Freitag31. Oktober 2025

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EditorialWürdelos vor der Geschichte: Nach Assads Fall ruft Europa seinen Basar der Gehässigkeiten aus

Editorial / Würdelos vor der Geschichte: Nach Assads Fall ruft Europa seinen Basar der Gehässigkeiten aus
Syrerinnen und Syrer feierten nach dem Fall Assads auch in Europas Städten – weite Teile der europäischen Politik besaßen nicht die Größe, diesen Moment zu würdigen Foto: AFP/Xavier Galiana

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Man wundert sich ja kaum mehr. Die Krisen und Kriege unserer Zeit haben die Eskalation zur neuen Normalität gemacht. Überall, wo es brennt, findet sich verlässlich jemand mit einem Ölkanister, der bereitwillig nachgießt. Den Europäern fällt das Reagieren auf die anhaltenden Verschiebungen in der Welt zusehends schwer. Der Umsturz in Syrien hat es erneut gezeigt.

Noch während sich feiernde Syrerinnen und Syrer in Europas Städten voller Freude über das Aus des Massenmörders Assad in den Armen lagen, begann das viel zu laute Lechzen nach raschen Abschiebungen, Rückführungen, „Remigrationen“, Heimreiseoptionen. Wie auch immer man das Vorhaben nennen mag, diesen Leuten ein für alle Mal klarzumachen, dass sie hier nicht gewollt sind, es ist zynisch. Und auch nicht besonders gescheit, weder politisch noch wirtschaftlich.

Trotz der völligen Ungewissheit um die Zukunft Syriens wollte kaum jemand das kleine Zeitfenster verpassen, in dem das Land nach einem halben Jahrhundert Diktatur kurz einmal Luft holen kann. Ob die Islamisten, die Assad vertrieben haben, tatsächlich so handzahm sind, wie sie sich der Welt vorstellten, bleibt abzuwarten. Vor allem aber ist Syrien ein ziemlich kompliziertes Land, noch dazu übelst geschunden von 14 Jahren Krieg und Krise, über dessen weitere Zukunft – das sollten wir uns eingestehen – sich nichts, nichts und nochmal nichts voraussagen lässt.

Und trotzdem öffneten wir Europäer gleich übereifrig unseren eigenen kleinen Basar der Gehässigkeiten. Wer setzt die laufenden Asylverfahren von Syrerinnen und Syrern zuerst aus? Wer zieht nach, wie schnell? Wer ruft gar gleich nach Abschiebungen? Und zuletzt: Wer zahlt den Leuten am meisten Geld, damit sie sich zurückmachen in ihre ehemalige Heimat? Die Konservativen aus Österreich, verlässlich rechts voranpreschend in Migrationsfragen, rufen laut 1.000 Euro Prämie aus. Die Sozialdemokraten aus Dänemark lassen sich nicht zweimal bitten und toppen das Angebot. Viele andere gehen auf eine ähnliche Schiene. Nach der Aufhebung der Sanktionen, die auf Syrien und seinen Menschen lasten, ruft niemand. Wäre ja auch verfrüht.

Die europäische Politik hat sich mal wieder von niederen Instinkten leiten lassen. Dass, falls in Syrien tatsächlich Ruhe einkehren sollte, ein möglicher Schutzstatus für Menschen aus dem Land anders diskutiert werden muss, ist richtig. Doch im Moment des Umsturzes Assads danach zu schreien, ist nicht nur taktlos, sondern auch würdelos. Und falsch dazu. Viele Syrerinnen und Syrer sind bereits seit Jahren in Europa und haben längst eine Arbeit gefunden. In Zeiten von Arbeitskräftemangel fähige Menschen wegschicken zu wollen, ist nicht nur Populismus der plumpsten Sorte, es ist auch ziemlich dumm.

