Es war ein Bild wie aus früheren Tagen. Auf dem sonnendurchfluteten Wenzelsplatz versammelten sich am Samstag Zehntausende Prager unter tschechischen und auch unter roten Fahnen. Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Nationalisten waren hier versammelt, um ihren Unmut über die aktuelle Politik der Koalitionsregierung unter Petr Fiala (Bürgerdemokraten, ODS) auszudrücken.
Die Solidarität Tschechiens mit der von Russland überfallenen Ukraine ist nach wie vor groß. Man weiß hierzulande noch sehr genau, wie es sich anfühlt, wenn die Panzer der Okkupationstruppen durch die Städte und Gemeinden rollen. Tschechien, mit seinen 10,5 Millionen Einwohnern, nahm schon in den ersten Kriegsmonaten 400.000 ukrainische Flüchtlinge auf.
Doch die Inflationsrate liegt bei 17,5 Prozent und damit weit über dem EU-Durchschnitt, schon jetzt wissen die Bürger nicht, wie sie die steigenden Energiekosten im Herbst und Winter mit ihrem spärlichen Haushaltsbudget begleichen werden. Von der Regierung gab es bislang lediglich eine Einmalzahlung in Höhe von 5.000 Kronen (etwa 204 Euro) für Kinder – und das auch nur unter bestimmten Bedingungen. Zwar versprach die Regierung für Oktober eine Preisdeckelung bei den Energiekosten, doch wie diese aussehen soll und welche Bevölkerungskreise oder Unternehmen davon profitieren könnten, ließ die Politik bislang noch offen.
Reagiert Fiala falsch?
„Die Versammlung in Prag haben solche Kräfte organisiert, die zu extremen Positionen neigen, dazu gehören vor allem prorussische und Putin-freundliche“, sagte Premier Fiala nach den Protesten. „Es ist klar, dass es auf unserem Territorium russische Propaganda und Desinformationskampagnen gibt und manche Personen einfach darauf hören“, kritisierte der Regierungschef.
„Demonstranten ohne jegliche Beweise zu verunglimpfen, das habe ich schon 2012 unter der ODS-Regierung erlebt. Sie gehen immer noch den falschen Weg, Herr Ministerpräsident“, entgegnete der Präsident des Böhmisch-Mährischen Gewerkschaftsbundes (ČMKOS), Josef Středula. Unter den Demonstranten waren viele Vertreter der Mitorganisatoren von der euroskeptischen und nationalkonservativen Hnuti Trikolóra sowie von der kommunistischen KSČM zu sehen, doch waren in der Menge auch zahlreiche Gewerkschafter und Sozialdemokraten zu finden, die ihren Unmut über die Regierungspolitik äußern wollten.
Mit einer bloßen Diffamierung der Protestierenden wird Fiala keine Lösung des Problems finden. Denn die Straße, so kündigten es die Demonstranten an, wird keine Ruhe geben. Wie Gewerkschaftschef Středula erklärte, werden die Kundgebungen nur häufiger und stärker gegen die Politik der aktuellen Regierung vorgehen. Bereits für den 28. September ist eine weitere Demonstration in Prag angekündigt. Zuvor – in drei Wochen – werden Kommunalwahlen in Tschechien ein Urteil über die Politik der Koalition abgeben.
De Maart
"Doch die Inflationsrate liegt bei 17,5 Prozent und damit weit über dem EU-Durchschnitt,"
Wird das so allgemein angenommen?
Meine Inflationsrate liegt dann auch weit über dem EU-Durchschnitt.