Analyse UkraineZwei Jahre russische Invasion: Von der Defensive zur gescheiterten Gegenoffensive

Analyse Ukraine / Zwei Jahre russische Invasion: Von der Defensive zur gescheiterten Gegenoffensive
Seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 sind Zehntausende Soldaten und Zivilisten getötet worden Foto: AFP/Anatolii Stepanov

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Zwei Jahre nach der russischen Invasion hat Kiew viel erreicht, doch 2024 dürfte das bisher schwierigste Jahr für die Ukraine werden.

Maxim aus Uman in der Zentralukraine lebt seit vier Jahren in Warschau und sagt es ganz offen: „Ich kann nicht zurück in die Ukraine, da sie mich dort an die Front schicken werden.“ Natürlich liebe er sein Heimatland, aber für den Waffendienst sei er nicht geschaffen, sagt der schmächtige Dreißigjährige. Später indes gibt er zu, dass man alles lernen könne, auch das Schießen und Töten. „Fünf meiner Jugendfreunde aus dem Fußballclub sind bereits in Zinksärgen zurückgekommen, soll ich mich wirklich auch zu ihnen gesellen?“, sagt er und erzählt von seiner Freundin und den Eltern, die ebenfalls in Polen leben.

Wolodymyr Selenskyj, der Staatspräsident der Ukraine, macht gerade mächtig Druck, damit EU-Staaten zumindest die männlichen Flüchtlinge zurück in die Ukraine schicken. Der Grund ist einfach: Viele Frontsoldaten sind seit zwei Jahren im Dienst, sie müssen endlich abgelöst werden. Dafür fehlte dem Ukrainischen Heer aber eine halbe Million Soldaten. Estland hat eine Rückschiebung wehrfähiger Männer in die Ukraine bereits halbwegs zugesagt, Polen hält sich noch bedeckt, Deutschland hat das Ansinnen Selenskyjs rundweg abgelehnt.

Der Personalmangel ist nur eine Facette des ukrainischen Abwehrkrieges gegen die brutale russische Invasion vom 24. Februar 2022. Dazu kommen Munitions- und Geldmangel, veraltete oder ein bunt zusammengestückeltes Waffenarsenal. Dazu droht auch die Kriegsmüdigkeit der demokratischen Welt und damit einhergehend eine Entsolidarisierung. Wichtige, 2024 anstehende Wahlen könnten diesen Abgrund vertiefen. Angst hat man in Kiew vor allem vor einem Wahlsieg des Putin-Bewunderers Donald Trump in den USA, aber auch Siege wie jener Robert Ficos im kleinen Nachbarland Slowakei im Herbst 2023 und nun wohl im März wohl auch bei den slowakischen Präsidentenwahlen streuen bereits jetzt viel Sand ins Getriebe der dringend nötigen NATO-Waffenlieferungen.

Viel höhere Benzinpreise

Vernachlässigt wurde zudem vom demokratischen Westen, aber auch der Ukraine selbst, der sogenannte Globale Süden, allen voran aufstrebende große Staaten wie Indien, Indonesien, Südafrika oder Brasilien. „Der Ukraine-Krieg ist keine Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Autoritarismus, wie ihr das uns in Europa weiszumachen versucht, sondern es handelt sich um einen nackten Machtkampf in einem ziemlich kleinen Land der Welt, der Ukraine“, sagt Samir Saran, einer der einflussreichsten indischen Politologen, bei einem persönlichen Treffen in Warschau.

Saran wirft der EU, USA und NATO einen „himmelschreienden Euro-Zentrismus“ vor, eine unzeitgemäße Selbstverliebtheit gar. Die Ukraine sei doch de facto ein kleines Land, widerspricht er im Gespräch immer wieder. Wegen dieses unwichtigen Landes namens Ukraine müsse Indien nun zum Beispiel viel höhere Benzinpreise bezahlen, Arme würden noch ärmer, klagt Saran, der die Umweg-Importe von russischem Rohöl nach Europa via zum Beispiel Indien massiv kritisiert. „So kann man natürlich gut EU-Sanktionen gegen Russland einhalten und alle kritisieren, die sie nicht unterstützen“, sagt Saran. Er habe überhaupt keine Position in diesem Konflikt, wehrt er Einspruch ab. „Ich will niemandem von außerhalb vorschreiben, wie er leben muss“, sagt der Politologe und kritisiert genau dies auf Seiten der NATO – aber auch Russlands. „Für uns im Globalen Süden sind beide Konfliktparteien schuld“, sagt Samir Saran.

