Alain spannt den BogenKlangpracht und Präzision: Chicago Symphony Orchestra und Luxembourg Philharmonic

Alain spannt den Bogen / Klangpracht und Präzision: Chicago Symphony Orchestra und Luxembourg Philharmonic
Chefdirigent Riccardo Muti und das Chicago Symphony Orchestra setzten auf feine Linien und höchste Transparenz Foto: Todd Rosenberg Photography

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Auf seiner letzten Europatournee unter Chefdirigent Riccardo Muti gastierte das Chicago Symphony Orchestra am 15. und 16. Januar für zwei Konzerte in der Philharmonie Luxemburg. Beide Konzerte begeisterten in erster Linie durch Orchesterexzellenz und zeigten eine Spielkultur, die vom Feinsten war. Aber auch das Luxembourg Philharmonic zeigte einige Tage später, wie schön und präzise es spielen kann.

Bei den beiden „Chicagoer“ Konzerten standen insbesondere im ersten feine Linien, kammermusikalisches Musizieren und höchste Transparenz im Mittelpunkt. Sowohl in Mendelssohns 4. Symphonie als auch Richard Strauss’ viersätziger symphonischer Fantasie „Aus Italien“ setzte Riccardo Muti auf gemäßigte Tempi, entspanntes Musizieren und einen reinen Orchesterklang. Ausgehend von Philip Glass’ minimalistischem Werk „The Triumph of the Octagon“ behielt Muti diese Stimmung auch bei Mendelssohn bei. Die 4. Symphonie ist sicherlich nicht das Meisterwerk, als das sie gerne gesehen wird, zu wenig Musik gibt es da zu hören und zu wenig Inhalt. Muti aber zeigte, wie schön das Werk komponiert ist, welche Eleganz und Schlichtheit es besitzt, wenn man es mit Ruhe und Gelassenheit aus der Distanz betrachtet. Strauss’ 45 Minuten dauerndes „Aus Italien“ besitzt ohne Zweifel seine Längen, das Frühwerk lässt aber schon den späteren Strauss erkennen. Auch hier begeisterte die unaffektierte, geradlinige Interpretation mehr als das Werk selbst.

Als Zugabe und als Dank für die Standing Ovations blieb das amerikanische Eliteorchester im Thema Italien und spielte Verdis Ouvertüre Giovanna d’Arco. Die Qualität des Chicago Symphony Orchestra im Detail beschreiben zu wollen, hieße Eulen nach Athen tragen. Neben den Berliner und den Wiener Philharmonikern, dem Concertgebouw Amsterdam und dem London Symphony Orchestra gehört es wohl zu den wenigen Orchestern, die schon seit vielen Jahrzehnten auf Weltrangniveau spielen.

Das bestätigte sich dann auch im zweiten Konzert, wo das Publikum zuerst Bekanntschaft mit der 3. Symphonie der afro-amerikanischen Komponistin Florence Price machen konnte, dann mit einer atemberaubenden Aufführung der 5. Symphonie von Prokofiew in den siebten Himmel befördert wurde. Glücklicherweise hatte Riccardo Muti bei dieser Tournee nicht auf die üblichen Showpieces und dementsprechende Interpretationen gesetzt. So erlebte das Publikum eine hervorragende Deutung der 3. Symphonie der in Chicago lebenden Komponistin Florence Price (1887-1953). Das Werk ist eher düster gehalten und vermischt auf geschickte Weise neue stilistische Errungenschaften des 20. Jahrhunderts mit afrikanischen Melodien. Wenn auch der dritte Satz Juba sich auf einen rhythmischen afrikanischen Tanz der Sklaven bezieht und sich das Finale zu einem gewissen Jubel hochsteigert, so bleibt Prices Musik doch in ihrem Wesen ernst, dramatisch und sogar tragisch. Und genau das arbeite Muti mit seinem grandios aufspielenden Orchester heraus.

