EditorialZeit der Monster: Der politische Erfolg von Unmoral und Anstandslosigkeit

Editorial / Zeit der Monster: Der politische Erfolg von Unmoral und Anstandslosigkeit
Die Welt brennen sehen: Trump-Unterstützer bei einer Rally in Conway, South Carolina, im Februar 2024 Foto: AFP/Julia Nikhinson

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In den ersten Wochen der ersten Trump-Präsidentschaft trifft sich Jeffrey Goldberg, Chefredakteur des US-amerikanischen The Atlantic, mit Trumps Schwiegersohn Jared Kushner in dessen Büro im Weißen Haus. Sie wollen über den Nahen Osten sprechen, landen aber doch bei einem der vielen verbalen Ausfälle Trumps. „No one can go as low as the president“, sagt Kushner. Niemand kann so tief sinken wie der Präsident. Heute, sieben Jahre später, ist dieser Satz für Goldberg der Moment, der ihm das Rätsel Trump entschlüsselte. „Tief sinken“, das ist keine Kritik. Das ist ein Kompliment. Die Grausamkeit ist nicht das Beiprodukt, sie ist der Schlüssel. Die Leute wollen Trump nicht trotzdem, sondern deswegen.

Wir leben in einer Zeit, in der immer mehr Politiker ihren Mangel an Anstand, an gesundem Menschenverstand, an moralischer Integrität ganz offen zur Schau tragen. Nicht nur in den USA. Rechtspopulisten in ganz Europa keifen von Tabubruch zu Tabubruch, die AfD in Deutschland plant wahrlich Unerhörtes, Ungarns Orban hat jeden Gedanken an europäische Solidarität über Bord geworfen, Putin schon lange die unverfrorene Lüge zum Modus seiner Außen- und Innenpolitik gemacht. Und wir leben in einer Zeit, in der solche Figuren von vielen (nicht der Mehrheit, aber vielen) Menschen genau deshalb bewundert und gewählt werden. Die sich angezogen fühlen von der Unmoral, dem vermeintlichen Anti-Establishment und Rebellentum. Das ist mehr als Politikverdrossenheit, das ist schon der Wunsch, die Welt brennen zu sehen.

Was bleibt den anderen? Wie umgehen mit einem, der keinen moralischen Kompass hat? Die Verteidigung freiheitlicher, demokratischer, humanistischer Prinzipien gegen die Prinzipienlosen erinnert an Poppers berühmtes Toleranz-Paradox: Wie tolerant kann man gegenüber den Intoleranten bleiben, bevor sie einen abschaffen? Die brutale Wahrheit im Jahr 2024 ist: Die liberale Demokratie ist nicht vorbereitet auf solche Menschen. Sie ist anfällig für Zerstörer wie Trump oder seine europäischen Epigonen. Die Verfassung der USA, einer der ältesten Demokratien der Moderne, hat nicht vorgesehen, dass ein Krimineller das höchste Amt des Landes einmal bewusst missbrauchen könnte. In Deutschland plant man, das Bundesverfassungsgericht vor solchen Eingriffen besser zu schützen. In Polen bauen Tusk und seine Koalitionäre mühsam wieder auf, was die PiS an Rechtsstaatlichkeit zerstört hat.

Vor beinahe 100 Jahren schrieb der italienische Marxist Antonio Gramsci, von den Faschisten eingekerkert: „Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren. Es ist die Zeit der Monster.“ Gramscis berühmte Charakterisierung der Zwischenkriegsjahre, sie lässt einen noch heute erschaudern. Auch wir leben in einem Interregnum, einer Zwischenzeit, einer Zeit der Monster. Die Weltordnung, die sich im vergangenen Jahrhundert der Ideologien verfestigt hatte und die seit dem Ende des Kalten Krieges gar alternativlos erschien, ist ins Wanken geraten. Eine bessere und gerechtere Zukunft für alle ist nicht der einzige mögliche Ausgang.

ökostalinist
15. Februar 2024 - 12.31

Wie man derzeit in Österreich (Graz, Salzburg) beobachten kann, gibt es eine Methode, um Rechtspopulisten und -Extremen (die sind NIEMALS radikal, denn die fassen die Probleme NICHT an der Wurzel!) den Boden unter den Füßen wegzuziehen: echte, linke Politik. Die bezieht auch sogenannte "sexuelle Minderheiten" mit ein. Man sehe sich übrigens auch den Film PRIDE an, der sehr gut zeigt, wie Arbeitskampf und Kampf für sexuelle Selbstbestimmung Hand in Hand gehen, wenn man ein historisches Beispiel sehen will.

