Freitag24. Oktober 2025

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„Alpakas an der Dällt“In der Maison Relais in Schüttringen lernen die Kinder flauschige Lektionen über das Leben

„Alpakas an der Dällt“ / In der Maison Relais in Schüttringen lernen die Kinder flauschige Lektionen über das Leben
Geoffrey, Romeo, Fridolin und Babalou heißen die vier Alpakas der Schüttringer „Maison relais“ Foto: Carole Theisen

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In Schüttringen übernehmen Kinder Verantwortung für vier Alpakas – und lernen dabei ganz nebenbei wichtige Lektionen über Achtsamkeit, Geduld und das echte Leben jenseits des Smartphones. Das Tageblatt war zu Besuch im Stall.

Ein ganz normaler Donnerstagnachmittag in Schüttringen. Fast. Denn auf einer umzäunten Wiese, gleich hinter der „Maison relais“, leben vier Tiere, die man hier nicht unbedingt erwarten würde: Alpakas. Mit konzentriertem Blick und erstaunlicher Selbstverständlichkeit schieben Alice, Leo, Marta, Rafael und Luca – alle zwischen 7 und 12 Jahre alt – ihre Schubkarren in Richtung Misthaufen, als hätten sie nie etwas anderes getan. Und in gewisser Weise stimmt das auch, denn sie sind mit dieser Aufgabe gewachsen.

Leo und die Alpakas haben eine liebevolle Bindung
Leo und die Alpakas haben eine liebevolle Bindung Foto: Carole Theisen

Was hier passiert, ist weit mehr als ein pädagogisches Freizeitangebot – es ist ein gelungenes soziales Experiment. Emeline Mauger (34) und Déborah Ravinger (26), Erzieherinnen in der „Maison relais“, sind zwei der Initiatorinnen eines Projekts, das aus dem Wunsch heraus entstanden ist, Kindern mehr zu bieten als bloße Beschäftigung.

Sie wollten echte Erfahrungen schaffen, die über Spiel und Spaß hinausgehen, Achtsamkeit fördern, Verantwortung und Selbstbewusstsein stärken. Möglich wurde diese Initiative dank der engen Zusammenarbeit zwischen dem Träger der „Maison relais“, „Caritas Jeunes et Familles asbl“, und der Gemeinde Schüttringen.

In der Ruhe liegt die Kraft

Die Wahl fiel auf Alpakas – nicht nur wegen ihrer außergewöhnlichen Erscheinung, sondern vor allem wegen ihrer Wirkung in der tiergestützten Pädagogik. Als sensible Fluchttiere reagieren sie unmittelbar auf menschliches Verhalten: Wer laut ist, wird gemieden. Wer hektisch auftritt, dem gehen sie aus dem Weg. Wer ruhig bleibt, gewinnt ihr Vertrauen – und wird mit Nähe belohnt.

Kinder, die im Alltag oft laut oder ungeduldig sind, werden bei den Alpakas plötzlich ganz ruhig

Déborah Ravinger, Erzieherin

Doch neben pädagogischen Überlegungen spielten auch praktische Aspekte eine Rolle: Ein geeigneter Ort musste gefunden, ein Stall errichtet und genügend Tiere angeschafft werden – Alpakas sind nämlich Herdentiere und dürfen niemals alleine gehalten werden.

Im Mai 2022 zogen die ersten beiden Exemplare ein, zwei weitere folgten im Juli desselben Jahres. Seither wächst das Projekt stetig weiter. Das pädagogische Team absolvierte spezielle Ausbildungen zur artgerechten Alpaka-Haltung, vertiefte sein Wissen durch externe Fortbildungen – und vor allem durch tägliches Lernen im direkten Umgang mit den Tieren.

Die Kinder lernen Verantwortung und scheuen sich nicht vor körperlicher Arbeit
Die Kinder lernen Verantwortung und scheuen sich nicht vor körperlicher Arbeit Foto: Carole Theisen

So kamen Geoffrey, Romeo, Fridolin und Babalou nach Schüttringen: zwei weiße Suri-Alpakas und zwei braune Huacayas – allesamt aus luxemburgischer Zucht. Doch nicht nur die Fellstruktur unterscheidet sie, sondern auch ihr Charakter: Romeo, der ruhige Musterschüler. Fridolin, der eigensinnige Querkopf. Geoffrey, der vorsichtige Abstandhalter. Und Babalou, der entspannte Beobachter.

Der Alltag mit den Tieren folgt keinem starren Ablauf, sondern lebt von Flexibilität – mit einer klaren Konstante: Die Kinder übernehmen Verantwortung. Mehrmals pro Woche besucht eine Gruppe die Alpakas – sofern das Wetter mitspielt und die Tiere in Stimmung sind. Denn Zwang gibt es hier nicht. Wenn Romeo und Co. keine Lust auf einen Spaziergang haben, wird eben der Stall ausgemistet, gefüttert, gestreichelt – oder einfach nur beobachtet.

