MontenegroZerwürfnis zwischen Präsident und Premier erschüttert EU-Anwärter

Montenegro / Zerwürfnis zwischen Präsident und Premier erschüttert EU-Anwärter
Montenegros Regierungschef Milojko Spajic (Bild) hat sich mit dem Präsidenten Jakov Milatovic überworfen Foto: AFP/Henry Nicholls

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Aus dem fernen Brüssel gibt es Lob, zu Hause kriselt es: Nach dem Austritt von Montenegros Präsident Jakov Milatovic aus der Regierungspartei bringt sein Zerwürfnis mit Premier Milojko Spajic den EU-Anwärter ins Trudeln.

Harmonisches Süßholzraspeln war beim jüngsten Besuch eines EU-Emissärs im Land der Schwarzen Berge angesagt. Montenegro sei der „am weitesten fortgeschrittene“ Beitrittskandidat bei dem Verhandlungsmarathon mit der EU, pries Erweiterungskommissar Olivér Várhelyi in dieser Woche Brüssels neuen Musterknaben: „Mit der neuen Regierung und der neuen Parlamentsmehrheit hat Montenegro nicht nur den Willen zu Reformen gezeigt, sondern auch die Fähigkeit, Resultate zu erzielen.“

Aus dem fernen Brüssel rieselt das Lob. Doch zu Hause kriselt es nach Kräften. Nach dem Austritt von Staatschef Milatovic aus der regierenden „Bewegung Europa jetzt!“ (PES) lässt sein Zerwürfnis mit Premier Spajic den Kleinstaat in neue Turbulenzen schlittern: Nach dem Ende der jahrzehntelangen Ära des im letzten Jahr als Präsident abgewählten Dauerregenten Milo Djukanovic (DPS) tun sich im Land der Schwarzen Berge neue Risse und Gräben auf.

Gemeinsam waren die beiden Jung-Ökonomen im November 2020 dem Kabinett des damaligen Premiers Zdravko Krivokapic als parteilose Experten beigetreten: Der heute 36-jährige Spajic übernahm das Finanzressort, der ein Jahr ältere Milatovic das Wirtschaftsministerium.

Nur 14 Monate blieben die Jungminister im Amt, aber sollten sich dank ihres als populistisch kritisierten Wirtschaftsprogramm „Europa jetzt“ bald enormer Beliebtheit erfreuen. Dank der radikalen Absenkung der Abgabenlast kletterten die Durchschnittsnettolöhne um 30 Prozent – und wurde das marode Gesundheitssystem weiter ausgehöhlt.

Gemeinsam gründete das Duo im Sommer 2022 die PES. Dem Sieg des Parteineulings bei den Kommunalwahlen in der Hauptstadt Podgorica folgte im April 2023 der Triumph von Milatovic bei den Präsidentschaftswahlen. Kurz darauf mauserte sich PES bei der Parlamentswahl im Juni letzten Jahres mit Parteichef Spajic als Spitzenkandidat zur stärksten Parlamentskraft.

Vorzeitige Neuwahlen nicht ausgeschlossen

Doch bereits beim Koalitionspoker im Sommer kam es zwischen den beiden EPS-Gründern zum offenen Streit um die Partnerwahl. Ihre Animositäten sollten sich nach dem Amtsantritt der wenig homogenen Fünfparteienkoalition im November verschärfen. Für diese macht der Publizist Stefan Djukic weniger ideologische oder politische als persönliche Differenzen verantwortlich: „Keiner von beiden will die Nummer zwei sein.“

Einst küssten sie sich, jetzt schlagen sie sich. „Die bisherige Arbeitsweise widerspricht den Werten, die ich bei der Gründung der PES im Auge hatte“, begründet Milatovic seinen Bruch mit der Partei. Es sei gut, dass Milotevic die Partei verlassen habe, kontert die PES: Dessen einzige Absicht sei es ohnehin gewesen, die Arbeit der Regierung und der Partei zu „torpedieren“.

Obwohl der Präsident die Absicht der Gründung einer eigenen Partei noch dementiert, gibt es erste Anzeichen einer Parteispaltung. Im Ortsverband Podgorica soll bereits ein Drittel der Mitglieder ausgetreten sein und auch im Parlament hat die PES bereits zwei ihrer 24 Abgeordneten verloren.

Aus den Reihen der Opposition wird bereits der Ruf nach vorzeitigen Neuwahlen laut. Möglicherweise wird Spajic das PES-Zerwürfnis auch zu einem radikalen Umkrempeln der Koalition nutzen: Selbst ein Regierungscomeback der DPS wird in Podgorica nicht ausgeschlossen. Zumindest der Kommentator „Vijesti“ kann dem Streit auch eine positive Seite abgewinnen: „Endlich erhält Montenegro eine starke und glaubwürdige Opposition. Und deren Führer ist schon jetzt Milatovic.“