
Tageblatt: Frau Tzekov, ein Haus wie die Philharmonie ist nicht nur ein Ort, wo ein erwachsenes Publikum zu Konzerten kommt, sondern hier wird auch die Musik auf besondere Weise an Kinder und Jugendliche weitervermittelt.
Ana Maria Tzekov: Genau. Ich arbeite jetzt seit fünf Jahren in der Philharmonie als Education Manager. Mein Job ist es, besondere Projekte für ein junges Publikum zu kreieren, auszuarbeiten und zu planen. Darüber nachzudenken, wie man Musik auf unterschiedlichste Weisen präsentieren kann, dies für verschiedene Altersgruppen, nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern generell. Wie kann man Menschen dazu bringen, anders mit Musik zu interagieren, anders auf Musik zu hören, anders mit Musik umzugehen?
Also sich auf kreative Weise auf Musik einzulassen.
Ja, eben den Weg zu glätten, sodass jeder auf seine ganz persönliche Art einen Zugang zur Musik findet. Neu dazugekommen ist jetzt vor ein paar Wochen die Orchester-Akademie. Dies ist ein Programm für junge angehende Musiker. Sie müssen zuerst vorspielen und wenn das Niveau gut ist, werden sie angenommen und dürfen im Luxemburg Philharmonic spielen. Zusätzlich erhalten sie ganz viele Aktivitäten und Workshops zur persönlichen Entwicklung. Orchestermusiker zu sein, heißt heute nicht mehr nur, wunderschön zu spielen, sondern auch als Persönlichkeit aufzutreten und sich auf eine Kommunikation mit dem Publikum und externen Partnern einzulassen. Da gibt es Public-Speaking-Workshops, also wie spreche ich vor einem Publikum, oder Workshops, die mehr auf das Körperliche bezogen sind. Wie reagiert mein Körper auf den Beruf? Die Akademisten lernen, sich mental und psychisch auf den Beruf und die Anforderungen einzustellen. Musik machen beinhaltet einen sehr engen Kontakt zwischen Spielen, Instrument und körperlicher sowie auch seelischer Verfassung. Das ist alles eins und um gute Musik zu machen, müssen all diese Faktoren im Gleichgewicht sein. Die dritte Säule sind die Konzerte selbst, wobei die Akademisten sehr viel für die Sponsoren spielen. Da muss man wissen, dass die Orchester-Akademie zum größten Teil von Sponsoren gefördert wird, die den Musikern dann auch die Möglichkeit geben, Konzerte zu spielen und sich selbst vor Publikum auszuprobieren, dies meistens als Ensemble, denn in der Akademie wird auch sehr viel Wert auf Kammermusik gelegt. Genau wie auch auf Barockmusik, die historische Aufführungspraxis wird ja heute für einen Musiker immer wichtiger.

Wo setzen Sie denn die Schwerpunkte bei den Education Programs?
Unser Schwerpunkt liegt in der Zeitspanne von null Jahren, also ab der Geburt, bis zu 18 Jahren. Da bieten wir allen Altersgruppen maßgeschneiderte Programme an. Es gibt aber keinen Schwerpunkt hinsichtlich kultureller Herkunft oder persönlichem Wissen. Man muss also nicht unbedingt ein Instrument spielen, um in den Genuss der Programme zu kommen. Im Gegenteil, sie sollen jedem Spaß machen und sind auch so konzipiert, dass jeder mitmachen kann, egal, von wo er kommt. Es gibt sie auf Luxemburgisch, Deutsch, Französisch und ohne Worte. Unsere Zyklen überschneiden sich immer, also bis zu Zweijährige, Zwei- bis Vierjährige, Drei- bis Fünfjährige, Fünf- bis Neunjährige, Vier- bis Siebenjährige und Neun- bis Zwölfjährige. Ab dem zwölften Lebensjahr ist unser Angebot meistens auf die Schulen fokussiert.
Auf alle Schulen?
