KunsteckeDer Psychoanalytiker Lacan im musealen Schlaglicht

Kunstecke / Der Psychoanalytiker Lacan im musealen Schlaglicht
Le Caravage, „Narcisse“, 1597-1599 Photo: Scala, Florence, Dist. RMN-Grand Palais

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Seit letztem Wochenende gibt es in Luxemburg sowohl in Museen als auch in privaten und öffentlichen Galerien Ausstellungen, die einen Besuch wert sind. In diesen Zeiten lohnt es sich aber auch, einen Blick über unsere Grenzen hinauszuwerfen, etwa nach Metz.

In der Tat, das Centre Pompidou-Metz feiert nicht nur in Bälde sein 15. Jubiläum, es gilt auch, die Aura des Pompidou-Zentrums Paris, das ab 2025 fünf Jahre wegen Renovierungsarbeiten seine Tore schließen wird, in Lothringen aufrechtzuerhalten. Im Mai 2010 mit der prunkvollen Schau „Chefs-d’oeuvre?“ eröffnet, werden die Jubiläumsfeierlichkeiten des Metzer Pompidou bereits Ende 2023 eingeleitet. Ab 31. Dezember widmet Pompidou-Metz Jacques Lacan eine Ausstellung.

Obwohl es in einigen Nachbarstädten in Deutschland auch sehenswerte museale Präsentationen zu begutachten gibt, dürfte das Centre Pompidou-Metz doch die interessanteste Institution dieser Art in der Großregion sein. Knapp eine Autostunde von Luxemburg entfernt, ist das Zentrum auch in Bahnhofsnähe gelegen, sodass Kunstfreunde bequem dort anreisen können. Die „Amis des musées“ werden dies demnächst, aus Anlass der laufenden Ausstellungen „Bonne Chance“ und „La Répétition“, wohl auch tun.

Im Laufe der Jahre hat es demnach so manch spannende Ausstellung gegeben, doch 2024 beschreitet auch Pompidou-Metz Neuland. Unter dem Motto „Die bildende Kunst trifft auf die Psychoanalyse“ soll bis zum 27. Mai der bekannte Psychiater und Psychoanalytiker Jacques Lacan in Dialog mit von ihm anerkannten Kunstwerken gestellt werden. Am 13. April 1901 in Paris geboren und am 9. September 1981 daselbst verstorben, hat Jacques Lacan die zeitgenössische Psychoanalyse erheblich geprägt und das wegweisende Werk eines Sigmund Freud neu belebt. Lacan wurde gar wegen seiner Deutungen und Thesen aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung ausgeschlossen. Ab 1953 betrieb er sein eigenes Seminar. Von seiner Überzeugung, die Psychoanalyse sei eine Praxis der Sprache und des Sprechens, gingen für den Strukturalismus, die Linguistik und die Topologie wesentliche Anregungen aus.

Künstler-Freundschaften in Wort und Bild

Wer den Lebensweg von Lacan verfolgt, der kann seine Vita in verschiedene Etappen eingliedern, wobei gerade in den 30er Jahren seine Beteiligung an der „surrealistischen Bewegung“ deutlich wird und seine Freundschaft zu Künstlern und Schriftstellern wie André Breton, Georges Bataille, Salvador Dali oder Pablo Picasso hervorsticht. Dies ist wohl ein Teil des Stoffes, aus dem die anstehende Expo gefüttert wird. Lacans Leben war streckenweise recht kompliziert, auch litt er unter der deutschen Besatzung. Später wirkte er in Paris und erholte sich in seinem Landhaus in Guitranscourt.

Neben seiner Lehrtätigkeit und seinem Interesse für Bücher, spielte auch sein Hang zur bildenden Kunst eine wesentliche Rolle. Er zählte bedeutende Werke zu seiner Privatsammlung, etwa das bekannte Bild „Der Ursprung der Welt“ von Courbet (das übrigens auch in Metz gezeigt werden soll). Dieses war in seinem Büro jedoch hinter einer Holzpaneele, auf der eine Malerei von André Masson zu sehen war, versteckt.

Gustave Courbet, „L’Origine du monde“, 1866, Paris, musée d’Orsay
Gustave Courbet, „L’Origine du monde“, 1866, Paris, musée d’Orsay Photo: RMN-Grand Palais (musée d’Orsay)/Hervé Lewandowski

Die Lacan-Expo wird über hundert Kunstwerke präsentieren, darunter sowohl Arbeiten von Künstlern, die Geschichte geschrieben haben, wie René Magritte, Gustave Courbet, Salvador Dali, Pablo Picasso, Francis Picabia, Louise Bourgeois, Marcel Duchamp, Alberto Giacometti, Man Ray, Piero Manzoni, Niki de Saint-Phalle, Andy Warhol oder Zao Wou-Ki. Auch die Luxemburgerin Deborah De Robertis, die ja wegen ihrer Aktion beim Courbet-Bild in einem Pariser Museum festgenommen und ergo für Aufsehen gesorgt hat, ist vertreten. Die Ausstellung gliedert sich in 13 große Kapitel, die vom „stade du miroir“ und „la langue“ über das Objekt und den Namen des Vaters bis zu den „Maskeraden“ und „Topologien“ reichen. Die Schau an sich wird von zahlreichen Parallelveranstaltungen begleitet und mittels Katalog unter Leitung der Kuratoren Marie-Laure Bernadec und Bernard Marcadé dem Besucher dauerhaft in Erinnerung bleiben.

Man darf also gespannt sein, wie diese Ausstellung aussehen wird und ob sie die Gemüter der „Lacaniens“ und jene der Kunstschaffenden gleichermaßen erregen wird.

Auf Lacan folgt Masson

Nach der Erinnerung an Jacques Lacan wird das Jubiläumsjahr ab dem 29. März und bis zum 2. September mit einer Ausstellung zu Ehren des französischen Künstlers André Masson, den wir bereits als Bekannten von Lacan erwähnt haben, fortgesetzt.

Am 4. Januar 1896 geboren, starb André Masson am 28. Oktober 1987 in Paris. Er ist in die Kunstrichtung des Surrealismus einzuordnen, war Maler, Grafiker und Bildhauer. Er lebte und studierte lange in Brüssel. Wer Massons Kunstwerke rückblickend betrachtet, stellt fest, wie hin- und hergerissen er war. Er verarbeitete unzählige Themen und Mythologien in seinen manchmal recht ungestümen, aber mit großer Sorgfalt realisierten Werken. Er hat unzählige Arbeiten hinterlassen. Sein Ruf reichte weit über die Grenzen Frankreichs hinaus. Das MoMa in New York widmete ihm eine bedeutende Schau. Seiner Ausstellung folgen im Jubiläumsjahr 2025 noch weitere außergewöhnliche Präsentationen, etwa des amerikanischen abstrakten Expressionisten Wyn Evans oder der deutschen Malerin Katharina Grosse.

100 Jahre Surrealismus-Manifest

1924 fasste der Schriftsteller André Breton die Thesen zum Begriff Surrealismus, der 1917 von Guillaume Apollinaire geprägt worden war, zu einem „Manifest des Surrealismus“ zusammen. Hieraus entstand eine Bewegung, die sich als Gegenstück zum Anfang des 20. Jahrhunderts grassierenden „Realismus“ und als „Reaktion auf den Zusammenbruch traditionell-abendländischer Wertvorstellungen“ verstand, wie der Kunst-Brockhaus festhält. Da die Liste der Künstler dieser Bewegung doch recht lang ist, dürfte es 2024 noch weitere Ausstellungen im Sog des „Surrealen“ geben.