Seit letzter Woche sind Lisa Oppenheim mit „Monsieur Steichen“ und Ho Tzu Nyen mit „Time & The Tiger“ zu Gast im Kunsthaus der Moderne auf Kirchberg. Wer die lichtdurchfluteten Hallen des Mudam betritt, wird nur noch bis Sonntag von der Expo „Songs for Gay Dogs“ von Cosima von Bonin empfangen. Zu Oppenheim geht’s in den Henry-Leir-Pavillon und zu Ho Tzu Nyen ins Untergeschoss (auf diese Expo werden wir zurückkommen).
Steichen-Stiftung alle zwei Jahre mit Award im Mudam, Steichen-Jubiläum mit „The Family of Man“ in Clerf und die 10. Ausgabe des Europäischen Monats der Fotografie sind wohl Anlass genug, dass der Name des luxemburgisch-amerikanischen Fotografen Edward Steichen, der 1879 in Bivange geboren wurde und in den USA Karriere gemacht hat, wieder im Mudam-Katalog auftaucht. Zig Jahre nachdem das Mudam Steichens Liebe zur Blumenzucht und Fotografie derselben die Ehre erwiesen hat, stehen indirekt Rittersporn und die fotografische Auf- und Verarbeitung von Blumen im Fokus einer dreiteilig ausgerichteten Schau.
Lisa Oppenheim, 1975 in den USA geboren, ist eine in New York lebende und für ihre akribische Recherche in Sachen Lichtbild und Fotografie-Techniken bekannte Künstlerin. Sie hat sich im Auftrag des Museums mit dem Werk und der Persönlichkeit von Edward Steichen, seiner Vorliebe für Blumen und ihrer Zucht, sowie seinem weniger bekannten Hang zum Design von Textilien auseinandergesetzt. Die Künstlerin, die wir bei Erklärungen zu ihrer Arbeit anlässlich einer Expo-Führung beobachten konnten, hat sich zum Ziel gesetzt, in ihren Werken für diese Ausstellung „Steichens verlorene Fäden und verworfene Ideen“ durch einen eigenen künstlerischen Ansatz aufzugreifen, kurzum sie hat seine „Arbeitsweise“ mithilfe neuerer Technik anders sichtbar gemacht.
Blumen aus neuer Perspektive
Die Schau zeigt zum einen eine Serie von Blumen-Fotografien der Lisa Oppenheim, weiter zusätzliche Werke aus ihren fotografischen „Steichen Studies“ sowie eine „organische Installation aus Rittersporn“ in „Eduard’s Garden“, der im Festungsgraben des Mudam eingerichtet ist. Die hier angelegten Blumen-Beete sollen jedoch erst im Juni/Juli blühen und symbolisieren den 1936 im New Yorker MoMA originell vom Fotografen angelegten verkannten „Eduard’s Garden“. Oppenheim zeichnet auf diese Weise das Porträt einer künstlerischen Persönlichkeit aus dem 20. Jahrhundert. Das nun realisierte Steichen-Bild ist demnach „objektiv und subjektiv“ und aus der „Perspektive der Gegenwart“.

Lisa Oppenheim greift in „Monsieur Steichen“ eine Schwertlilienart auf, eine heute ausgestorbene Blumenart, um die seinerzeit von ihm gezüchtete Blume in einer breiten Farbpalette wieder „neu zu beleben“. Sie nutzt dabei zwei Techniken, einmal die Dye-Transfer-Technik, derer sich Steichen selber bei seinen Farbexperimenten bediente, und die „künstliche Intelligenz“, eine mittlerweile oft in der aktuellen Bildgestaltung genutzte Technologie. Auf diese Weise entstanden Bilder von „hypothetischen Hybriden“ durch die Verschmelzung jener Irisarten, die damals bei der Züchtung der „Monsieur Steichen“-Pflanze gekreuzt wurden. Farbstoffe wie Cyan, Magenta und Gelb werden hier aufgesogen und fließen in die Bildgestaltung. Oppenheim vermischt eigene KI-generierte Bilder mit analogen Abzügen, um „Monsieur Steichen“ nuancenreich und neuartig zu vervielfältigen. Kurator:innen der Expo sind Christophe Gallois, assistiert von Nathalie Lesure.
Paravents nicht nur als Raumteiler
Die Bilder sind serienmäßig in verschiedenen Zahlenkombinationen in dem runden Pavillon angeordnet, veranlassen den Besucher zu einem Panorama-Blick, derweil das Raumvolumen durch zwei mehrgliedrige Paravents, mit seinerzeit von Steichen geschaffenen und mit Hilfe der Modedesignerin Zoe Latta aufgespannten Stoffen, aufgelockert wird. Acht Stoffe mit von Steichen ausgewählten Motiven herkömmlicher Objekte und abstrahierenden Farbfeldern, die zeitgenössische Korrespondenzen herstellen, zieren diese Paravents, deren Rückseite außerdem vier Fotos von Steichens drei Ehefrauen und seiner Mutter aus dem MNAHA-Archiv zeigen. Die vier Paravents sind nach diesen Frauen benannt. Eine herrliche Vase (Bouquet of flowers) mit einem „lebenden“ Blumenarrangement in Steichen-Farbvariationen thront an der Treppenwand, welche die obere und untere Ebene der Schau miteinander verbindet.
Bei dieser Schau haben sich zwei Meister der originellen Lichtbildkunst getroffen, gefunden und auf feinste Art gegenseitig künstlerisch „bereichert“
Im Untergeschoss sind zwei der erwähnten Paravents inmitten einer Auswahl an schwarz-weißen experimentellen fotografischen „Steichen Studies“ der Künstlerin aus dem Jahre 2024 zu sehen. 17 Arbeiten insgesamt veranschaulichen sowohl die Techniken Steichens als auch seine trickreichen Arbeitsprozesse und die Einwirkungen der Lisa Oppenheim.
In Erwartung des Erwachens der im Festungsgraben in Eduard’s Garden eingesäten Blumenpracht haben Besucher der Expo ausreichend Gelegenheit, sich an den anmutigen und faszinierenden Bildern der aus Iris sibirica alba und Iris iberica gezauberten Blumen-Bilder von Lisa Oppenheim zu erfreuen, dies selbstredend in Gedenken an „Monsieur Steichen“, diesen Grand Seigneur der Fotografie und Schöpfer schöner und geheimnisvoller Blumen, sowie ausdrucksstarker Porträts von Künstlern und Persönlichkeiten aber auch Kurator der Sammlungen „The Family of Man“ und „Bitter Years“, von denen in diesem Family-Steichen-Jahr noch zu sprechen sein wird.
Über Lisa Oppenheim, die sich von New York über Hamburg, London, Paris, Amsterdam bis San Francisco einen Namen gemacht hat, und ihre Werke, die in Sammlungen zahlreicher Institutionen aufgenommen wurden, wäre noch viel zu sagen, von den Verdiensten Edward Steichens gar nicht zu sprechen, doch abschließend sei hier angemerkt, dass sich bei dieser Schau zwei Meister der originellen Lichtbildkunst getroffen, gefunden und auf feinste Art gegenseitig künstlerisch „bereichert“ haben.
Lisa Oppenheim: Monsieur Steichen
Noch bis zum 24. August 2025 im Mudam
Mo.: 11-18 Uhr, Mi.: 11-20 Uhr, Do.-So.: 11-18 Uhr
Mehr Infos unter mudam.com
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können