Anwärter auf die Palme

Anwärter auf die Palme
(AFP/Bertrand Langlois)

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Das Festival nähert sich unaufhaltsam seinem Ende und am Sonntagabend werden die Gewinner feststehen. In der ersten, recht zähen Woche gab es eigentlich nur zwei wirklich gute Beiträge, "Carol" von Todd Haynes und "Son of Saul" von Laszlo Nemes.

Für alle anderen Filme gab es Durchschnittsnoten, wobei der einzige wirklich schlechte nicht unerwähnt bleiben soll: „The Sea of Trees“ von Gus van Sant.

Ein ungeschriebenes Gesetz hier in Cannes besagt: Je näher man dem Ende des Festivals entgegengeht, umso besser werden die Filme. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass man seine eigenen Erwartungen immer weiter herunterschraubt, um endlich ein kleines Glücksgefühl erleben zu können.

Der italienische Regisseur Paolo Sorrentino konnte mit seinen früheren Filmen Publikum und Presse sehr oft begeistern und mit seinem neusten Werk „Youth“ könnte ihm ein weiterer großer internationaler Erfolg gelingen (für la „La Grande Bellezza“ erhielt er 2014 einen Oscar).

„Youth“ erzählt von zwei alten Freunden, die ihren Urlaub in einem schicken Schweizer Hotel verbringen. Sie diskutieren über die Vergänglichkeit, die Liebe und die Frauen, die sie nicht erobern konnten. Fred (Michael Caine) hat den Dirigentenstab definitiv an den berühmten Nagel gehängt, während Filmemacher Mick (Harvey Keitel) noch an einem neuen Projekt arbeitet. Die beiden kennen sich seit Jahrzehnten, haben sich aber immer nur die angenehmen Dinge aus ihrem Leben erzählt.

Sorrentino, bereits zweifach hier in Cannes ausgezeichnet, erklärte bei der Pressekonferenz den Titel folgendermaßen: „Es ist die Zukunft, die uns die Freiheit gibt, und die Freiheit gibt uns das Gefühl der Jugend. Wenn wir die Zukunft betrachten, spüren wir, was es bedeutet, jung zu sein.“ Michael Caine, der in den letzten Jahren oft nur kleine, aber wichtige Nebenrollen spielte, hat hier endlich wieder eine Rolle nach Maß, über die er sich sehr gefreut hat.

Auf die Frage eines Journalisten, ob es richtig sei, dass er seit 49 Jahren nicht mehr nach Cannes gekommen sei, antwortete er: „Ich bin mit ‚Alfie‘ nach Cannes gekommen. Der Film hat einen Preis bekommen und ich nicht. Deshalb bin ich nie wieder zurückgekehrt. Aber diesmal, weil ich den Film so sehr schätze, habe ich beschlossen, zu kommen, ob mit oder ohne Preis.“

Sorrentino bleibt sich und seinem Stil treu und dank zweier hervorragender Schauspieler ist „Youth“ ein authentischer philosophischer Lichtblick im offiziellen Wettbewerb. Bei der Pressevorstellung gab es viel Zuspruch, allerdings auch einige Buhrufe.

Viele Kritiker sehen in „Mountains May Depart“ von Jia Zhang-Ke den Gewinner der Palme 2015. Der Film porträtiert drei Freunde, zwei Männer und eine Frau, in der Zeit von 1999 bis 2025. Einer der Männer verlässt China und wandert nach Australien aus, um dort sein Glück zu finden. Am Ende des Films macht sich der Sohn des Auswanderers auf den Weg zurück in die Heimat seines Vaters und seiner Mutter. „Mountains May Depart“, das sind drei Figuren, drei Epochen, drei Lebenseinstellungen. Am Anfang steht die überbordende Leichtigkeit des Seins, die Jugend. Es folgt die Zeit der Ruhe und am Ende kommt der Blick zurück mit der Frage: Was haben wir mit unserem Leben gemacht?

Sicherlich kein Zufall, dass beide Filme, inhaltlich sehr ähnlich, formal aber sehr verschieden, an ein und demselben Tag im Wettbewerb gezeigt werden. Erstaunlich aber, dass beide nun auch zum engeren Favoritenkreis zählen.

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