Montag22. Dezember 2025

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KunsteckeAbtei Neimënster vereint drei Ausstellungen unter einem Dach

Kunstecke / Abtei Neimënster vereint drei Ausstellungen unter einem Dach
Eine künstlerische Aufarbeitung der fatalen Folgen des Kolonialismus: die ecuadorianische Künstlerin Isadora Romero Foto: Fernand Weides

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Sommerzeit ist auch Ausstellungszeit. Das Kulturzentrum Abtei Neimënster ist eine derzeit geöffnete und generell offene Institution. Neben Events diverser Art werden dort auch recht unterschiedliche Ausstellungen präsentiert. Das ist in diesen Wochen wieder der Fall. Von Ergebnissen einer Künstlerresidenz über Echos aus den vier Jahreszeiten bis hin zu kritischen Karikaturen und Comics, alles aus Frauenhand, sind drei Expos noch bis Mitte oder Ende September zu sehen.

Haben wir vor zwei Wochen über die Expo „Assembling Grounds. Praktiken der Koexistenz“ im ZKM Karlsruhe unter dem Titel „Kunst als Werkzeug des Wandels“ auch über fairen Umgang mit Samen-Gut berichtet, so offenbart sich die Expo „Humo Semilla Raiz“ („Fume, Root, Seed“) von Isadora Romero nicht nur als Ergebnis ihrer Recherchen anlässlich ihrer Künstlerresidenz in der Abtei Neimënster, sondern auch als eine künstlerische Aufarbeitung fataler Folgen des Kolonialismus u.a. für Menschlichkeit, Biodiversität und Klimaschutz. Anhand von Reisen in vier Länder und mit tiefem Blick in die Familiengeschichte legt die aus Ecuador stammende Romero dar, wie traditionelle Bewirtschaftung in den betroffenen Ländern entfremdet wurde, respektive zur Knechtung der Einheimischen, die schamlos ausgenutzt wurden, geführt hat. Lokale Produkte wurden darüber hinaus für Exporte in andere Weltregionen entfremdet. In Paraguay, Mexiko, Ecuador und Kolumbien hat die Künstlerin das Geschäft mit und den Missbrauch von wertvollem Samen oder Produkten, etwa die Kartoffel, mit Hilfe von dort ansässigen Zeugen und Betroffenen aufgedeckt.

In dieser Ausstellung dokumentiert sie diese Missbräuche auf diverse Weise, entweder in Film und Aussagen von Betroffenen, mit Fotos und anvisierten Produkten oder Dokumenten, wenn es beispielsweise um die Einfuhr der Kartoffel und Tomatenpflanzen nach Luxemburg geht. Dieser „Produkt-Migration“, so das Begleitheft, „followed the colonization of the Americas in 1492 and the introduction of these varieties into Europe in the following years“. Ein spannendes und lehrreiches, risikoreiches Unterfangen, das Romero in einer von Tanui Mishra kuratierten sehr ansehnlichen Expo in den Gewölberäumen der Abtei unter den Stichworten „Rayi“, „Myu Lab“, „Blood is a Seed“ und „Then We Tame the Fire“ dargelegt hat. Man sollte sich Zeit nehmen, die mit Exponaten diverser Art gespickte Schau der international anerkannten Künstlerin in Ruhe zu besuchen. Diese ist es wert.

Echos aus vier Jahreszeiten

Wer nach dieser eindrücklichen Expo „Fume, Root, Seed“ ins Hauptgebäude der Abtei wechselt, kann im unteren Kreuzgang auf den Spuren von Chantal Maquet wandern. Die multidisziplinäre Luxemburger Künstlerin ist durch zahlreiche Ausstellungen mit ihren manchmal in ein seltsames Licht getauchten und oftmals mit real wirkenden Figuren bevölkerten Bildern bekannt. In dieser Schau greift sie einmal mehr ihre Suche nach „Zugehörigkeit, Erinnerung und Identität aus feministischer Perspektive“ auf.

