Aufs Maul geschaut

Aufs Maul geschaut

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Donnerstagabend im Casino, dem hauptstädtischen Zentrum für zeitgenössische Kunst. Ein Theaterstück für Menschen ab 14 Jahren, organisiert von Traffo. Ein Text des britischen Schriftstellers Nick Hornby in der Inszenierung des Schweizer Theaters „bravebühne“./ Heike Bucher

Allein der Name ist ein Genuss: „Nipplejesus“. Anzüglich und blasphemisch zugleich – wenn das nicht auf der Zunge zergeht. Und doch steht dieser Ausdruck nur für das, was er beschreibt, nicht mehr und nicht weniger: ein Bild vom gekreuzigten Jesus, zusammengestellt aus Hunderten ausgeschnittener Brustwarzen, den Nippeln eben.
Kunst ist Provokation, heißt es zum Schluss des Stücks. Das ist nicht neu, aber für David klingt es doch etwas abgeschmackt. Ein Kunstkenner ist er zwar nicht, dafür einer, der sich die Menschen ansieht und daraus seine Schlüsse zieht. „Es ist doch ganz einfach. Wenn dir die Nase von irgendeinem nicht gefällt, dann behaupte einfach das Gegenteil von dem, was er gesagt hat“, meint er.

Ein ruhiger undsicherer Job

David ist Museumswärter, ein bulliger tätowierter Typ, ehemaliger Soldat und Rausschmeißer eines Nachtclubs. Den neuen Job im Museum hat er seiner Frau zuliebe angenommen, nachdem er im Club von irgend einem jungen Spund mit einem Messer bedroht worden ist. Ja, früher klärte man bestimmte Probleme noch mit den Fäusten, mittlerweile hat jeder Idiot Waffen dabei. Das sei auch ihm zu gefährlich. Deshalb ist er lieber ins Museum gegangen, ein ruhiger Job, der zwar weniger einbringt, dafür aber bessere Arbeitszeiten bietet.
David kann sich nicht erinnern, ob er jemals zuvor in einem Museum gewesen ist. „Ach, egal“, denkt er. Bewachen kann man schließlich alles, ob Türen oder Bilder, egal. Und dann dies: „Nipplejesus“, das 2 mal 3 Meter große Kunstwerk, gemacht von einer jungen Frau. Es zeigt Jesus am Kreuz, von weitem betrachtet eine überaus gut gelungene Abbildung, findet David. Erst, wenn man direkt vor ihm steht, kann man die unzähligen Nippel auf dem Bild sehen. Wirklich erwärmen kann er sich dafür zwar nicht, doch in die Künstlerin, die mit ihrer sympathischen Familie vorbeikommt, verknallt er sich ein bisschen. Und weil sie schließlich wissen muss, was sie tut, kann es so verkehrt gar nicht sein, denkt David. So wird er vom Bewacher zum Verteidiger eines umstrittenen Kunstwerkes, das, wie geplant, für erhebliche Unruhe sorgt, denn: Kunst ist Provokation.
„Nipplejesus“ ist kein Stück, in dem es darum geht, den Kunstmarkt in all seiner Aufgeblasenheit zu demaskieren, im Gegenteil. Kunst ist Kunst, das mag jeder finden wie er will. Aber die Art und Weise, wie David, der Kunstbanause, in diese für ihn so neue Welt schaut, mag die Augen öffnen für den eigenen unnatürlichen Umgang mit Kunst-Objekten.

AuthentischesSchauspiel

Denn wie oft lassen wir uns von großen Namen oder Meinungen anderer beeinflussen, wenn es eigentlich nur darum gehen sollte, die eigene Berührtheit zu beurteilen. Doch unabhängig davon ist Hornbys Text eine überaus amüsante Angelegenheit: zotig, intelligent, abgebrüht und unglaublich witzig. Und der Schweizer Schauspieler Graham Smart wirkt in seiner Rolle so authentisch, dass er gar nicht weiter auffällt, als er schon vor Beginn des Stücks durchs Foyer des Casinos streunt und den ein oder anderen freundlich darauf hinweist, doch bitte das Handy auszustellen, bevor der Schauspieler käme. „Das könnte nämlich ganz schön peinlich werden, wenn es mitten im Stück klingelt und die beste Freundin dran ist.“
Nick Hornby übrigens wird oft als Kultautor und „einziger wahrer Popliterat“ gehandelt. Dabei schaut er den Leuten nur aufs Maul und schreibt auf, was sie sagen. Mehr nicht. Das soll er ruhig weiter machen.

„Nipplejesus“
Nick Hornby

Wer das Pech hatte, den „Nipplejesus“ zu verpassen, bekommt im Juni die Gelegenheit, den Besuch nachzuholen, dann sogar in einer luxemburgischen Übersetzung von Jean-Michel Treinen. Die Künstlervereinigung Maskénada arbeitet gerade an der Inszenierung. Aufgeführt wird in Galerien in Luxemburg und Düdelingen, mit Serge Tonnar in der Rolle des Museumswärters.
Spaß garantiert!

Galerie Nosbaum & Reding
Luxemburg

Am 25., 26.6. und 9., 10.7. jeweils um 19 Uhr und am 27.6. und 11.7. um 16 Uhr

Galerie Dominique Lang
Düdelingen

Am 2. und 3.7. um 20 Uhr und am 7.7. um 16 Uhr
www.maskenada.lu