Alain spannt den BogenMit Teamgeist und Elan: Il Pomo d’Oro, Lou Kosters „An der Schwemm“ und Lucas und Arthur Jussen

Alain spannt den Bogen / Mit Teamgeist und Elan: Il Pomo d’Oro, Lou Kosters „An der Schwemm“ und Lucas und Arthur Jussen
Wenn das auf historischen Instrumenten spielende Ensemble Il Pomo d’Oro die Sopranistin Joyce DiDonato als Zugpferd mitbringt, dann darf man sich auf einen außergewöhnlichen Musikabend freuen Foto: Alfonso Salgueiro

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Drei Konzerte, die eines besonders in den Mittelpunkt stellten. Nämlich den Teamgeist. Ob bei Purcells Oper „Dido and Aenas“, Lou Kosters Opertette „An der Schwemm“ oder dem Klavierabend mit dem Duo Lucas und Artur Jussen, jede dieser Aufführungen wurde zu einem Ereignis, weil der Teamgeist stimmte und die Kraft der Musik immer aus dem Kommunikationspotenzil der Künstler heraus entstand.

Barock pur

Wenn das Ensemble Il Pomo d‘Oro unter Maxim Emelyanychev spielt, dann muss man einfach hin! Und wenn das auf historischen Instrumenten spielende Ensemble zudem noch die Sopranistin Joyce DiDonato als Zugpferd mitbringt, dann darf man sich auf einen außergewöhnlichen Musikabend freuen. Auf dem Programm dieses „Voyage dans le temps“-Konzerts standen Giacomo Carissimis poetisches und musikalisch kompaktes Oratorium „Jephte“ sowie Henry Purcells kanpp einstündige Oper „Dido and Aeneas“.

Emelyanychev hatte sein Ensemble bestens austariert und begeisterte wie immer mit einer ebenso virtuosen wie in den langsamen Passagen sehr einfühlsamen Interpretation. Il Pomo d’Oro spielte demnach sehr wendig und graziös und bot den Sängern einen idealen Klangteppich. In „Jephte“ lauschte man gebannt der schönen Stimme von Carlotta Colombo, während die Stimme oder besser das Timbre des stilistisch perfekt singenden Andrew Staples etwas fremdartig wirkte. Verstärkt wurde dieser Eindruck in Purcells „Dido“, wo man zwar wieder die absolut präzise Intonation und die perfekt geführte Stimme des Tenors loben muss, sein spezielles Timbre aber eher gewöhnungsbedürftig blieb und er mir letztendlich nicht sonderlich in der Rolle des Aeneas gefiel. Joyce DiDonato war eine perfekte Dido, ihre Phrasierungskunst und die Schönheit ihrer Stimme sind einzigartig und das bekannte Lamento „When I am laid in earth“ am Schluss der Oper ging wirklich unter die Haut.

Trotz aller Bewunderung für DiDonato muss man die exzellenten und künstlerisch gleichwertigen Leistungen der anderen Interpreten hervorheben. Da waren in erster Linie die Hauptpartien Belinda und Sorceress, die von Fatma Said und Beth Taylor gesungen wurden, während Carlotta Colombo als Second Woman wieder einmal mit ihrem schönen Gesang auftrumpfte. Atemberaubend die kurze Szene mit dem Countertenor Hugh Cutting als Spirit; die Sänger der kleineren Partien stammten aus dem Chor und waren mit Alena Dantcheva, Anna Piroli und Massimo Alieri rollendeckend besetzt. Auch der Il-Pomo-d’Oro-Chor bot eine hochwertige Leistung, wenngleich Purcells Oper keine wirkliche Chor-Oper ist. Jubelnder Beifall für alle Mitwirkenden und Standing Ovations zeugten von der Begeisterung des Publikums.

Sozialkritische Liebesgeschichte

Die Operette „An der Schwemm“ der luxemburgischen Komponistin Lou Koster, die lange Jahre als verschollen galt, wurde schon im Escher Theater aufgeführt und konnte nun am vergangenen Samstag und Sonntag im Ettelbrucker CAPE in zwei weiteren Vorstellungen erlebt werden. Leider erfährt der Zuhörer nur wenig über den historischen Werdegang dieser Operette aus den 1920er Jahren, was schade ist, denn die Neuinstrumentierung für acht Musiker hat es in sich. Ich gehe davon aus, dass sie von Jonathan Kaell, dem Dirigenten und künstlerischen Leiter der „Opera Mobile“, stammt. Auf jeden Fall gibt diese Instrumentation hervorragend das Gefühl der 20er Jahre wieder und dank der exzellenten Leistung der acht Musiker des Orchestre de Chambre du Luxembourg konnte sich der aufmerksame Hörer so von einer wundervollen Fassung von Kosters sympathisch-flotter Musik verführen lassen.

