Sie kommt auf die Bühne und beginnt zu erzählen, von ihrer vergangenen „liaison pornographique“. In Flashbacks, mal im Monolog, mal im Dialog, rekonstruieren Nicole Dogué (sie) und Francesco Mormino (er) ihre am Anfang so gewollte, rein sexuelle Beziehung. Sie hat sexuelle Fantasien, die sie gerne realisieren möchte, und schaltet eine Anzeige in einer Zeitschrift. Er – eigentlich macht er so etwas ja nicht – reagiert auf die Anzeige, da er sich von ihren Worten angezogen fühlt. Sie treffen sich in einem Café, gehen zusammen in ein Hotelzimmer, haben Sex, verabreden sich für die nächste Woche und haben wieder Sex. Selber Tag, selbe Uhrzeit, selber Ort.
Weitere Vorstellungen:
15., 16., 17., 18., 21., 22., 23., 24. und 25. Oktober
Donnerstags und Sonntags um 18.30 Uhr, alle anderen Tage um 20.00 UhrInfos und Tickets:
+352 22 28 28
[email protected]
www.theatrecentaure.lu
So geht es, ihrer Erinnerung glaubend, etwa sechs Monate, seiner Erinnerung glaubend etwa drei bis vier Monate lang. Sie sagen sich weder, wie sie heißen, noch wo sie wohnen, noch was sie tun. Sie schlafen miteinander. Immer und immer wieder. Beide leben ihre Orgasmen voll aus, sind in Extase, der Sex wird, entgegen der Erwartung, nicht langweilig, ganz im Gegenteil.
Doch irgendwann ist dennoch Schluss, die Angst vor den eigenen Gefühlen, vor zu viel Ehrlichkeit, davor, zu viel von sich preiszugeben und verletzt zu werden, hat sich eingeschlichen. Still und leise, aber dafür umso wirkungsvoller. Der Mut reicht nicht aus. „Wir passen nicht zusammen“, sagt er zum Abschied, obwohl er genau das Gegenteil denkt und vor allem fühlt.
Man könnte meinen, das Script von Philippe Blasband, das 1999 von Frédéric Fonteyne und mit Nathalie Baye in der Hauptrolle verfilmt wurde, sei nur eine weitere der unzähligen mittelmäßigen Geschichten aus Literatur und Film, die von der Unmöglichkeit der Liebe erzählen. Große Leidenschaft zu Beginn, Missverständnisse, verletzter Stolz und Eigenschutz zum Ende. Kein Happy End.
Doch der Text von Blasband ist erstaunlich vielschichtig, sticht durch seine subtilen Beobachtungen der menschlichen Seele hevor und wagt es, Gefühle bis zu den äußersten Wortgrenzen auszusprechen. Seine vordergründige Einfachheit entpuppt sich als komplexe Analyse des Wechselspiels zwischen dem Sich-Hingeben und dem Schutzwall-Aufbauen.
Daraus resultieren eine Grundehrlichkeit und eine Ausgeliefertheit der Figuren, die viel Raum für Empathie und Identifikationspotenzial eröffnen. Besonders auf der Bühne. Besonders, wenn die beiden Protagonisten von solch wunderbaren Schauspielern wie Nicole Dogué und Francesco Mormino gespielt werden.
Behutsame Behandlung des Stoffes
Mormino spielt den eher Zurückhaltenden, den Abwartenden, den sich Anpassenden, „Je ne sais pas“ ist einer seiner Lieblingssätze. Dogué hingegen verausgabt sich, in ihrem Spiel ebenso wie in der Interpretation einer Frau, die zum Äußeren gehen möchte und die genau weiß, was sie will. Eigentlich. Sie reserviert zum ersten Mal das Hotelzimmer, sie spricht über ihre Fantasien, von ihr kommt die erste – und eigentlich auch einzige – Liebeserklärung. Nur am Ende, da hätte sie ein Zeichen von ihm gebraucht …
Der Text bietet unzählige Möglichkeiten, das Stück auf die Bühne zu bringen. Marja-Leena Junker entscheidet sich für eine behutsame Behandlung des Stoffes. Natürlich hat die erfüllte Sexualität ihren Platz in den eineinhalb Stunden, immer wieder, um den Akt zu illustrieren, tanzen die beiden Protagonisten zu Funky-Tönen vor einem Ledersofa. Um stöhnend und Grimassen schneidend zu Boden zu sinken. Natürlich haben diese Szenen etwas Skurriles und Witziges, manche im Publikum lachen, um ihr Peinlich-Berührtsein zu übertrumpfen.
Es sind Sexszenen, die in ihrer unaufdringlichen Nacktheit beeindrucken. Und dennoch sind es die gesprochenen Szenen, jene, in denen sich die beiden, jeder für sich, an die gemeinsame Zeit erinnern, die unter die Haut gehen. Junker lässt ihren Figuren Zeit, jedes Wort bekommt den ihm angemessenen Raum, alles scheint wichtig. Es gibt nichts Überflüssiges in der Inszenierung, Schicht für Schicht legt Junker die Verletzlichkeit eines liebenden Herzens bloß und verfällt dennoch nicht einmal ins Kitschige. Kein Happy End, aber ein wunderbarer Auftakt in die neue Saison des Centaure, denn, was, wenn nicht die Liebe, treibt uns immer wieder um?
 
		    		 De Maart
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