wein und Kuchen als Widerstand

Filmkritik / „My Favourite Cake“, oder: Taxifahrten, Wein und Kuchen als Widerstand
Halten wie Teenies zur Selbstvergewisserung ihr Glück für einen Abend in Selfies fest: Mahin (Lili Farhadpour) und Faramarz (Esmaeel Mehrabi) Quelle: imdb.com

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In „My Favourite Cake“ begibt sich eine resolute Seniorin in Teheran auf Partnersuche und wird fündig.

Als das Filmduo Maryam Moqadam und Behtash Sanaeeha im September 2023 für die Postproduktion des Films nach Paris reisen wollten, wurden ihre Pässe beschlagnahmt und ihnen wurde mit einer Strafanzeige gedroht. Auch zur Welt-Premiere ihres Films auf der 74. Berlinale durften sie nicht anreisen. Im letzten Jahr wurden sie im Iran zudem vor Gericht gezerrt und mussten sich wegen Propaganda gegen das Regime verantworten. Der „vulgäre Film“ verstoße gegen islamische Regeln und verbreite „Prostitution und Libertinismus“.

Mit großer Spannung wurde der Film also erwartet, ging dann im Wettbewerb zwar leer aus, gewann aber den Preis der Filmkritiker:innen (und der Ökumenischen Jury). Auf Arthouse-Liebhaberinnen wirken die Vorwürfe einigermaßen absurd. Denn weder Handlung noch Szenen wirken besonders anstößig. Zu sehen sind auch keine Sex-Szenen, sondern mit Mahid eine 70-jährige Frau (Lily Farhadpour), wie sie sich – überwiegend in ihren eigenen geräumigen vier Wänden – unverschleiert bewegt, tanzt, bäckt und Wein trinkt. 

Explizite Regimekritik zeigt das Regieduo nur einmal, wenn Mahin im Park gegen die Sittenpolizei einschreitet, als diese eine junge Frau wegen ihres schlecht sitzenden Hidschabs abführen will. Mahin tritt so resolut auf, dass die Polizisten nachgeben; und sie gibt der Jugendlichen mit, je unterwürfiger sie sich gebe, desto eher würde sie die Polizisten in ihrem Tun bestärken. Eine starke Szene, die einen sofort an Mahsa Amini denken lässt.

Statische Einstellungen

Mahins Ehemann starb vor 30 Jahren. Sie zog ihre Kinder in Teheran alleine groß. Mittlerweile leben diese in Europa. Besuchen kann Mahin sie nicht, die Chance auf ein Visum sei in ihrem Alter gering. Also strickt sie Überdecken für ihr Enkelkind und versucht, den Kontakt zu ihrer Tochter über WhatsApp aufrechtzuerhalten. Der regelmäßige Kaffeeklatsch mit ihren Freundinnen ist das Highlight in einem einsamen Leben. Als eine ihrer Freundinnen beim gemeinsamen Essen ein Video ihrer Darmspiegelung herumzeigt, hat Mahin genug von Sterbeszenarien und begibt sich auf Partnersuche.

In statischen Einstellungen, die die Unbeweglichkeit in ihrem Leben widerspiegeln, wird die Seniorin beim Aufwachen, beim Blumengießen, bei kurzen Video-Telefonaten mit der Tochter, vor dem Fernseher oder beim Einkaufen auf dem Markt, von dem sie ein Taxi nach Hause bringt, gezeigt. Das Schwimmen musste sie aufgeben, da die Damenschwimmbäder nur morgens geöffnet haben, sie nachts nicht schlafen kann und bis zum Mittag im Bett liegt. Schwerfällig bewegt sich die einstige Krankenschwester durch eine ihr fremdgewordene Welt. Ihren Unmut über die herrschenden Zustände verbirgt sie nicht. Einem Taxifahrer gegenüber schwärmt sie von den Partys ihrer Jugend, wo noch Stars wie Al Bano und Romina Power im Hotel auftraten und sie High Heels und tiefe Ausschnitte trug. Und heute? „Hidschab und Sneaker!“, schnaubt sie kopfschüttelnd.

Kurzentschlossen nimmt die Rentnerin ihr Schicksal in die Hand. Nach einem unbeholfenen und witzigen Annäherungsversuch beim Bäcker beobachtet sie den Rentner Faramarz (Esmaeel Mehrabi), stellt ihm nach und schleppt ihn gewissermaßen ab. Faramarz, ebenfalls Taxifahrer, fährt Mahin nach Hause und bleibt dann da. Die Szenen, wie sie ungelenk und schüchtern miteinander flirten, sich näherkommen und die Nacht zu ihrer machen, sind nah am Rande des Kitsches, aber anrührend.

Taxi als Ort des Widerstandes

Das Taxi ist ein wiederkehrendes Motiv im zeitgenössischen iranischen Kino – eine Art Blase innerhalb des Mullah-Regimes, findet im öffentlichen Raum doch kaum private Interaktion statt. Unvergessen bleibt Jafar Panahis Dokumentarfilm „Taxi Teheran“ (2015), der seinerzeit mit dem Goldenen Bären der Berlinale ausgezeichnet wurde.

Verglichen mit anderen iranischen Filmen der letzten Jahre, wie „Holy Spider“ (2022) oder „Leila’s Brothers“ (2022), ist „My Favourite Cake“ nicht zuletzt wegen der recht statischen Einstellungen filmisch keine Wucht. Aber es ist ein stiller, poetischer Film über eine ältere Frau, die selbstbewusst ihren Bedürfnissen nachgeht, auf ihre Weise dem Mullah-Regime trotzt und noch einmal die Liebe und das Leben feiert – grandios getragen von der Hauptdarstellerin Lily Farhadpour. Und er macht Lust auf Kuchen und Wein.

Im Ciné Utopia