Die drei Hauptpartien wurden auf hohem Niveau gesungen und wurden dank Valerie Stammet (Lori), Loïc D. Schlentz (Reddy) und Christophe Bornet (Zengerlé) zu einem Ohrenschmaus. Die Inszenierung von Marion Rothhaar in einem schlichten, aber wirkungsvollen Bühnenbild von Peggy Wurth folgt Kosters Musik und Webers Text und vermeidet geschickt Peinlichkeiten. Nur schade, dass der Prolog vor geschlossenem Vorhang gespielt wurde. Eine gute Idee war es, zusätzlich einen neuen Prolog und Epilog hinzuzufügen und so der sozialkritischen, aber immer augenzwinkernden Geschichte eine gewisse Authentizität zu verleihen. Rol Gehlhausen hat hier den Text geschrieben, während sich die Komponistin Tatsiana Zelianko musikalisch austoben darf. Die schräge Musik und Gehlhausens Text ergänzen Lou Kosters Komposition und Batty Webers Libretto ohne dramaturgischen Bruch und es ist köstlich, zu merken, wie beide musikalischen Welten, auf der einen Seite der klassische Operettengestus, auf der anderen bunt-farbige zeitgenössische Musik, quasi nahtlos ineinander übergehen. „An der Schwemm“ wird noch am 29. Juni beim Wiltzer Festival aufgeführt.

Triumph für die Jussen-Brüder

Freigeschwommen sind sie längst. Die beiden Brüder Lucas und Arthur Jussen sind heute als Klavierduo aus der internationalen Klassikszene nicht mehr wegzudenken. Zum einen, weil sie ein absolut homogenes Duo bilden, das mit einem virtuosen Spiel aufwartet, bei dem man nur staunen kann, zum anderen, weil ihre frischen Interpretationen in jedem Moment zeigen, wie lebendig und unterhaltsam klassische Musik sein kann. Und so ganz nebenbei entpuppen sich die beiden als hochrangige Interpreten, die jedes Werk, das sie spielen, maximal ausloten können. In der Philharmonie Luxemburg waren sie für die erkrankte Maria João Pires eingesprungen, ihre ehemalige Lehrerin. Das Programm war vielseitig und ließ das Talent der beiden Brüder in jedem einzelnen Werk erkennen. Da war am Anfang die frisch und fesch gestaltete vierhändige Sonate KV 521 von W.A. Mozart, die man einfach nicht besser spielen kann als Lucas und Arthur Jussen. Es folgten Andante und Variationen op. 46 für zwei Klaviere von Robert Schumann, und auch bei diesem Werk trafen die beiden Pianisten genau den richtigen Ton. Es war toll, zu hören, wie organisch ihr Spiel zusammenwuchs und wie sie die Musik förmlich in Bewegung brachten.

An Schumanns Musik orientiert sich der Komponist Jörg Widmann mit seinem Werk „Bunte Blätter“, einem Auftragswerk des Klavier-Festivals Ruhr, das von den Jussen-Brüdern 2022 uraufgeführt wurde. Widmanns Werk für zwei Klaviere ist eine Ansammlung sehr unterschiedlicher Stücke, die gerne auch auf andere Werke der Musikliteratur hinweisen. Da gibt es einen Walzer, eine Danse macabre und eine Zirkusmusik, das gibt es aber auch eine einleitende Fanfare, ein herrlich komponiertes Fangspiel und ein musikalisches Rätsel. Widmanns Fantasie schien hier keine Grenzen zu kennen und er sprüht nur so von musikalischen Einfällen, genauso wie die Brüder Jussen in ihrer Interpretation, die ein Musterbeispiel an intelligenter und kunstvoller Virtuosität war.

Zart und schwebend kamen nach der Pause Claude Debussys „Six Epigraphes antiques“ in der Fassung für vierhändiges Klavier daher, und auch hier erlebte das Publikum eine erstklassige Wiedergabe dieser wunderbaren Musik voller Nuancen, Farben und flirrender Klänge. Den Abschluss machte Rachmaninoffs Suite Nr. 2 op. 17 für zwei Klaviere. Hier bewiesen Lucas und Arthur Jussen, dass ihnen auch das russische Repertoire nicht fremd ist. Und es tat gut, dass die Interpreten dieses Werk sowohl mit Leichtigkeit und Brillanz versahen als auch mit Tiefe und spielerischer Dramatik. Fünf grundverschiedene Werke, fünf grundverschiedene Interpretation, aber nur ein sensationelles Klavierduo, nämlich Lucas und Arthur Jussen. Wir freuen uns schon auf das nächste Konzert dieser beiden Ausnahmepianisten.

Die Inszenierung von Marion Rothhaar in einem schlichten, aber wirkungsvollen Bühnenbild von Peggy Wurth folgt Kosters Musik und Webers Text und vermeidet geschickt Peinlichkeiten
Die Inszenierung von Marion Rothhaar in einem schlichten, aber wirkungsvollen Bühnenbild von Peggy Wurth folgt Kosters Musik und Webers Text und vermeidet geschickt Peinlichkeiten Foto: François Zuidberg