Dienstag23. Dezember 2025

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KunsteckeDie Ausstellung „Move and Make“ zu Helen Frankenthaler zeigt Malerei mit Vorliebe zum Experiment

Kunstecke / Die Ausstellung „Move and Make“ zu Helen Frankenthaler zeigt Malerei mit Vorliebe zum Experiment
Helen Frankenthaler in ihrem Atelier an der Ecke East 83rd Street/3rd Avenue, New York, 1969 Foto: 2025 Ernst Haas/Getty Images. Artwork © 2025 HelenFrankenthaler Foundation, Inc./Artists Rights Society (ARS), NewYork

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Ein Trip nach Wiesbaden: Im Museum Reinhard Ernst läuft noch bis September die Ausstellung „Helen Frankenthaler. Move and Make“. Warum sich die Fahrt in die hessische Landeshauptstadt dafür lohnt.

Das im Juni 2024 in Wiesbaden eröffnete private Museum Reinhard Ernst (mre) des inzwischen verstorbenen japanischen Architekten Fumihiko Maki ist eine echte Bereicherung für die Stadt. In einem Gespräch mit Sammler und Stifter Reinhard Ernst hat Maki klargestellt: „Das Museum soll der Kunst dienen“. Ernst mochte nicht nur Kunst zum eigenen Genuss und/oder als Anlage sammeln, sondern wollte diese auch einem breiten Publikum zugänglich machen. Beide waren sich einig: In einem Museum muss man sich wohlfühlen und „gerne wieder zurückkehren“.

Das ist bei dem „zuckerwürfelähnlichen“ Kunsthaus in Wiesbaden sicherlich der Fall. Die Räume sind breit und hoch, hell und luftig, die Wände meist weiß gestrichen, die Flure um das Atrium gefällig angelegt, kurzum der „Gang durch das Museum“ bequem und gezielten Fluchtachsen entlang optimal angelegt. Glaskunst von Katharina Grosse und Claudia Walde, Metallkunst von Bettina Pousttchi, eine Installation von Karl-Martin Hartmann, sowie Skulpturen aus Bronze von Tony Cragg und eine dreiteilige Skulptur im Atrium von Eduardo Chillida sind eng mit dem Gebäude „verbunden“. Das neue Museum für abstrakte Kunst ist sehenswert!

Info

„Helen Frankenthaler. Move and Make“ im Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden bis 28.9.2025. www.museum-reinhard-ernst.com

Nach der Eröffnungsausstellung „Farbe ist alles“ läuft bis 28. September 2025 die Schau „Helen Frankenthaler. Move and Make“. Dieser wird am 28. Oktober die Expo „Moved by Helen Frankenthaler“ folgen. Die Künstlerin wird in Dialog mit zeitgenössischen Künstler:innen (Adrian Schieß, Jenny Brosinski und Ina Gerken) stehen, kurzum das Jahr 2025 steht im Museum Reinhard Ernst gleich mit zwei Ausstellungen vordergründig im Zeichen von Helen Frankenthaler (1928-2011).

Wer ist Helen Frankenthaler?

Sie wurde am 12. Dezember 1928 geboren und verbrachte ihre Kindheit in New York City. Sie ist die Tochter einer Wiesbadenerin und eines New Yorkers. Nach ihrem Studium machte sie 1949 ihren Abschluss am Bennington College in Vermont. Später studierte sie kurz bei Hans Hofmann. 1950 nahm Adolph Gottlieb ihr Gemälde „Beach“ (1950) in eine Ausstellung auf. Ihre erste Einzelexpo fand 1951 in New York statt. Ihrer Biografie zufolge schuf sie 1952 „ein bahnbrechendes Gemälde“ im Sinne der amerikanischen Abstraktion. Sie verteilte verdünnte Farbe auf eine auf dem Atelierboden liegende ungrundierte Leinwand und schuf so „schwebende Farbe aus durchscheinenden Farben“. Das Werk „Mountains and Sea“ beeindruckte selbst Künstler wie Morris Louis und Kenneth Noland. 1959 erhielt sie den 1. Preis auf der 1. Biennale de Paris und 1966 vertrat sie ihr Land bei der 33. Biennale von Venedig gemeinsam mit E. Kelly, R. Lichtenstein und J. Olitski. Ihre Ausstellung im Whitney Museum of American Art 1969 war der Anfang einer internationalen Tournee.

Die Künstlerin war vielseitig. Sie ist vor allem auch für ihre Holzschnitte bekannt. Sie blieb bis in die frühen 2000er Jahre aktiv, zeigte ihre Werke in Museen und Galerien. Ihren 100. Geburtstag will die National Gallery of Art in Washington 2028 mit einer großen Retrospektive feiern. All ihre Ausstellungen aufzulisten, wäre müßig, drei große Monografien wurden über sie herausgegeben. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, wichtige Werke befinden sich in bekannten Museen, doch die größte Privatsammlung mit „50 Werken aus fünf Schaffensjahrzehnten“ ist im Besitz des Unternehmers und Museumsgründers Reinhard Ernst in Wiesbaden.

