Hochstaplerinnen haben Hochkonjunktur. Es sind die Erbinnen von Felix Krull, dem berühmten Hochstapler aus Thomas Manns Roman „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“. Lange Zeit war selbst der groß angelegte Millionen- bis Milliardenbetrug eine Männerdomäne. In der nicht ganz so fernen Vergangenheit brachten es Betrüger (wie in Deutschland etwa der Karlsruher Manfred Schmider in dem bis dahin größten Finanzskandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte, der ‚FlowTex-Affäre’ um sogenannte Horizontalbohrmaschinen) oder Jürgen Harksen, der Anleger zur Beteiligung an nicht existierenden Investmentunternehmen brachte, zu zweifelhafter Berühmtheit.
Zuletzt waren es die russisch-deutsche Hochstaplerin Anna Sorokin alias Anna Delvey, die sich als Erbin ausgab und in der New Yorker High Society verkehrte, oder die australische Betrügerin Annabelle Natalie Gibson, Autorin der App „The Whole Pantry“ und des dazugehörenden Kochbuchs, die fälschlicherweise behauptete, an ihr seien mehrere Krebserkrankungen diagnostiziert worden. Ein weiteres Beispiel ist die US-Anlagebetrügerin Elizabeth Holmes, die Geschäftsführerin eines Laborunternehmens. Sowohl Gibson als auch Sorokin und Holmes sind die lebenden Beweise dafür, dass die weibliche Emanzipation in der Hochstapelei angekommen ist.
Ratgeber zur Selbstoptimierung
Oder sind sie nicht vielmehr Beispiele dafür, wie weit Formen der Selbstoptimierung auf die Spitze getrieben werden können. Ratgeber halfen bereits Männern, den Traum vom großen Erfolg zumindest zu träumen. Seit einigen Jahren werden Frauen mit Büchern wie „Lean In“, „Girlboss“ und „Good Girls Don’t Get The Corner Office“ überhäuft, die ihnen zeigen, wie sie sich in einem von Männern dominierten Arbeitsumfeld verhalten müssen, um erfolgreich zu sein. Anne Klein gibt ihre „kleine Obsession“ für Ratgeber- und Selbsthilfebücher zu. „Allerdings heißt es in denen für Frauen in der Business-Welt immer, dass diese sich wie Männer verhalten sollen“, stellt die Schauspielerin fest. „Sie sollen sich etwa nach vorn beugen und direkter sprechen.“

Die Idee für „This is a scam“ war geboren. Zusammen mit ihrer norwegischen Kollegin Solvei Sundbø, die sie 2013 während ihrer Schauspielausbildung an der Royal Academy of Dramatic Art in London kennengelernt hatte. Im Jahr 2023 kamen sie schließlich dazu, gemeinsam ein Stück zu schreiben. Neben der Flut von Selbsthilfebüchern war das Aufkommen besagter weiblicher Hochstapler wie Gibson, Holmes und Sorokin ein weiterer Einfluss. Mit dem Stück trat das Duo 2023 sechs Mal auf dem Edinburgh Fringe Festival auf. Nun hat das Stück seinen Weg nach Luxemburg gefunden. Anne Klein bezeichnet die Arbeit daran als „work in progress“, zunächst ohne Regisseur und Techniker. „Dieses Jahr arbeiteten wir mit Jacques Schiltz als Regisseur, schrieben verschiedene Szenen um und probten neu.“ Hinzu kam Marc Thein als Lichtdesigner. Auf die Frage, was sich im Vergleich zum Fringe-Festival geändert habe, antwortet Anne Klein: „Dort hat man nur eine Stunde, alles wirkt viel improvisierter. Das ist jetzt anders, wir haben eine richtige Bühne.“
Dabei verfügt die aus Contern stammende Schauspielerin über einige Erfahrung im Bereich der Improvisation. Nach ihrer Schauspielausbildung in London und vor ihrem Master am Royal Conservatoire of Scotland in Glasgow war sie eine Zeit lang als Stand-up-Comedian tätig. „Einer meiner Professoren hatte gemeint, ich sei lustig und empfahl mir das. So bin ich da reingerutscht und machte das vier Jahre lang.“ Sie nahm erfolgreich an mehreren Wettbewerben teil und absolvierte Comedy-Kurse in Los Angeles. „Ich liebe Comedy, sehe mich aber nicht als reine Stand-up-Comedian“, betont sie. „Man ist immer auf sich allein gestellt. Ich mag Theater und Film lieber.“ Die Angst vor der „Impro“ sei ihr genommen worden, indem sie „die eigene Komfortzone verlassen“ musste. „Wir haben alles von uns einfließen lassen.“
„Alles ist Storytelling“
Zwar habe Solvei Sundbø an derselben Schule studiert, sagt Anne Klein. „Trotzdem kommen wir aus verschiedenen Welten. Solvei stammt aus Oslo und hat daher andere Einflüsse, während ich vor dem Schauspielstudium Hotelmanagement studiert und in Deutschland sowie Frankreich gearbeitet hatte. Ich kenne die Business-Welt. Doch in Norwegen ist das wiederum anders.“ Anne Klein weiß: „Alles ist Storytelling. Wenn man eine gute Geschichte erzählen kann, kommt man sehr weit. Darauf kommt es an. Bei der anderen dauert es etwas länger.“ Doch was hat dies noch mit Feminismus zu tun? „Bei vielen Frauen, die Vorbilder waren, stellt sich heraus, dass sie gar nicht so feministisch sind.“
Alles ist Storytelling. Wenn man eine gute Geschichte erzählen kann, kommt man sehr weit.
Handelt es sich gar um eine Art von „Great Emancipation Swindle“? In dem Stück gehe es jedenfalls um eine satirische Betrachtung des Feminismus, sagt die Schauspielerin. Ob man sich an die Regeln hält oder sich den Weg an die Spitze erschwindelt, macht schließlich kaum einen Unterschied. „Ich dachte plötzlich, wie heuchlerisch es ist, dass in all diesen Selbsthilfebüchern für Geschäftsleute den Frauen geraten wird, mit tiefer Stimme zu sprechen, weniger zu lächeln, weniger freundlich zu sein, in Statements und nicht in Fragen zu sprechen.“ Wer am Ende weiter kommt, die Ehrliche oder die Hochstaplerin, sei hier nicht verraten. Eine unterhaltsame Herangehensweise an die durchaus ernste Thematik ist „This is a scam“ allemal.
Am 30. April um 20 Uhr im Aalt Stadthaus Differdingen (auf Englisch)

De Maart

Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können