„5 Seasons of Revolution“„Doch der Frühling kam nicht“

„5 Seasons of Revolution“ / „Doch der Frühling kam nicht“
Eine Jahreszeit fiel aus … doch eine fünfte gesellte sich dazu Copyright: No Nations Film GmbH

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Sie hat viele Gesichter und noch mehr Namen. In Syrien geboren und aufgewachsen, sah die kleine Lina, wie ihr Heimatland langsam zerfiel. Doch zusehen wollte sie nicht länger.

Als erwachsene Frau und Journalistin begann sie 2011, ihr Leben zu filmen, und sammelte so immer mehr authentisches Material mitten aus dem Zivilkrieg in Syrien. Bis 2015 hielt sie jeden möglichen Moment auf Kamera fest und kreierte aus diesen Aufnahmen den Film „5 Seasons of Revolution“. 2023 kam der Moment der Wahrheit für Lina, als ihr Werk veröffentlicht wurde.

In den fünf Teilen des Filmes erleben wir, durch die Augen der jungen Frau, ihren aufreibenden Alltag im Krieg. Sie selbst ist sehr engagiert und beteiligt sich an Protestaktionen gegen die Regierung. Zusammen mit ihrer Familie und ihren Freunden bleibt sie stark und kämpft weiter, sogar wenn alle Hoffnung zu schwinden scheint. „Die Hoffnung aufzugeben, ist ein Privileg, das ich nicht hatte“, sagt sie selbst. Immer auf der Suche nach Orten, an welchen sie helfen kann, treibt der wachsende Konflikt sie von ihrer Heimatstadt Damaskus nach Homs und Aleppo. Dabei ist sie gezwungen, ständig neue Identitäten anzunehmen: Lina, Lama, Maya oder Maiss. Jede ihrer Persönlichkeiten kämpft aber unermüdlich für die Freiheit ihres einst so schönen Heimatlandes.

Da Lina fast alle Szenen mit ihrer Handkamera gefilmt hat, liefert der Dokumentarfilm auch diese sehr persönliche Erzählperspektive gleich mit – und so kommt es einem unweigerlich vor, als beobachte man die Geschehnisse durch Linas Augen. Viele der Szenen sind verbotenerweise aufgenommen worden: Aus versteckten Winkeln belauscht der Zuschauer die kritischen Konversationen mit Soldaten an den Checkpunkten und hofft, dass die Kamera unentdeckt bleibt. Die beängstigenden Bilder zeigen, wie schlimm die Bombenattacken wirklich waren und wie es den Menschen danach erging. Die gesamte Spielzeit über wurde keine einzige Szene mit Musik hinterlegt – dies verdeutlicht, dass es im Krieg nichts gibt, was verschönert werden kann. Alle Aufnahmen blieben so, wie es die Realität gebot, und was in dem Moment geschah, kam nur ungefiltert auf die Leinwand. Der authentische und unbearbeitete Sound, die ehrlichen Gespräche und die wahrheitsgemäßen Aufnahmen verwandeln den Film in ein unvergessliches, bleibendes Erlebnis.

Handgemachte Authentizität

„5 Seasons of Revolution“ ist ein herzzerreißender Film und zeigt den Zuschauern deutlich, wie es den Bewohnern eines Landes im Krieg wirklich ergeht. Die Handlung verleitet den Zuschauer dazu, die Charaktere zu mögen, eine Sympathie für sie zu entwickeln und mit ihnen zu leiden, wodurch Verluste und Kriegserlebnisse umso trauriger und realer werden. Obwohl die Kameraqualität logischerweise nicht perfekt sein kann, denke ich, dass der Film durch die Handkamera noch mehr an Authentizität gewinnt und diese Technik unfreiwillig die Botschaft dieses Kriegstagebuchs verstärkt. 

Ich kann nur jedem wärmstens empfehlen, sich „5 Seasons of Revolution“ anzuschauen. Jedoch sollte allen bewusst sein, dass es keine leichte Kost ist. Es ist daher auch wenig überraschend, dass der Dokumentarfilm dieses Jahr von der Youth Jury des LuxFilmFest als bester Film ausgezeichnet wurde, denn selten hat mich ein Film so berührt wie dieser und selten verspürte ich solch starke Emotionen beim und nach dem Anschauen eines Films. Es lohnt sich also auf jeden Fall, sich Zeit für „Linas“ Meisterwerk zu nehmen und ihr für ihren Mut und ihre wichtige Arbeit zu danken.

„5 Seasons of Revolution“; Produktionsland: Syrien u.a.; Erscheinungsjahr: 2023; Genre: Dokumentation; FSK: 16; Regie: Lina; Darsteller: Lina, Malath Alzoubi, Rima Dali, Bassel Shehadeh, Susu; Laufzeit: 95 Minuten