„Mersch ist der Nabel der Welt“

„Mersch ist der Nabel der Welt“
(Tageblatt/Tania Feller)

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Eigentlich wollte Karin Kremer Ingenieurin werden und Maschinen bauen, ganz große, aus Schwermetall, für die Arbed. Doch daraus wurde nichts. Vor nunmehr fast 40 Jahren, damals, als Mädchen ...

Stattdessen studierte sie Innenarchitektur, schauspielerte ein bisschen, arbeitete in der Kulturfabrik mit, wurde für ein paar Jahre Staatsbeamtin und leitet nun seit zehn Jahren das Merscher Kulturhaus.

„Mersch ist der Nabel der Welt“, sagt Karin Kremer und lacht. In erster Linie meint sie dies geografisch, Mersch als der Bauchnabel von Luxemburg, mittendrin im kleinen Ländchen.

Wenn Karin Kremer von Mersch und den Merschern spricht, dann merkt man sofort, dass dort nicht ihre Heimat ist, dass sie in gewisser Weise immer eine Fremde bleiben wird. Vielleicht hat sie deshalb auch so einen besonderen Zugang zu den Merschern, zu ihrem Publikum. Auch wenn es paradox klingt, manchmal hilft wohl ein wenig Distanz, um Nähe aufzubauen. „Die Merscher sind sehr speziell“, sagt sie, „sehr herzlich, sie können es nur nicht so gut zeigen.“

„(I)mmer mehr Neid und immer weniger Zivilcourage“

Und wenn Kremer dann doch einmal nicht mehr weiter weiß und einen Rat braucht, dann geht sie ins Bistro, zu Madame Schaack, einer „Grande-Dame“, wie Karin Kremer die alte Dame von 96 Jahren, die auch in Serge Tonnars Film „Bopebistro“ ausgiebig gewürdigt wird, bezeichnet. Madame Schaack hat für jede Situation den richtigen Satz parat, ihr Lebenswissen beeindruckt Karin Kremer immer wieder aufs Neue.

Überhaupt seien es vor allem Frauen, die sie geprägt und beeinflusst hätten, erzählt Karin Kremer, vor allem ihre Großmutter. Von ihr habe sie gelernt, dass jeder für sein Tun selbst verantwortlich sei und für seine Entscheidungen geradestehen müsse. Der Satz der Großmutter „Der liebe Herrgott hat keine Zeit, sich auch noch mit deinem Blödsinn zu beschäftigen“, ist hängen geblieben. Er begleitet Karin Kremer auch heute noch, wenn sie sich Gedanken über unsere Gesellschaft macht. „Es gibt immer mehr Neid und immer weniger Zivilcourage in unserer Gesellschaft, sagt Karin Kremer. „Das macht mich traurig.“ Alles tröpfele so vor sich hin, vor allem weil den Leuten der Mut fehle, Entscheidungen zu treffen, doch „eine schlechte Entscheidung ist besser als gar keine“, danach ginge es wenigstens weiter.

Besonders von der Politik ist Karin Kremer enttäuscht. „Da ist doch kaum mehr jemand, der den Mut hat, eine Sache von vorne bis hinten durchzuziehen. Wo ist eine politische Aussage, die uns vorwärts bringt?“, fragt sie und schiebt sofort hinterher: „Ich bin nicht politikverdrossen, ganz im Gegenteil. Aber ich habe den Eindruck, wenn ein Politiker erst mal auf seinem Stuhl Platz genommen hat, ist da ein ganz bestimmter Uhu drauf …“

Karin Kremer liebt die Straße

Natürlich, es gebe schon immer mal wieder jemanden, der herausfalle aus dem Einheitsbrei. Jemand mit Persönlichkeit, mit Charakter. Einen von ihnen trifft Karin Kremer gelegentlich beim Petanquespielen in Steinfort. Der ehemalige Bürgermeister der Stadt und jetzige Außenminister ist für Kremer einer der wenigen authentischen Politiker unseres Landes.

Selbst Politik machen? Das will Karin Kremer dann doch nicht. „Meine Arbeit ist auch politisch, nur auf einem anderen Niveau“, sagt sie zu Recht. Nein. Wenn sie in ein paar Jahren in den Ruhestand geht, dann hat sie etwas anderes vor: Dann will sie endlich den Motorradführerschein machen, sich eine kräftige Maschine kaufen und auf Tour gehen. Mit einer Freundin.

Denn Karin Kremer liebt die Straße, lange Fahrten von einem Ort zum anderen. Pro Jahr fährt sie zwischen 60.000 und 80.000 Kilometer, schon alleine die Strecke zu ihrem Arbeitsplatz würde andere Leute abschrecken. Bech-Kleinmacher – Mersch und wieder zurück. Doch Karin Kremer genießt diese Zeit im Auto: „Ich fühle mich dann wie in einer Art ‚No man’s land‘, ich bin nur mit mir zusammen, kann mir Gedanken machen oder Hörbücher hören und vor allem: Ich kann Sachen lassen, wo sie sind, und dem, was mich erwartet, entgegenfahren.“