30. Oktober 2025 - 6.51 Uhr
Alain spannt den BogenBruch mit Klischees und Best-ofs: Yulianna Avdeeva und „Midi baroque“ in der Philharmonie

Wer die rezente Aufnahme der russischen Pianistin Yulianna Avdeeva auf Pentatone kennt, der spürt sofort, dass hier eine geborene Schostakowitsch-Interpretin zu Werke geht. Neben den legendären Aufnahmen von Tatiana Nikolaeva (1962, 1967 und 1990) und Alexander Melnikovs glutvoller Einspielung, darf die Interpretation der 24 Preludes & Fugues op. 87 von Dimitri Schostakowitsch durch Avedeeva als richtungsweisend angesehen werden.
Am Montag spielte die Pianistin in der ersten Konzerthälfte ein sogenanntes Best-of. Wir erinnern, dass eine Gesamtaufführung des op. 87 gut zweieinhalb Stunden dauert. Für ihr Konzert im Kammermusiksaal der Philharmonie hatte die Interpretin die Nummern, 1, 2, 6, 7 und 12 aus dem 1. Buch und die Nummern 14, 21 und 24 aus dem 2. Buch ausgewählt. Wie schon auf ihrem Album musste man zuerst einmal auf ihren hellen, manchmal grell-aggressiven Klang einschwingen.
Die 24 Préludes als kompakte Seelenbilder
Kein Zweifel, Yulianna Avdeeva spannte eine Brücke zwischen Moderne (das Werk wurde 1950/51 für Tatiana Nikolaeva komponiert, die das Werk auf ihren Aufnahmen weitaus melancholischer und mit mehr Klangvolumen spielte) und Barock. Dabei brachte sie es fertig, dass Schostakowitsch manchmal wirklich wie Bachs wohltemperierte Klavier klang, an dem sich Schostakowitsch ja orientierte. Bei ihrer Interpretation nahm sich die Interpretin quasi ganz zurück und überließ Schostakowitsch die Bühne. Spieltechnisch war Avdeeva brillant und ihr manchmal recht jazzy anmutendes Spiel vor allem auf Klarheit bedacht.
Der Anschlag war sicher, wohldosiert und passte sich jede der Nummern auf ideale Weise an. So wurden minimale Stimmungs- und Dynamikwechsel hörbar, die so die Genialität dieses Werkes unterstrichen. Avdeeva verzichtete auf plakative Virtuosität und zu große Gefühle, alles wirkte wunderbar ausgeglichen, wohl ausbalanciert und wie aus einem Wurf. Großartig.
Großartig dann auch die 24 Préludes von Frédéric Chopin. Die russische Pianistin blieb auch hier ihrem Konzept treu und trat hinter dem Komponisten zurück. Auch hier sehr viel Detailarbeit, die man allerdings gar nicht so spürte. Vielmehr gelang es Avdeeva, Chopins 24 Miniaturen als kompakte Seelenbilder, als tiefe Empfindungen eines Augenblicks zu spielen. Das Werk gewann durch die intelligente Interpretation somit an Aussagekraft und musikalischer Schönheit. Avdeeva distanzierte sich ganz klar vom Klischee des Salon-Pianisten Chopin und zeigte, dass seine 24 Préludes in allen Hinsichten große Musik sind.
Ein Klavierabend, an dem alles stimmte. Zwei Werke für die Insel, eine ehrliche und wunderbare Pianistin, erstklassige und stimmige Interpretationen, ein hochkonzentriertes Publikum und am Schluss wohlverdiente Standing Ovations.
Von „The Fairy Queen“ bis „King Arthur“
„Midi baroque“, eine der wohl interessantesten Konzertserien der Philharmonie, widmete sich am Dienstag dann ausschließlich den Werken von Henry Purcell. Seit 2019 bietet die französische Cembalistin, Dirigentin und Pädagogin Anne-Catherine Bucher einstündige kommentierte Barockkonzerte an, die durch ihre wohlkonzipierten Programme und ihren informativen Wert mehr als nur interessante Begegnungen bieten. Immer wieder überraschen Bucher und ihre wechselnden musikalischen Partner durch ausgefeilte und demnach hochwertige Interpretationen. Zusammen mit den beiden Sopranistinnen Véronique Nosbaum und Lilith Verheist – alle drei arbeiten übrigens in Luxemburger Konservatorien – machte sie diesmal einen chronologischen Streifzug durch Henry Purcells Leben.
Unter dem Titel „Music for a While“ erklangen hauptsächlich Tunes und Grounds sowie Duette und Soloarien aus diversen Bühnenwerken wie „Oedipus“, „The Fairy Queen“ oder „King Arthur“. Das einstündige Programm erwies sich als sehr ausgewogen und musikalisch hochwertig. Anne-Catherine Bucher ist auch auf internationalem Podium eine angesehene und anerkannte Interpretin und die beiden Sopranistinnen beeindruckten durch einen tief empfundenen und einwandfreien Gesang. „Midi baroque“ hat ein Konzept entwickelt, das greift und das Publikum anspricht. Nicht umsonst war der Saal des „Espace découverte“ bis auf den letzten Platz besetzt.
De Maart
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