Dienstag21. Oktober 2025

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Der Wahrheit ins Auge sehen

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Sie beschäftigt Historiker, Anthropologen, Politiker, Philosophen, Marktforscher und Künstler: die Frage nach der Identität. Auch die junge Regisseurin Natalie Ortner geht ihr auf den Grund und richtet dabei ihren Blick ganz bewusst auf unsere kulturelle Befindlichkeit.

Emile Hengen
 

Wie denken Kulturschaffende? Wo stehen sie? Wo glauben sie sich positioniert zu haben? Glauben sie an die Möglichkeit der freien Entfaltung in der hiesigen Kulturszene? Wie identifizieren sie sich mit ihr? Wie stehen sie zur hiesigen Kulturpolitik? Dies sind nur einige Fragen, auf die Natalie Ortner eine Antwort sucht. Doch sie weiß natürlich, dass es nicht nur eine, sondern unzählige Antworten und verschiedene Meinungen gibt, die alle, ohne jegliche Ausnahme, ihre Berechtigung haben.

Ihr geht es nicht um Allgemeingültigkeit, sondern einzig und allein nur darum, so viele Eindrücke wie möglich zu sammeln. Natalie Ortner geht es um eine Bestandsaufnahme, um die Bestandsaufnahme „dramkulturlandschaftlëtzebuerg“.

Sie weiß nicht mehr so recht, wie viele Kulturschaffende sie angeschrieben hat. „Es müssen Hunderte gewesen sein“, erinnert sie sich. In einem formellen Brief bat Natalie Ortner sie darum, ihre persönlichen Gedanken zum Begriff „dramkulturlandschaftlëtzebuerg“ zum Ausdruck zu bringen – in welcher Form auch immer. Bis zum heutigen Zeitpunkt hat sie über 50 Rückmeldungen erhalten. Die Mehrzahl der befragten Kulturschaffenden haben getextet, einige Künstler haben ihrer Kreativität freien Lauf gelassen und haben binnen kürzester Zeit aufwendige Installationen kreiert.

Szenische Lesung

Die Idee „dramkulturlandschaftlëtzebuerg“ an sich ist nicht neu. Natalie Ortner trägt sie bereits seit Monaten mit sich herum. Doch wegen zeitlicher und organisatorischer Gründe wurde das Projekt immer wieder verschoben. Aber verschoben ist nicht aufgehoben! „Independent Little Lies“, ein ambitioniertes Kollektiv junger und aufstrebender Künstler, haben sich ihrer liebevoll angenommen und unterstützen sie in ihrem Vorhaben. Am 11. September ist es dann endlich so weit. Im nationalen Resistenzmuseum in Esch findet die von Natalie Ortner inszenierte Performance „dramkulturlandschaftlëtzebuerg“ statt.

„Drei Schauspieler – Marc Baum, Pit Simon und Marco Lorenzini – lesen aus den Beiträgen. Die eingereichten Kunstwerke und Fotografien werden ausgestellt und thematisiert. Musikalisch umrahmt wird das Ganze von Jitz Jeitz“, erzählt die junge Regisseurin, die aus beruflichen Gründen für eine Produktion im TNL vor knapp drei Jahren von Wien nach Luxemburg umzogen ist. Weitere Verpflichtungen im Theater folgten und Natalie Ortner fasste im Großherzogtum langsam, aber sicher Fuß. Sie produzierte anschließend im Kasematten- und Kapuzinertheater, fühlte sich auf Anhieb wohl und entschied, bis auf Weiteres in Luxemburg zu bleiben.

„Luxemburgs Kulturszene lebt. Sie ist unglaublich inspirierend und stimulierend. Man kann hier unglaublich viel schöpfen“, sagt die Regisseurin und fügt hinzu, dass sie sich sehr wohl darüber im Klaren ist, dass man auch hier nichts geschenkt bekommt und dass man sich alles hart erarbeiten muss. „Doch hat man sich erst einmal etabliert, läuft es wie am Schnürchen“, lautet ihr Urteil. Doch wie kommt sie zu dieser Erkenntnis? Die Antwort: „dramkulturlandschaftlëtzebuerg“. In den vergangenen Wochen hat sich Natalie Ortner intensiv mit den eingereichten Beiträgen auseinandergesetzt. Sie hat sie akribisch analysiert, Parallelen gezogen und geordnet. „Insgesamt sind die Eindrücke, obwohl sie von sehr unterschiedlicher Natur sind, durchaus positiv.“

Schwarze Prognose?

Was mögen die Gründe sein? Die außerordentliche staatliche Finanzspritze? Die Tatsache, dass immer öfters luxemburgische Kreationen den Weg über die Landesgrenzen hinaus finden? Das kulturelle Übergebot, das uns regelrecht erschlägt? „Vermutlich ein wenig von allem“, meint Natalie Ortner.

Doch auch sie blickt besorgt in die Zukunft: „Die beschlossenen Kürzungen im Budget gehen nicht spurlos an unseren Kulturinstitutionen vorbei. Den Intendanten werden die Hände gebunden. Es wird weniger produziert und die Qualität nachlassen“, mutmaßt Natalie Ortner, die, im direkten Vergleich mit Wien, die Qualität hiesiger Produktionen sehr hoch einstuft.
Doch ihr ist nicht entgangen, dass vorwiegend junge Kulturschaffende kritisch auf Luxemburgs Kulturszene blicken. „Vermutlich, weil sie jegliche Form von Konformismus, wie sie in allen Kulturhäusern aufzuspüren ist, verurteilen. Mit Recht, denn Konformismus resultiert zwangsläufig in Stagnation“, so ihr Statement.

Konzert zum Abschluss

Der 11. September, der Tag, an dem drei Schauspieler aus dem Nähkästchen plaudern, wird also ein Stückchen Wahrheit ans Licht bringen und sicherlich die eine oder andere Polemik entfachen. Damit die erhitzten Gemüter wieder abkühlen können, lädt ILL nach Ende der szenischen Lesung zur traditionellen „Save Esch“-Party ins „Café Diva“ ein, wo ab 22 Uhr die lokale Band Traumkapitän auf der Bühne steht.

Die Fiesta ist sowohl der Abschluss der aufschlussreichen Performance „dramkulturlandschaftlëtzebuerg“ als auch der diesjährigen, ersten Auflage von „ILL Summer Dreams“, die hoffentlich auch im nächsten Jahr ihre Fortsetzung findet und die Daheimgebliebenen auch während der Sommermonate mit abstrusen und absolut sehenswerten kulturellen Highlights verwöhnt.

„Dramkulturlandschaftlëtzebuerg“
ILL Summerdreams
Am 11. Sept. um 20 Uhr
im Resistenzmuseum
Place de la Résistance
L-4041 Esch-sur-Alzette
www.ill.lu