Geschichten über Unterdrückung, Sexismus, häusliche Gewalt
Geschichten über Unterdrückung, Sexismus, häusliche Gewalt Foto: Fernand Weides

Ursprünglich als Reise durch die vier Jahreszeiten geplant, hat die Künstlerin ihr Projekt nun als Spiegelung „saisonaler Echos“ ausgerichtet, wobei sie Stimmungen, Ereignisse, Empfindungen und Situationen aufgreift und diese oft aus ungewöhnlicher Perspektive beleuchtet. In 30 Positionen bietet und hinterfragt sie Landschaften, Spielfelder, Generativität, Liebesbrief, Töchter überlebender Hexen, Kulturpflege oder Sammlung vor dem Festmahl, alles Titel, die sowohl reellen Motiven als auch der „poetisch“ anmutenden künstlerischen Ader der Künstlerin entspringen.

Der aus mittleren und kleineren Werken gestaltete Rundgang wird von „emotional vielschichtigen Klanggemälden“ („Days of Delay“) des in Hamburg ansässigen Multiinstrumentalisten Cyrus Ashrafi auf angenehme Weise begleitet. Die ausgestellten Bilder stehen zum Verkauf, so wie die von Chantal Maquet realisierte Graphic Novel, die über die Expo hinaus ihre Story nachhaltig weiterspinnt.

Bissige Comics zur Genderfrage

Wenn auch streckenweise mit feministischem Unterton, jedoch von ganz anderer Faktur präsentiert sich die dritte derzeit in der Abtei gezeigte Ausstellung. Mit „Perdona, estoy hablando“ wird im ersten Stock in der Abtei-Kapelle die Gender-Thematik humorvoll, teils zynisch und karikierend mit Zeichenstift in Wort und Bild angepackt. 35 Autorinnen aus mehreren Ländern, ob Spanien, Deutschland oder Argentinien, aber alle der spanischen Sprache huldigend, gehen auf unterschiedliche Weise der Frage der Stellung der Frau in der Gesellschaft nach, ob im öffentlichen Leben oder im Familienkreis. Sie tun dies mittels autobiografischer Geschichten, in denen „Träume, Ängste, Enttäuschungen und Hoffnungen“ ausgedrückt werden. Alle Teilnehmerinnen sind in ihren Breitengraden bekannte Comic-Autorinnen. Sie belegen in ihren Geschichten, wie Unterdrückung, Sexismus, häusliche Gewalt, Aufgabenteilung im Haushalt und Kindererziehung, sowie Ungleichheiten in der Bewertung der Arbeit von Mann und Frau sich artikulieren. Natürlich greifen dabei Autorinnen aus Lateinamerika und Europa auf verschiedene Traditionen und Erfahrungen zurück, doch alle wollen sie ihren Beitrag zu dem Titelanspruch der Schau liefern. „Pardon, je parle“ zeigt, wie Frauen mit kritischem Naturell auf ihre Weise das „Wort“ ergreifen.

Ein treffendes Bild oder eine auf den Punkt gebrachte Zeichnung sagen dabei oft mehr aus als langatmige Abhandlungen und markige Parolen. Erfrischend anders könnte man diese Schau nennen, zeugt sie doch von der Lebendigkeit der 9. Kunst, die bekanntlich auch hierzulande einer neuen Blütezeit entgegengeht.
Obwohl die Autorinnen dieser drei Ausstellungen unabhängig voneinander sind, und die ausgestellten Exponate unterschiedlicher nicht sein könnten, haftet diesen drei Schaus jeweils ein kritischer, streckenweise fast rebellischer Hauch an. Das Kulturzentrum Abtei Neimënster erlaubt nicht nur den zahlreichen Touristen ein abwechslungsreiches Erlebnis, auch heimische Kunstinteressierte sollten den Weg in den Kulturtempel im Grund in diesen Tagen nicht scheuen.

Info

„Humo Semilla Raiz“ (Fume, Root, Seed) von Isadora Romero und „Echos Saisonniers“ von Chantal Maquet bis 30. September. „Perdona, estoy hablando“ von 35 Künstlerinnen bis 14. September.