Ganz wichtig: Wenn die Alpakas nicht in Stimmung sind, dann zwingen wir sie auch zu nichts

Emeline Mauger, Erzieherin

So wirksam das Projekt auch ist, hat es auch seine Grenzen. Um die Tiere nicht zu überfordern, dürfen maximal sechs Kinder gleichzeitig auf die Wiese – stets begleitet von zwei Pädagoginnen oder Pädagogen. Diese Haltung wirkt sich unmittelbar auf die Kinder aus. Die Tiere setzen klare Grenzen – ohne Worte, aber deutlich. Und das nehmen die Kinder auch ernst. Wer nicht will, der muss auch nicht. „Man lernt, dass nicht immer alles auf Anhieb klappt. Wenn die Tiere nicht mitmachen, machen wir eben etwas anderes. Das gehört auch zum Leben“, erklärt Déborah Ravinger.

Die Tiere brauchen tägliche Pflege – auch an Wochenenden. Fünf Teammitglieder teilen sich die Verantwortung. Und obwohl die Arbeit zusätzlich zur Kinderbetreuung läuft, brennt hier niemand aus. Im Gegenteil.

Wenn man sich ihnen mit Respekt nähert, lassen sich die Alpakas streicheln
Wenn man sich ihnen mit Respekt nähert, lassen sich die Alpakas streicheln Foto: Carole Theisen

Besonders beliebt sind die Spaziergänge: Zwei Kinder führen jeweils ein Alpaka über die Wiese, manchmal sogar durch das Dorf. Dabei ist Konzentration gefragt: Straßenverkehr, andere Menschen, Lärm – all das fordert Mensch und Tier. Nur wenn die Tiere mitspielen, findet der Ausflug statt.

Ein weiteres Highlight ist Yoga auf der Alpaka-Wiese. In den Ferien oder an ruhigen Nachmittagen legen die Kinder ihre Matten aus, während die Tiere ganz selbstverständlich um sie herum weiden.

Das Ganze hat jedoch wenig von Instagram-Idylle. Die Kinder misten den Stall, schaufeln Kot, bringen frisches Stroh und Heu. Und das mit Überzeugung. „Ich würde auch nicht in meinem eigenen Kot schlafen wollen“, meint Alice trocken, während sie die Mistgabel schwingt.

Der Mist kann später im eigenen Garten genutzt werden – Kreislaufwirtschaft eben. Selbst mit der Alpaka-Wolle wird gearbeitet: Die minderwertigen Reste werden gefilzt, um Seife gepackt oder zu Kunst verarbeitet. Die gute Wolle soll irgendwann versponnen werden – das Spinnrad steht schon bereit.

Tiere als Spiegel

Die Kinder, die regelmäßig zu den Alpakas kommen, bauen individuelle Beziehungen auf. Leo (7) hat eine besondere Verbindung zu den Tieren. Wenn er sich vor sie stellt, die Augen schließt und still ist, senken auch die Alpakas ihre Köpfe, bis Stirn auf Stirn trifft. „Am Anfang hatte ich ein bisschen Angst, aber jetzt gar nicht mehr“, sagt Leo.

Das Team: (oben v.l.n.r.) Alice, Rafael, Marta, Luca und Leo; unten die beiden Erzieherinnen Déborah Ravinger (l.) und Emeline Mauger
Das Team: (oben v.l.n.r.) Alice, Rafael, Marta, Luca und Leo; unten die beiden Erzieherinnen Déborah Ravinger (l.) und Emeline Mauger Foto: Carole Theisen

Alice (8) erzählt, dass sie sich vor Hunden und Katzen fürchtet. Doch bei den Alpakas sei das anders: „Sie sind viel ruhiger. Und wenn ich sie nicht nerve, tun sie mir auch nichts.“ Die Tiere geben ihr neues Selbstvertrauen. Da sie selbst keine Haustiere hat, blüht sie in ihrer Rolle förmlich auf: „Ich bin glücklich, denn die Alpakas sind die einzigen Tiere, um die ich mich kümmern kann.“

Auch Marta (12) hat wichtige Erkenntnisse gewonnen. Für sie ist das Projekt weit mehr als bloße Beschäftigung: „Man lernt, dass man seine Zeit auch anders verbringen kann – und nicht ständig am Handy hängen muss.“

Mittlerweile interessieren sich auch andere Einrichtungen für das Projekt. Erste Kooperationen wurden angestoßen, Besuche organisiert. Die Nachfrage wächst – und mit ihr die Hoffnung, noch mehr Kindern diesen Zugang zu ermöglichen.

Aktuelles zum Projekt gibt es auf Instagram unter @alpakasanderdaellt.

Die pädagogischen Ziele

– Förderung von Selbstregulation und emotionaler Intelligenz
– Verantwortungsübernahme durch reale Aufgaben
– Achtsamkeit im Umgang mit sensiblen Tieren
– Reflexion von Bedürfnissen – eigener und fremder
– Respekt vor natürlichen Grenzen

Fakten zu den Tieren

Alpakas haben nur Zähne im Unterkiefer – können also nicht beißen. Sie sind kleiner als Lamas und stammen ursprünglich aus den Anden. Spucken tun sie (fast) nie – meistens nur unter Artgenossen. Sie lieben Heu und Gräser. Obst oder Brot? Giftig!

Stip
4. April 2025 - 10.34

Super, endlech emol ëppes Positiwes. Esou mecht een aus Kanner verantwortungsvoll a fridlech Bierger.