Immerhin, der ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba hat vor Kurzem eine diplomatische Offensive Richtung Indien und Afrika angekündigt. Zu lange scheint sich die Ukraine nur auf Europa und die USA konzentriert zu haben. Doch auch dort geht inzwischen die Munition aus. Diplomaten in Warschau geben hinter vorgehaltener Hand freimütig zu, dass man die Waffenindustrie-Kapazitäten seit dem Zerfall der Sowjetunion von 1991 und der Unabhängigkeit derer Nachfolgestaaten wie etwa der Ukraine sträflich heruntergefahren habe. In Frankreich bauten staatliche Konzerne ab, in Deutschland waren es private wie Rheinmetall oder Krauss-Maffei Wegmann.

30 Prozent des BIP für Verteidigung

Russland hingegen hat Ende 2023 beschlossen, auf Kriegswirtschaft umzustellen und fortan 30 Prozent (!) des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben. Verteidigung heißt beim russischen Autokraten Wladimir Putin indes Angriff, konkret im Moment auf die Ukraine, bald aber womöglich auch auf Moldawien, das Baltikum und vielleicht sogar Polen.

Allerdings, im Jahr 2024 dürfte es aller Voraussicht nach für Russland bei Angriffen auf die Ukraine bleiben. Bei einem Waffenarsenal-Verhältnis von noch etwa 8:1 zuungunsten Kiews wird sich die Ukraine im laufenden Jahr eher an der rund 1.000 Kilometer langen bisherigen Frontlinie eingraben und diese verteidigen müssen. Die im Sommer 2023 angekündigte Gegenoffensive Richtung Asowsches Meer und Halbinsel Krim ist eh schon vor Monaten zum Stillstand gekommen. Zu groß ist die Luftüberlegenheit der Russen, zu gut haben sie sich in den eroberten Gebieten der Oblasten Saporischschja und Cherson mit bis zu vier Verteidigungsringen eingegraben. Die ukrainische Stadt Melitopol etwa, das Tor zur Krim, ist zwar nur rund 100 Kilometer von dem im Sommer zurückeroberten Dorf Robotyne entfernt, doch für die Ukraine bestimmt nicht vor 2025 erreichbar. Daran würden auch ein paar F-16 Kampfflugzeuge und ein paar „Taurus“-Raketen nichts ändern.

Russland mag die Hauptstadt Kiew im Februar 2022 nicht wie erwartet innerhalb von drei Tagen erobert haben, daraus jedoch abzuleiten, Putin verfüge nur über eine imaginierte Armee ist falsch.

Die Ukrainer müssen im dritten Kriegsjahr laut Experten, etwa des Washingtoner Think-Tanks „Institute for the Study of War“, nun 2024 erwarten, dass Russland die Frontlinie weiter begradigen will. Unter Druck kommen damit die Gebiete im Donbas bei Awdijiwka, Bachmut und Kupjanski im Norden der größtenteils bereits seit Kriegsbeginn russisch besetzten Oblast Luhansk. Gerechnet wird auch mit einer möglichen viel massiveren Attacke auf die einstige 800.000 Einwohnerstadt Saporischschja, die Hauptstadt der gleichnamigen Oblast, die zwei Jahre lang immer fest in Kiewer Hand war. Immerhin, mit einem erneuten russischen Eroberungsversuch Kiews ist eher nicht zu rechnen – zumindest noch nicht 2024. 

Puschkin
25. Februar 2024 - 8.43

Und der Wahnsinn geht munter weiter, oder besser der Kampf gegen Windmühlen. David gegen Goliath ist ein Märchen.

rcz
24. Februar 2024 - 18.41

Ja, bald müssen alle Europäer an die Front da der Ukraine die Soldaten ausgehen! Die Ukraine Fanatiker wollen immer mehr Waffen liefern, doch sie haben keine und glauben dass sie viel stärker sind als die Russen.Doch das steht nur in manipulierten Bilanzen und Statistiken.Ursula und Co glauben fest an die Lügen des Schauspielers President Selenskyj. Sie werden Europa in den Untergang manövrieren.

Nomi
24. Februar 2024 - 17.07

@ Smilla : "wieso kriegt Europa das nicht hin "

Well eis Politiker vun naischt Eppes verstinn, an dovunner onendlech vill !

fraulein smilla
24. Februar 2024 - 17.01

Dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt ,ist Science Fiction . Sollte sie komplett untergehen waere das eine Katastrophe , denn dann muesten europaeische Soldaten fuer die ukrainischen Deserteure versuchen die Kohlen aus dem Feuer zu holen .Was die Munitionslieferungen an die Ukraine angeht , wieso kriegt Europa das nicht hin was Nordkorea und der Iran fuer die Russen hinbekommen .