Ja, wir bieten Programme für alle Schulniveaus an. Für die Zwölf- bis 18-Jährigen sind das dann hauptsächlich Konzerte. Wir arbeiten aber auch mit Kindergärten. In der Philharmonie haben wir aber das Glück, ganz eigene Produktionen gestalten zu können, mit einem Komponisten, der ein Werk komponiert, einem Regisseur, der es szenisch betreut. Viele unserer Produktionen werden dann von anderen Häusern übernommen. Wir machen auch Koproduktionen. Das ist sehr interessant, weil wir hier auch über klassische Konzertgrenzen hinausgehen können. Wir haben beispielsweise fünf Musiker, die nicht nur spielen, sondern auch inszeniert werden. Sie spielen, tanzen, kommunizieren. Oft nehmen wir einen Tänzer oder einen Schauspieler hinzu und so fließen die verschiedenen Bereiche ineinander über. Es sind interdisziplinäre Projekte. So machen wir um die 27 Neuproduktionen und mehr als 170 Konzerte für Kinder in der Altersgruppe null bis zwölf.
Es gibt aber auch Initiativen, die sich an ein Publikum richten, das älter als 18 ist.
Ja, neu hinzugekommen ist jetzt beispielsweise, dass wir für die ab 18-Jährigen über das Jahr verteilt verschiedene Events anbieten, bei denen wir Trainees von allen möglichen Firmen oder den Europäischen Institutionen zu uns einladen. Also meistens junge Leute, die erst vor kurzem nach Luxemburg gekommen sind, demnach Expats aus allen Berufsschichten. Mit den jungen Erwachsenen findet Networking in einem Raum statt, wo sie sich treffen, es wird ihnen eine Tour vor dem Konzert angeboten, bei der sie mit den Künstlern sprechen können und sehen, was bei einem Konzert so hinter der Bühne passiert. Und dann gibt es das Konzert. Das kommt super an. Dann sind noch die Discovery Nights zu erwähnen, was ein ähnliches Format ist, sich allerdings an Erwachsene richtet. Wir wollen ja verschiedene Publikumsschichten ansprechen, nicht nur die Kenner, sondern auch all die, die neugierig sind und vielleicht noch nie in der Philharmonie waren. Hier wird das traditionelle Konzertformat aufgebrochen: Wir gehen mit den Leuten hinter die Bühne, sodass es zu einem Austausch zwischen dem Publikum und den Menschen auf der Bühne kommt. Nicht nur mit den Musikern, sondern auch mit all jenen, die im Backstage-Bereich tätig sind, wie Bühnenarbeiter, Techniker, Beleuchter usw. Wir wollen die Menschen neugierig machen.
Das ist es, wo wir ansetzen müssen. Nämlich den Leuten die Angst zu nehmen, sie würden etwas nicht verstehen, und sie einfach aufzufordern, das, was sie hören, zu fühlen und zu erleben.
Leider ist es aber so, dass es den Musikunterricht in den Schulen fast nicht mehr gibt und es der mittleren und jungen Generation einfach an Basisinformationen fehlt. Was ist eine Symphonie, was ist eine Sonate, was ist eine Oper? Ist die Philharmonie auch auf diesem Niveau tätig?
Hmm, muss man den Hintergrund wirklich kennen? Aber Sie haben sicher recht, wir müssen versuchen, diese Vorurteile, diese Angst abzubauen. Und vor allem müssen wir einen Weg finden, unser Publikum besser kennenzulernen. In der Tat machen viele Menschen immer noch einen großen Bogen um die klassische Musik, weil sie Angst haben, die Musik nicht zu „verstehen“. Wir merken es oft bei den Gruppenführungen. Die Leute sind verunsichert, weil sie verschiedene Regeln nicht kennen. Muss ich mich schick anziehen? Warum darf ich nicht zwischen den Sätzen einer Symphonie klatschen, wenn es mir danach ist? Verstehe ich denn diese „schwierige“ Musik überhaupt? Ich kann den Leuten viel über den Komponisten und den Hintergrund des Werkes erzählen, was sicher wichtig und lehrreich ist, aber letztendlich zählt nur das, was sie fühlen und während des Konzerts erleben. Und genau das ist es, wo wir ansetzen müssen. Nämlich den Leuten die Angst zu nehmen, sie würden etwas nicht verstehen, und sie einfach aufzufordern, das, was sie hören, zu fühlen und zu erleben. Ihnen zu erklären, dass die 1.500 Menschen, die im Konzertsaal sind, zwar alle das Gleiche hören, aber dass es jeder für sich ganz anders empfindet und erlebt. Es gibt keine falschen Gefühle. Austausch ist enorm wichtig. Was ist Kunst für mich? Was ist Musik für mich? Was empfinde ich bei einem Konzert? Das sind die Fragen, die uns letztendlich weiterbringen.
De Maart
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