Freitag7. November 2025

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Alain spannt den BogenExtraklasse dank Jukka-Pekka Saraste: Leonidas Kavakos’ poetische Schostakowitsch-Erzählung in der Philharmonie

Alain spannt den Bogen / Extraklasse dank Jukka-Pekka Saraste: Leonidas Kavakos’ poetische Schostakowitsch-Erzählung in der Philharmonie
Unaufdringliches, aber sehr präsentes Dirigat: der Finne Jukka-Pekka Saraste zu Gast in Luxemburg Foto: Alfonso Salgueiro 

Er war der Wunschkandidat unseres Autors für den Chefposten der Luxembourg Philharmonic: der finnische Dirigent Jukka-Pekka Saraste. Nach zwei Jahren Abwesenheit kehrte er am vergangenen Freitag mit einem Strawinsky-Schostakowitsch-Tschaikowsky-Programm zum Luxembourg Philharmonic zurück.

Das Konzert begann mit einem selten gespielten Werk von Strawinsky, nämlich dem atmosphärisch dichten Frühwerk Chant funèbre op. 5 aus dem Jahre 1908, in dem der Komponist bereits Elemente der Filmmusik vorwegnimmt. Die Musik schafft düstere Bilder, die mit ihrem fesselnden und narrativen Charakter den Zuhörer regelrecht gefangen nehmen, ohne dass man aber jetzt von wirklich großer Musik sprechen kann. Der finnische Dirigent Jukka-Pekka Saraste dirigierte das Werk mit einem sehr natürlichen Gestus, er ließ die Musik aus sich heraus wirken und verzichtete auf eine zu überladene Interpretation. Man kennt Saraste als einen Dirigenten, der es ohne plakative Effekte immer wieder schafft, dem Publikum den Kern der Musik offenzulegen.

Wohlausbalanciert, ehrlich und prächtig in der Orchesterarbeit erklang anschließend das 1. Violinkonzert op. 77 von Dimitri Schostakowitsch, ohne Zweifel eines der größten Violinkonzerte des 20. Jahrhunderts. Es ist ein Konzert, das durch seine ungewöhnliche Struktur auffällt und somit den Hörer quasi zwingt, zuzuhören. Der Solist Leonidas Kavakos leistete an diesem Abend überragendes. Sein transparentes, technisch makellose Spiel besaß filigranen Charakter und ergänzte sich perfekt im Zusammenspiel mit Sarastes unaufdringlichem, aber sehr präsenten Dirigat, bei dem man oft an den unvergesslichen Jewgenij Mrawinskij erinnert wurde.

Wunderbare Erzählung voller Poesie, Tragik und Ironie

Kavakos ist ein Interpret, der die Musik erzählen kann. Und so gestaltete er Schostakowitschs Violinkonzert als eine wunderbare russische Erzählung voller Poesie, Tragik und Ironie, deren Kraft in vielen Details und in einem kammermusikalischen Spiel mit den Orchestermusikern lag. Nach der Pause dann Tschaikowskys 6. Symphonie „Pathétique“. Auch hier wurden Parallelen zu Mrawinskij deutlich. Saraste entschlackte die Musik, ohne ihr etwas von ihrer Wirkung zu nehmen. Im Gegenteil, indem Saraste die Symphonie von Schwulst, überladenen Emotionen und falschem Pathos befreite, gewann sie an Dichte und Überzeugungskraft.

Keine schluchzenden Geigen im ersten und letzten Satz, kein Blechgewitter im dritten; Jukka-Pekka Saraste dirigierte die 6. Symphonie mit natürlichem Atem, einem konsequent logischen Spielaufbau und einer wunderbaren inneren Balance. Er nutzte die Topqualitäten des Luxembourg Philharmonic (u.a. herrliche Holzbläser) und das räumliche Empfinden der Musiker für eine in allen Punkten ausgewogene Interpretation. Ich muss an dieser Stelle zugeben, dass ich mich nicht erinnern kann, je eine derart schlichte, schöne und packende Pathétique im Konzertsaal gehört zu haben.

Transparentes, technisch makelloses Spiel: der griechische Violinist Leonidas Kavakos
Transparentes, technisch makelloses Spiel: der griechische Violinist Leonidas Kavakos Foto: Alfonso Salgueiro