Mittwoch19. November 2025

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Den Alain spannt den BogenZwei Chorsymphonien und ein Kuriosum

Den Alain spannt den Bogen / Zwei Chorsymphonien und ein Kuriosum
William Christie und sein Ensemble „Les Arts Florissants“ Photo: Sébastien Grébille

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Mit der gewaltigen 3. Symphonie von Gustav Mahler hatte sich das Orchestre philharmonique du Luxembourg diesmal einer besonderen Herausforderung gestellt. Dieses Werk, das mit seinen rund 100 Minuten Spieldauer zu den längsten des Repertoires gehört und bereits im Kopfsatz alles von den Musikern abverlangt, gehört ohne Zweifel zu den besten Symphonien Mahlers, da es auf kongeniale Weise Wunderhornromantik, Klangexperimente, Humanismus und melodische Schönheit miteinander verbindet.

Gustavo Gimeno überließ nichts dem Zufall. Jede Instrumentengruppe war bestens vorbereitet und Gimeno schuf immer genug Raum, damit jede Melodie, jede musikalische Idee zu ihrem Recht kam. All diese musikalischen Fasern waren in ein großes Ganzes eingebettet, sodass die Musik an keiner Stelle zu verfallen drohte. Für den Zuhörer war es wie eine Reise: Überall und quasi zu jedem Moment konnte er wunderbar ausgeleuchtete Farben, thematische Linien und klare Strukturen entdecken und nachverfolgen, die perfekt in ein homogenes Klangbild und Interpretationskonzept passten.

Alle Orchester-Soli waren von außerordentlichem Niveau – überhaupt bewegte sich das ganze Spiel des OPL auf absolutem Weltklasseniveau. Dieser Farbenreichtum, diese innere Dynamik, diese Natürlichkeit und Leichtigkeit im Spiel hätte man sich vor ein paar Jahren noch nicht vorstellen können. Denn gerade in dem einmaligen Schlusssatz, einem der schönsten und ergreifendsten langsamen Sätze, die Mahler je geschrieben hat, bewährte sich die neue Spielkultur des Orchesters und schuf hier einen emotionsgeladenen Höhepunkt.

Dass diese Emotionen aber niemals überschwappten und die Transparenz und Klarheit immer gewahrt wurden, dafür sorgte Gustavo Gimeno mit Meisterhand. Dieser Dirigent wird ganz sicher einmal zu den ganz großen Mahler-Interpreten gehören. Der Wiener Singverein und die Pueri Cantores du Conservatoire de la Ville de Luxembourg waren zudem ein Gewinn für diese Aufführung. Mit intonationssicherer Stimme und warmem Timbre behauptete sich die Altistin Gerhild Romberger als eine ebenso kluge wie stimmprächtige Interpretin für ihr „Oh Mensch! Gib Acht!“.

Der Kammerchor Luxemburg in Hochform

Am Folgetag stand eine weitere Chorsymphonie auf unserem Programm. Der Kammerchor Luxemburg hatte zu einem Konzert mit Beethovens 9. Symphonie geladen und entpuppte sich selbst dann auch als Glanzpunkt dieser Aufführung. Enorm intonationssicher, klar und stimmgewaltig ließ die Interpretation des CCL (Choeur de Chambre de Luxembourg) keine Wünsche offen. Auch die vier Solisten Elizabeth Wiles (Sopran), Jelena Kordic (Mezzosopran), Jonathan Stoughton (Tenor) und Lucian Batinic (Bass) boten eine insgesamt sehr gute Leistung, wenn auch der Bass von Batinic zum Teil etwas grobschlächtig wirkte.

Das European Academic Orchestra (ehemaliges Orchester der Großregion) ist ein projektbezogenes Ad-hoc-Orchester, das 2015 von CCL-Dirigent Antonio Grosu als „Begleitorchester“ für den Chor gegründet und zusammengestellt wurde und seitdem von ihm dirigiert wird. Das Resultat konnte sich durchaus hören lassen: Insbesondere der Schlusssatz gelang überzeugend, wenn die Musiker auch sonst manchmal hörbar an Grenzen stießen – was auch durchaus normal ist und hier nicht als negative Kritik gewertet werden soll. Allerdings muss man aber auch die hohe Spielkultur der Holzbläser hervorheben. Auch wenn man über die langsamen bis sehr langsamen Tempi des Dirigenten diskutieren kann, in denen sich die Innenspannung leider etwas verlor, überzeugten letztendlich doch das Wollen und die Spielfreude des gesamten Ensembles, die einen diese Aufführung von Beethovens Neunter in vollen Zügen genießen ließ. Antonio Grosu und seine Ensembles werden am 29. und 30. März 2022 mit Mozarts Requiem und der 6. Symphonie von Tschaikowsky erneut zu hören sein, später dann am 12. und 14. Juni mit Carl Orffs „Carmina Burana“ und Ravels „Boléro“. Mehr Informationen hierzu gibt es auf www.ccl.lu.

Edler Händel

HändelsL’Allegro, il Penseroso ed il Moderato“ ist ein Werk, das so eigentlich in keine Gattung passt. Es ist weder Oper noch Oratorium oder Ode, obwohl es von jeder Gattung Merkmale enthält. Vielmehr vertonte Händel hier Texte von John Milton und Charles Jennens zu den drei Temperamenten: der Fröhliche, der Nachdenkliche und der Maßvolle. William Christie und sein Ensemble Les Arts Florissants boten dem Publikum einen wirklich edlen Händel, der, wunderbar gespielt und ausphrasiert, farbenfroh und feingliedrig in Sachen Stil, Geschmack und Interpretationskunst, keine Wünsche offen ließ. Altmeister William Christie behielt immer die Balance zwischen kontrollierter Expressivität, analytischer Präzision und lebendigem Gestus.

Die Interpretation blieb in jedem Moment hoch konzentriert und die Arts Florissants bewiesen sowohl im Instrumentalensemble als auch im Chor wieder einmal ihren Rang als eines der besten Barock-Ensembles unserer Zeit. Wunderbar die Soli des Querflötisten Serge Saitta im Duett mit der Sopranistin und von Glen Borling auf dem Naturhorn. Erstklassig auch das Sängerensemble mit Rachel Redmond (Sopran), James Way (Tenor), Sreten Manojlovic (Bass) und einem namentlich nicht genannten Knabenalt aus den Reihen der Sankt Florianer Sängerknaben, der natürlich die ganze Sympathie des Publikums genoss und die Ehre hatte, neben dem Chor die Zugabe zu singen.