Bon Iver: „SABLE, fABLE“

Der Beginn des neuen Bon-Iver-Albums treibt den Fans ihrer frühen Aufnahmen höchstwahrscheinlich Freudentränen in die Augen. Endlich haben sich bei Justin Vernon & Co. wieder die Folk-Einflüsse durchgesetzt. Das gilt zwar nicht für alle Songs auf „SABLE, fABLE“, aber „Things Behind Things Behind Things“ ist ein guter Kompromiss nach dem jüngeren experimentelleren Weg. Das darauffolgende folkige „Speyside“ ist gar noch näher dran an den Anfängen zu „For Emma, Forever Ago“-Zeiten. Natürlich ist jedem eine künstlerische Weiterentwicklung gestattet. Nur warum diese immer im krampfhaften Elektrifizieren des eigenen Schaffens liegen muss, bleibt ein Rätsel.
Wer nicht-elektrifizierte Songs auf dem fünften Bon-Iver-Album sucht, wird durchaus fündig. „Awards Season“ zum Beispiel. Erst danach wird es in „Short Shorty“ mit dem Autotune-Effekt auf Vernons Stimme wieder experimenteller. Es folgt das Electro-Soul-Stück „Everything Is Peaceful Love“, das Kernstück der Platte, wie Vernon erklärt: „Ich wusste genau, was für ein Album ich machen wollte, an dem Tag, an dem wir den Song aufgenommen hatten. Ich wusste immer, dass dieses Gefühl als Erstes nach außen getragen werden sollte. (…) Die Idee, dass Glück und Freude die höchste Form des Seins sind, dass sie das wahre Fundament des Überlebens bilden – und dass es die Welt heilen könnte, wenn wir uns selbst einfach ein bisschen weniger ernst nehmen.“
Auf „SABLE, fABLE“ weiß auch die poppig-experimentelle Seite zu gefallen (siehe „Walk Home“). Zumindest meistens … „If Only I Could Wait“, das Gastspiel von Danielle Haim (von Haim), geht gerade noch durch. „From“ ist jedoch in seiner Coldplay-haftigkeit unglaublich belanglos und nichtssagend. Sowieso baut das Album gegen Ende leider ab. Aber das kann den positiven Gesamteindruck nicht schmälern.
My Morning Jacket: „is“

Das neunte Studioalbum von My Morning Jacket hatte deren Frontmann Jim James produziert. Für ihren zehnten Streich nahmen sich die US-Alt-Rocker Hilfe von außen und engagierten den erfahrenen Produzenten Brendan O’Brian. Für James, der seit Ende der Neunziger immer in die Albumproduktion involviert war, war dies eine ganz neue Erfahrung: „Es fühlte sich fast wie eine außerkörperliche Erfahrung an, zurückzutreten und die Kontrolle an jemanden abzugeben, der viel mehr erreicht hat und so viel mehr Platten gemacht hat als wir, aber am Ende konnte ich den Prozess vielleicht mehr genießen als je zuvor.“ O’Brian arbeitete nämlich schon mit AC/DC, Bob Dylan, Pearl Jam, Limp Bizkit, Red Hot Chili Peppers und Bruce Springsteen zusammen. Er kennt sich mit verschiedenen Genres aus und hatte die Aufgabe, für „is“ (8 Punkte) aus ungefähr hundert Demoaufnahmen das Beste herauszusuchen.
My Morning Jacket haben wahrscheinlich noch kein Album aufgenommen, das so nah am Mainstream angesiedelt ist, wie dieses. Aber die Band hatte auch eine klare Vorstellung von den zehn Songs, die es auf „is“ geschafft haben. „Ich hoffe, dass diese Songs den Menschen helfen und ihnen eine Art Frieden geben, während sie versuchen, mit dem Wahnsinn der Welt umzugehen – denn das ist es, was die Musik für mich tut, und dasselbe für andere zu tun, ist immer mein größter Traum, der wahr wird“, erklärt James. „is“ ist ein Album voller Wärme; es spendet gute Laune in einer äußerst chaotischen wie kräftezehrenden Zeit. Da hilft es wirklich, solch formvollendete Songs wie das frohlockende „Everyday Magic“, die verträumte Piano-Ballade „Time Waited“, den hoppelnden Ohrwurm „Lemme Know“ und den Geniestreich „Squid Ink“ zu hören.
De Maart
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