Farbe bewegen und machen

Helen Frankenthaler hat sich über Jahre mit anderen amerikanischen Künstlern dieser Zeit ausgetauscht, auch lebte sie zeitweilig in Partnerschaft mit Robert Motherwell. Sie hat sich durch die sogenannte „Soak-Stain-Technik“, Farbe auf Leinwand am Boden mit Schwämmen und Bürsten verteilt, von der Malweise anderer Künstler abgesondert, um „Kompositionen, die das Verhältnis Farbe, Form und Raum neu ausloteten“, zu schaffen. Sie übte gerne dieses „move“ und ihr „making“, eine Arbeitsweise, die vom Direktor des Museums Dr. Oliver Kornhoff als „wesentlichen Beitrag zu einem entschiedenen modernen Künstler:innenverständnis“ gewertet wird. Sie habe andere Wege als ihre männlichen Kollegen beschritten, heißt es, und die „Farbe dabei regelrecht zur schöpferischen Komplizin“ erklärt.

Weisen wir darauf hin, dass in der gesamten Eröffnungsausstellung ihre Werke in „Nachbarschaft“ mit Arbeiten ihrer Zeitgenossen gezeigt werden, etwa Hans Hofmann (ihr Lehrer), Robert Motherwell (mit dem sie dreizehn Jahre verheiratet war), Adolph Gottlieb (ein Förderer), Friedel Dzubas oder Lee Krasner (mit der sie ein Atelier teilte). Frankenthaler wird als „wegweisende Vermittlerin zwischen dem Action Painting und der Farbfeldmalerei“ betrachtet. Da ihre Technik noch heute Künstler inspiriert, wird ihr Werk – wie angedeutet – ab Oktober mit drei Gegenwartspositionen konfrontiert. Sie hat einmal gesagt: „Ich denke lieber, bewege und mache, als stehenzubleiben.“

Mega-Bilder und sanfte Farben

In Wiesbaden zu entdecken: Helen Frankenthaler (1928-2011), „Sea Level“ (1976)
In Wiesbaden zu entdecken: Helen Frankenthaler (1928-2011), „Sea Level“ (1976) Copyright: Helen Frankenthaler Foundation, Inc. /VG Bild-Kunst, Bonn 2025

Neben der fein strukturierten Sammlung, aus der wir gerne den Raum „Die Suche nach dem weißen Wal“ mit drei Arbeiten aus der Moby-Dick-Serie von Frank Stella sowie das Werk „Corpo-senza-l’anima“ von ihm hervorheben möchten, fokussiert das mre Frankenthaler in vier Räumen. Von ihren Anfängen u.a. von Höhlenmalereien inspiriert, geht es in dem zweiten Raum mit fünf Werken um „räumliche Wahrnehmung“, wobei sie den traditionellen Bildrahmen sprengt, erst Farbe und Motiv frei aufträgt, dann einen Ausschnitt wählt, um dem Ganzen einen Korpus zu geben. Freier geht es in Raum drei zu, wo sie u.a. anhand des Bildes „Sea Level“ (1976) ein horizontal geplantes See-Panorama einfach in die Vertikale kippt, ein Zeugnis ihres Dranges, stets in „move“ (Bewegung) zu bleiben. Es ist dies mit 226 x 160 cm ein recht bescheidenes Werk im Vergleich zu den meist sehr großen Bildern, etwa die „Lunar Avenue“(1975), mit den Maßen 389 x 240,7 cm. Die Museumsräume eignen sich vortrefflich für derartige Mega-Bilder, die diesbezügliche Hängung unterstreicht die Monumentalität der Gemälde, die gemäß der beschriebenen Vorgehensweise beim Malen eher „durchlässige“ Töne aufweisen. Raum vier konzentriert sich mit neun Werken auf Rückblicke, künstlerische Aufarbeitung von Vergangenheit, auch kleinformatige Bilder, in denen sie jedoch besonders ausdrucksstark vorgeht. Es sind dies Arbeiten aus den 80er Jahren. Wie bereits angedeutet, werden außerdem fünf Bilder im Rahmen der „Farbe ist alles“- Reihe als Teil der Sammlung präsentiert.

Einige der Frankenthaler-Werke lassen auch routinierte Kunstfreunde staunen, hat die Künstlerin doch über Jahrzehnte eine bemerkenswerte Kontinuität vorgeführt. Direktor Dr. Oliver Kornhoff lädt den Besucher ein, „die Tiefe der Farbschichten, die Radikalität der Kompositionen und die Freiheit, die in jeder Linie und jedem Farbauftrag spürbar ist“, zu entdecken. Die Ausstellung wird von einem reich bebilderten Katalog begleitet.