JJ
15. Februar 2024 - 8.44

Das ganze Land ist dabei tief zu sinken. Es wird gefährlich

Grober J-P.
14. Februar 2024 - 14.23

" sexuellen Minderheiten " ? He, komme nicht drauf, bitte um Hilfe.

Grober J-P.
14. Februar 2024 - 14.20

"Menschen genau deshalb bewundert und gewählt werden." Was würden die machen, wenn sie denn mal Hirn hätten? Bitte einmal Inerviews auf Foxnews zuhören, man kommt nicht aus dem "Bewundern" raus.

luxmann
14. Februar 2024 - 13.42

Der vermeintlich gute betitelt den gegner als monster den man verbieten muss. Ein wahrlich altes und primitives lied das immer gerne wieder aufgelegt wird.

Heuchler
14. Februar 2024 - 13.36

Wie gestalten wir die Demokratie damit den etablierten Erben nichts passiert? Und damit die Leute glauben, die Reichen hätten ihr Geld verdient. Irgendwie muss eine Lösung gefunden werden.

fraulein smilla
14. Februar 2024 - 13.12

@ Hottua Der Wiederstandskaempfer Henri Koch Kent ,der mit den Pfaffen aber auch gar nichts am Hut hatte nennt den Wort Chef Redakteur Abbé Jean Babtiste Esch einen Alliierten im Kampf gegen Nazideutschland . (Allemagne tentaculaire ) .Er ( Koch Kent ) beschwor ihn vor der Invasion das Land zu verlassen ( Dè schloen dech doed Batty )" Je lui dis aussi que , même si sa place était réservée au ciel ,cela ne l'autorisait pas à ce faire expédier au paradis par les nazis " Henri Koch -Kent Vu et ENTENDU souvenirs d'une époque controversée 1912-1940 page 338 -339

Robert Hottua
14. Februar 2024 - 10.08

Eine tabuisierte Vergangenheit ist der Nährboden für eine ungebrochene Kontinuität. ▪ Die Bereitschaft, für Ideale offen ins Feld zu ziehen. (1992) "Die 'linke' Jugend des 'Kolleisch' war in den dreißiger Jahren begeisterungsfähig und bereit, für Ideale offen ins Feld zu ziehen. Wir begeisterten uns aktiv für die Freiheit, für Wahrheit und Recht, wir entlarvten Lüge und Heuchelei in Politik und Wirtschaft mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln und scheuten uns nicht, offen für das, was wir als erstrebenswert ansahen, einzustehen. Und wir wußten, daß enthusiastisches Agieren gegen die etablierten Mächtigen uns Nachteile und Schaden einbrachte. Wir hatten die zwei Hauptgegner der Freiheit im Visier: den immer totalitärer sich gebärenden Klerikalismus, der die Religion als Mittel der Politik mißbrauchte, der die Menschenrechtserklärung der amerikanischen und der französischen Revolution, welche die Trennung von Kirche und Staat gefordert hatten, mit pechschwarzer Tinte überstrichen und ausgelöscht hatte, und dann den in Deutschland sich mächtig expansionistisch - fresch fordernden nationalsozialistischen Faschismus der Herren HITLER und Konsorten. Wir waren Gegner des Klerikofaschismus. Wir sahen die aggressive Bedrohung und wehrten uns dagegen, weil sich Klerikalismus und Faschismus in unserem Lande mit Sympathie begegneten." (Armand MERGEN: Letzebuerger Journal, 27.02.1992) (Zitiert aus dem Buch: Henri KOCH-KENT raconte …, Imprimerie Centrale S.A., Luxembourg, 1993, Seite 78) MfG Robert Hottua

fraulein smilla
14. Februar 2024 - 8.57

Das " Monster " Trump ist weder vom Himmel gefallen noch ist es aus der Hoelle enstiegen . Haetten die US Demokraten ihren Stammwaehler ,den weissen Arbeiter nicht wie eine heisse Kartoffel fallen gelassen und sich stattdessen den WehWehchen von sexuellen Minderheiten zugewannt dann waere Trump nie President geworden und das trotz der grottenschlechten Kandidatin Hillary .