Lust zu lesen„Mit mir hast du keine Chance“ von Ludwig Fels: Das lyrische Erbe eines großen Dichters

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Die Anthologie „Mit mir hast du keine Chance“ versammelt Gedichte des verstorbenen Autors Ludwig Fels aus mehreren Jahrzehnten. Unermüdlich schrieb der Schriftsteller zeit seines Lebens gegen die Brutalität der Welt, die Härte des Arbeiterlebens und die Ungleichheit in der Gesellschaft.

Alexander Peers Gedicht „Führe dich in Versuchung“ hebt mit folgenden Worten an: „Der Seidenfächer der Poesie mäßigt die Hitze, / mit welcher das Leben ins Gesicht dir weht“. Wenn man diesen Worten Glauben schenken darf, so macht die Poesie, auch wenn sie keinen grundlegenden Umschwung herbeiführen kann, die „Hitze des Lebens“ ein Stück weit erträglicher, indem sie ihre Folgen etwas abmildert für derjenigen, der sich mit ihr Luft zufächelt – womit sowohl der Verfasser als auch der Leser von Gedichten gemeint sein können. Ludwig Fels war sicherlich beides; in jeder freien Minute nahm er ein Buch zur Hand und las sich so durch die Literatur, wie im Vorwort des beim Verlag „Jung und Jung“ erschienenen Bands „Mit mir hast du keine Chance“ steht.

Ludwig Fels war aber nicht nur ein begeisterter Leser, sondern auch ein begnadeter Dichter, dessen gesamtes lyrisches Werk im Zeichen des eingangs erwähnten Zitats stehen könnte. Immerhin war Ludwig Fels ein Meister darin, die Widrigkeiten seines von Armut geprägten Alltags in eine schlichte und doch hochgradig poetische Sprache zu übersetzen. „Ich bin der L. F. / wohne in einem dieser Häuser / fahre eines dieser Autos / zahle Miete und / die Strafzettel an der Windschutzscheibe / bin ledig und Arbeiter und / in der Mitte / zwischen arm und ärmsten“ – mit diesen Worten stellt sich der Schriftsteller in seinem ersten Gedichtband „Anläufe“ (1973) vor. Die Verse kann man als Auftakt einer großen Karriere und Aufstiegsgeschichte begreifen: Ludwig Fels, als uneheliches Kind ohne Vater und in prekären Verhältnissen groß geworden, musste schon in seiner Jugendzeit die Familie mit Aushilfsjobs unterstützen. Später verdiente er dann als Hilfsarbeiter in der fränkischen Provinz sein Geld; mit der Veröffentlichung erster literarischer Werke wendete sich jedoch sein Blatt, nach einigen Markterfolgen konnte er sogar – was selten genug ist – von seinem Schreiben leben.

Der Autor hinterlässt ein stolzes Gesamtwerk: neun Theaterstücke, 16 Erzählungen, 20 Hörspiele sowie 13 Lyrikbände. Fels, der sich in jeder Gattung wohlfühlte, debütierte aber wohl nicht grundlos in der Lyrik: Wie im Vorwort der Gedichtsammlung steht, entstanden die Gedichte „abends in der Kneipe am Tresen, nach der Schicht, oder morgens, in der Straßenbahn, angeschlagen von der Schicht“. Es sind also Texte, die er sich in jedem Zustand körperlicher oder seelischer Angeschlagenheit abnötigte, in den kurzen Pausen, die ihm zwischen Arbeit und Schlaf blieben.

Der Inhalt seiner oftmals drastischen Gedichte spiegelt ihren von Schwierigkeiten geprägten Entstehungskontext wider; viel von der Verzweiflung und der Verdrossenheit ihres Verfassers ist ungefiltert hinübergeschwappt in die Textzeilen: „Ich sag: Arbeiter. / Ich sag: verheiratet. / Ich sag: noch ohne Kind. / Ich sag: Miete zu hoch. / Ich sag: Wohnung zu klein. / Ich sag: viel Staub Dreck Ruß. / Ich sag: parteilos. / Ich sag: Revolutionär. / Ich sag: Schnauze! / Ich sag: Ich will nicht ausgebeutet werden.“

Fels spricht mit einer den Humor nicht ausschließenden Lakonie über die Kargheit seines Lebens, die vielen Entbehrungen und Hindernisse, die ihm tagtäglich begegnen; in dem elegisch-knappen Ton seiner Gedichte wird seine Desillusionierung angesichts von Elend und gesellschaftlicher Ungerechtigkeit schmerzhaft spürbar und man ist berührt von diesen Texten, die es trotz oder vielleicht wegen einer gewissen sprachlichen Frugalität vermögen, einen weiten Raum zu öffnen: „Einen Sommer lang gehen / durch Heide und über Gebirg / sich vom Wegrand ernähren / segeln durch wogendes Getreide / immer den Vögeln nach und den Sonnen / bevor sie ausgerottet sind. / Man muss erfahren haben / Welche Welt vergeht.“

In einem anderen Gedicht schreibt Fels: „Danke für alles, was einen Augenblick beschert.“ Eben dieses Danke würde man gerne an den Autor zurückgeben, denn er bescherte mit der Poesie seinen Lesern Augenblicke, ja, er schuf einen Seidenfächer, der einem, wenn auch nur kurz, ein wenig Schutz vor der Hitze des Lebens gewährt.

Info

Ludwig Fels
„Mit mir hast du keine Chance: Gedichte 1973-2018“
Jung und jung, 2023
144 S., 22 Euro