Ein Fest für Louis Spohr /VIDEO/

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Es war eine glückliche Idee von „Uelzecht“-Chef Jeff Speres, des 150. Todestages von Louis Spohr mit der ersten Aufführung hierzulande des Oratoriums „Die letzten Dinge“ zu gedenken, so wie es im Mai 2007 schon eine glücklich Idee gewesen ist, an den 150. Geburtstag von Edward Elgar zu erinnern./ Guy Wagner

Und so wie damals hat der Erfolg ihm, seinen Sängern und seinem effizienten Vorstand recht gegeben.
Nicht nur, dass eine überaus beachtliche Zuhörerzahl bereit war, sich mit einem (fast) unbekannten Komponisten und einem noch unbekannteren Werk auseinanderzusetzen, nicht nur, dass dieses Konzert im Prestigesaal der Philharmonie stattfand – und man kann der Intendanz für die Konzertreihe „Fräiraim“ nur danken, die sie auch Amateur-Ensembles auf gutem bis hohem Niveau ermöglicht, in diesen heiligen Hallen aufzutreten –, sondern vor allem: die Darbietung war würdig des Ereignisses und des Ortes.
Jeff Speres ist nicht der Musiker, der emotional vorgeht. Er ist ein Dirigent, der konzentriert und kontrolliert einen Auftrag, eine „Aufgabe“ erfüllt. Seine Aufmerksamkeit für Sänger und Musiker ist vollständig, auch wenn seine Zeichengebung (noch) nicht immer das erwartete Ergebnis hat. Aber auch kleine Unsicherheiten, etwa im Finale des ersten Teiles, haben den Gesamteindruck nicht beeinträchtigen können, was Chor und Orchester betrifft.
Da wog die zum Teil kaum zufriedenstellende Darbietung der Solisten schon schwerer. Eigentlich wurde nur Danièle Patz ihrer Aufgabe gerecht. Doch warum ist sie dabei, sich ein Vibrato anzugewöhnen, dessen sie nicht bedarf, um zu überzeugen? Jean-Marie Kieffer bot eine saubere und engagierte Leistung, für die Partie des Bassrezitators bedarf es aber einer Stimme, die viel dunkler als die seine ist, sozusagen einer „Hagen“-Stimme. Die Altistin Elina Arabynska wirkte fast teilnahmslos bei einem Text, der durch die Intensität der von Friedrich Rochlitz und vom Komponisten ausgewählten Bibelworte und der Eschatologie-Thematik regelrecht zu einer Auseinandersetzung zwingt. Und wo findet man in unserer Gegend einen Tenor, der dank seiner Stimme, seiner Aussprache und seiner Ausstrahlung einer Darbietung Glanz verleiht? Das war bei Christian Chenille sicher nicht der Fall.

ÜberzeugendeDarbietung

Dass dieses Konzert aber weit über das Mittelmaß hinausragte und zu einem echten Fest für Spohr geworden ist, verdankt es der Leitung von Jeff Speres, dem feinsinnigen Orchester und dem überzeugenden Chor.
Nie zuvor habe ich das „Estro Armonico“ homogener, geschlossener und klangschöner gehört wie hier. Kein Zweifel, dass die hervorragende Akustik der Philharmonie da mitgewirkt hat, die sich als ideal für Orchester von der „Estro Armonico“-Dimension erweist, aber das schmälert keineswegs die engagierte, warmherzige Leistung der Musiker, zumal das Zusammenwirken mit dem Chor exemplarisch gewesen ist.
Weil die Akustik des Hauses derart ausgeklügelt ist, sind natürlich auch Schwächen nicht zu überhören, doch obschon das Gleichgewicht der männlichen und weiblichen Chorstimmen (noch) nicht erreicht ist und Einzelstimmen aus dem Chorgefüge herauszuhören sind, also noch weitere Aufbauarbeit auf den Dirigenten wartet, so muss dennoch gesagt werden, und das geschieht mit viel Freude: die Escher „Chorale municipale Uelzecht“ ist dabei, ihren Glanz der 60er Jahre wiederzufinden. Homogenität, kluge Wortgestaltung, klare Diktion und ein wahres Eintauchen in die Musik und in den Sinn des Gesungenen sind der Beweis dafür, dass wir in Zukunft viel von diesem Ensemble erwarten dürfen. Der Chor ist in der Tat wieder ein „Ensemble“, ein Ganzes geworden, ein sehr engagiertes und begeistertes zudem, das Hochachtung, Anerkennung und Bewunderung verdient.
Drei Momente der Darbietung sollen als Beleg herausgehoben werden: Herrlich war die rhythmische Präzision in „Das Lamm, das erwürget ist“ (Nr. 6), eindrucksvoll wurde der musikalische Höhepunkt: „Gefallen ist Babylon, die Große“ (Nr. 15) gestaltet, und ergreifend wirkte das folgende „Selig sind die Toten“ (Nr. 16).
Und sollte man noch fragen, wieso Louis Spohr, trotz seines Lebensruhmes und Lebenswerks, so schnell vergessen wurde, so gibt gerade diese Nummer eine Antwort: 40 Jahre nach Spohr hat Johannes Brahms die gleichen Worte aus der Johannesoffenbarung (14,13) als Abschluss von „Ein Deutsches Requiem“ vertont. Allein schon der Vergleich zwischen beiden Schöpfungen zeigt, wie sehr Spohr inzwischen ins Hintertreffen geraten war. Gewiss nicht, weil seine Musik schlecht war, sondern weil die andere so viel besser ist.