Reiche Kontraste und Farben, starke Rhythmen und melodische Ausschweifungen gab es dann auch in Prokofiews 5. Symphonie, die irgendwie wie eine Weiterführung der 3. Symphonie von Price wirkte. Auch hier wurde beste Arbeit geleistet und Muti kontrollierte das Klanggeschehen mit großer Übersicht, sodass die Balance im Werk immer gewahrt wurde. Dazu wurden die spektakulären Momente dezent eingesetzt und vorbereitet, was ihre Wirkung dann noch verstärkte. Auch hier bot das Chicago Symphony Orchestra viel mehr als das, was man von Tourneekonzerten gewohnt ist: nämlich eine intensive Auseinandersetzung mit den Werken und nicht nur eine plakative und wirkungsvolle Aufführung. Auch am zweiten Abend gab es Standing Ovations für die Gäste aus Amerika. Als Zugabe gab das Chicago Symphony Orchestra unter Riccardo Muti dann noch ein hinreißend gespieltes Intermezzo aus Puccinis Manon Lescaut zum Besten.

Glanzvolle Uraufführung von Detlef Glanerts Cellokonzert

Am vergangenen Freitag erlebte das Publikum dann die glanzvolle Uraufführung von Detlef Glanerts neuem Cellokonzert, einem gemeinsamen Auftragswerk von der Philharmonie Luxemburg und KölnMusik. Das Konzert ist für den Cellisten Johannes Moser geschrieben worden, der dann natürlich auch die Uraufführung spielte. Begleitet wurde er vom Luxembourg Philharmonic unter Gustavo Gimeno, die das Werk sehr präzise einstudiert hatten. Glanert ist einer der wenigen zeitgenössischen Komponisten, die nicht in abstrakten Rätseln und Chiffern komponieren, sondern Musik als Musik begreifen. Trotz einer sehr modernen Sprache ist sein Cellokonzert durchaus verständlich und nachvollziehbar. Es gibt zwar keinen klassischen Wiedererkennungsfaktor im Konzert, Glanert hat es aber so klug, interessant und spannend gestaltet, dass man von Anfang bis zum Schluss einfach nur gebannt zuhört. Natürlich gibt es auch ein paar Extramomente, in denen der glänzend disponierte und wundervoll ausphrasierende Johannes Moser auf seinem Instrument brillieren kann, ansonsten lebt das dreisätzige Konzert von Stimmungen und ganz besonderen Klangfarben. Gimeno lässt die Musik sehr offen und räumlich spielen, sodass das Hören zum Vergnügen wird, weil man eben jede Note und jede Nuance im Orchester hört.

Unter dem nichtssagenden und eigentlich überflüssigen Titel „L’orchestre dans tous ses états“ (Warum müssen denn jetzt alle Konzerte unter irgendeinem Übertitel oder Thema gespielt werden? Reichen die Namen der Komponisten nicht mehr?) hörte das Publikum die selten gespielte Konzertouvertüre Othello von Antonin Dvorak. Bereits bei diesem Opener konnte das Luxembourg Philharmonic seine Stärken voll ausspielen und begeisterte mit einem ebenso engagierten wie feinen Spiel. Gimeno garantierte wie immer für beste dynamische Abstufungen, was dann auch den Haydn-Variationen von Johannes Brahms sehr entgegenkam. Das Orchester geizte nicht mit einem vollen und runden Klang sowie klar ausgearbeiteten Variationen.

Exzellent dann auch die wundervolle Sinfonietta von Leos Janacek, die man eigentlich viel zu selten im Konzert hört. Großes Lob an die vielen Blechbläser, die eine tolle Arbeit leisteten und mit einem wirklich außergewöhnlich homogenen Klang beeindruckten. Tatsächlich bestreiten neun Trompeten, zwei Tenortuben, zwei Basstrompeten und Pauken den ersten Satz. Aber auch die folgenden vier Sätze sind sehr individuell gestaltet. Die Holzbläser dominieren im 2. Satz, die Streicher im dritten, sowie Trompeten und Streicher im vierten Satz. Erst ganz zum Schluss, also im 5. und letzten Satz, hört man das gesamte Orchester. Auch hier bot das Luxembourg Philharmonic unter der präzisen und sehr lebendigen Leitung von Gustavo Gimeno eine in allen Punkten erstklassige Interpretation dieses herrlichen Werkes.