Freitag21. November 2025

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Alain spannt den BogenJanacek und Bruckner mit Sir Simon Rattle in der Philharmonie und neue Kurtag-CD des Flötisten Markus Brönnimann

Alain spannt den Bogen / Janacek und Bruckner mit Sir Simon Rattle in der Philharmonie und neue Kurtag-CD des Flötisten Markus Brönnimann
Einsatzbereit: das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in der Philharmonie Foto: Astrid Ackermann

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks überzeugte beim Konzert in der Philharmonie, der Flötist Markus Brönnimann auf CD. Womit? Lesen Sie selbst!

Als zwischen 1964 und 1968 die erste Gesamtaufnahme der Symphonien von Anton Bruckner unter Eugen Jochum stattfand, verpflichtete die Plattenfirma Deutsche Grammophon neben den Berliner Philharmonikern auch das damals noch recht junge Symphonie-Orchester des Bayerischen Rundfunks. Und seither gilt dieses Orchester sowohl als Bruckner- wie auch als Mahler-Orchester. Im Laufe der Jahrzehnte ist das Symphonieorchester des BR zudem wohl das einzige Rundfunkorchester Deutschlands, das Weltniveau erreicht hat und mit allen großen internationalen Klangkörpern mithalten kann.

Reifer Bruckner

Auch bei ihrem Gastspiel in der Luxemburger Philharmonie am vergangenen Montag zeigten die Musiker ihre absolute Weltklasse. Unter der Leitung von Sir Simon Rattle spielte das Orchester die Rhapsodie für Orchester Taras Bulba von Leos Janacek sowie die 7. Symphonie von Anton Bruckner. Taras Bulba bezieht sich auf Gogols Bearbeitung der ukrainischen Sage des Kosaken Taras Bulba, der nach erfolgreichem Kampf gegen die Polen 1628 den Heldentod fand. Die symphonische Rhapsodie besteht aus drei Sätzen, von denen jeder das Thema Tod verarbeitet.

Sir Simon Rattle hat Effekte nicht nötig
Sir Simon Rattle hat Effekte nicht nötig Foto: Astrid Ackermann

Im ersten Teil wird Taras Bulbas Sohn Andrij, der sich in eine Polin verliebt und seine Kameraden verrät, von seinem Vater erschossen. Der zweite Satz schildert, wie Bulbas Sohn Ostap vor den Augen seines Vaters von den Polen gefoltert und getötet wird. Der letzte Satz beschreibt den Tod Bulbas auf dem Scheiterhaufen und erzählt von dessen großer Vision von einer glorreichen Zukunft seines Volkes. Simon Rattle hüllt die Musik in eine ebenso emotionale wie klangliche Dichte, ohne allerdings einem Hurra-Patriotismus zu verfallen. Vielmehr gestaltet er das düstere Werk sehr nuanciert und kontrolliert, was dann auch zu einer mustergültigen Klangbalance und einem sehr natürlichen Atem führt.

Auch die beliebte 7. Symphonie Bruckners mit ihrem großen Melodienreichtum wirkt unter Rattles Leitung sehr kontrolliert und teilweise auch sehr zurückgenommen. Wie bei Janacek betont Rattle auch hier die horizontale Entwicklung der Musik, bei der Melodie, Rhythmus und Kontrapunkt quasi als eine fortlaufende Linie gelesen werden. Rattle nimmt das Tempo auch stark zurück, sodass diese lineare Entwicklung ebenfalls sehr deutlich vernehmbar wird, ohne allerdings je nur analytisch zu wirken. Zugleich schafft es der Dirigent, die Spannung permanent aufzubauen resp. so zu modellieren, dass jeder Satz wie ein lebender Organismus pulsiert.

Rattle hat Effekte und emotionales Überladen nicht nötig. Seine Interpretation wirkt reif, überlegen und unaufgeregt und berührt gerade dadurch sehr stark. Rattle lässt die Musik für sich sprechen. Diese Konsequenz einer uneigennützigen Interpretation und das in jeder Hinsicht phänomenale Spiel des Orchesters – und hier ist natürlich und insbesondere der Blechbläserapparat mit den Wagner-Tuben zu erwähnen – machten aus dieser 7. Symphonie ein wahres Klangerlebnis und einen großen, ehrlichen Bruckner-Abend.

Kostbarkeiten in Miniaturform

Markus Brönnimann and friends: das klingt eigentlich nach einer dynamischen Jazz-Session. Ist es aber nicht. Der Soloflötist des Luxembourg Philharmonic und seine Freunde haben sich nämlich ausschließlich dem zeitgenössischen ungarischen Komponisten György Kurtag gewidmet und präsentieren auf Tacet dessen integrale Musik für Flöte. Dies allerdings unheimlich dynamisch und auf eine sehr erfrischende Art und Weise, die immer die innere Balance zwischen Spielfreude, feinster Tonmalerei und kontrollierter Expressivität gewährleistet.

Das Cover zur CD von Markus Brönnimann
Das Cover zur CD von Markus Brönnimann Quelle: Tacet

Das Jazz-Feeling ist spürbar und die gute Kommunikation zwischen den Musikern macht dieses Album zu etwas ganz Besonderem. Doch zunächst wird man erst einmal ins kalte Wasser geworfen. Kurtags Bagatellen op. 14/d machen den Zuhörer mit einer sehr komplexen, teilweise sperrig wirkenden Musik bekannt. Doch schnell gewöhnt man sich an die eigenwillige Sprache des ungarischen Komponisten und folgt Brönnimann und seinen Kollegen auf einer abenteuerlichen Entdeckungsreise, die immer wieder mit lohnenden musikalischen Kostbarkeiten in Miniaturform aufwartet. Die Herdecker Eurythmie op. 14/a, deren erster Teil für Flöte und Leier hier eingespielt ist (die beiden anderen sind für Violine und Leier), ist ein wunderbares Stück Musik, das die starke Persönlichkeit des ungarischen Komponisten untermauert.

Und in der Tat, jedes Werk ist sehr individuell gestaltet und man sollte vor dem Hören den Einführungstext von Markus Brönnimann lesen. Dieser erweist sich als perfekter Interpret und großartiger Gestalter von Kurtags Musik, die er mit wunderbar schönem, nuancenreichem und sehr farbigem Ton ausfüllt. Das schönste Beispiel für Brönnimanns Kunst ist dann auch das Werk Scenes op. 39 für Soloflöte. Das abschließende Werk Die kleine Klemme op. 15/b überrascht durch seine originelle Instrumentation für Piccolo, Posaune und Gitarre.

Markus Brönnimann wird in den verschiedenen Werken von Aniela Soffels und Christoper Nossbaum, Flöten, Ilka Emmer, Kontrabass, Michael Kleiser, Guillaume Lebowski, Posaune, Hany Heshmat, Gitarre, Thomas Leins, Leier und Michel de Souza, Bariton auf höchstem Niveau unterstützt, sodass dieses Album ein hervorragender Beweis dafür ist, wie attraktiv zeitgenössische Musik doch sein kann, wenn sie gut und engagiert gespielt wird. Absolut empfehlenswert!