Europas politische Landschaft ist derart im Griff des extrem rechten Diskurses gefangen, dass in weiten Teilen die Denkfähigkeit abhandengekommen zu sein scheint. Damit Rechte etwas nicht sagen oder tun müssen, prescht man einfach vor und sagt und tut es selbst. Die traurige Posse um die Zukunft der Syrerinnen und Syrer auf europäischem Boden ist nur das jüngste Beispiel. Wie gesagt, es kam nicht wirklich überraschend und konnte damit auch kaum verwundern. Fremdschämen geht leider auch nicht in dem Fall. Es sind wir, die so sind.

Dunord Hagar
18. Dezember 2024 - 5.31

Zitat: "...wie man die aktuelle Situation meistern will..."
Indem man so schnell wie möglich mit der Rückführung beginnt!
Wie schon erwähnt - der Realitätsverlust der linksgrünen Parteien ist unerträglich! -

Müller Erwin
17. Dezember 2024 - 15.03

Man kann Syrien nur Frieden und ruhe wünschen, allerdings sind diese Hoffnungen sehr gering in dem ständingen Pulverfass dass sich Naher-Osten nennt. Ja es ist gut dass Assad weg ist, wird ein IS nun besser ? Sicherlich nicht für jeden. Ist es verfrüht nun bereits von Rückführung zu sprechen? Ja! Muss dieses Thema angesprochen werden? Auch hier JA! Das Problem der gesamten Flüchtlingspolitik, jener unserer ultra-links Parteien auch ist die unerträgliche Passivität. Ja wir nehmen Flüchtling auf, stecken diese dann in total überfüllte Infrastrukturen (Don Bosco lässt Grüßen), gibt ihnen keinerlei möglichkeiten der eigenbestimmung (Keine Arbeit, keine Aussichten auf Wohnung oder Selbstversorgung) dies über Jahre und dann wundert man sich wenn die Kinder jener Generation sich leicht radikalisieren lassen!? Wir legen doch selbst den Nährboden für dieses Gedankengut. Hinzu kommen dann noch die Reportagen über Gewalt und sexualisiertegewalt und man wundert sich warum die Stimmung bei den Bürgern Europas umgeschlagen ist... Nicht wirklich oder? Es wäre an der Politik mal klare Linien zu ziehen wie man die aktuelle Situation meistern will, klar wird dies nicht jedem gefallen aber allemale besser als diese Leute in Flüchtlingszentern wegzusperren und dann heuchlerich sich als Schutzpatrone der Armen und Unterdrücken darzustellen und als einziges Bollwerk gegen Rechts. Die Tatsache dass Rechts überhaupt wieder aufkommt ist das Nichthandeln und der Realitätsverlust der politischen Linke! Dies ist wahrlich eine bittere Pille, aber eine die geschluckt werden muss!

Guy Mathey
16. Dezember 2024 - 17.14

Respekt Herr Back, für diesen wichtigen Artikel, welcher die traurige aktuelle Realität präzise beschreibt!
Der starke Einfluss der rechtsextremen Parteien auf die Alltagspolitik, auch in Ländern, wo sie noch gar nicht an den Schalthebeln der Macht sitzen, nimmt immer deutlichere Konturen an.
Viele aus Syrien geflüchtete Menschen haben sich in europäischen Ländern eingelebt und diese zu ihrer zweiten Heimat erkoren.Sie müssen jetzt und in Zukunft frei entscheiden dürfen, wo sie leben wollen.
Wie es in Syrien weitergeht kann derzeit niemand verlässlich einschätzen, dies trotz der absolut berechtigten Freude über das Ende der Assad-Schreckensherrschaft.
Von der Regierung erwarte ich, dass die Asylverfahren unverzüglich wieder aufgenommen werden und niemand zwangsweise nach Syrien abgeschoben wird, mit Ausnahme von verurteilten Verbrechern, welche ihre Strafe abgesessen haben.
Von den derzeit erschreckend stillen Oppositionsparteien erwarte ich, dass sie dbzgl endlich massiven Druck auf die Regierung ausüben und sich klar auf die Seite der Geflüchteten stellen.

Leila
16. Dezember 2024 - 11.05

Jeder, der auch nur einen Funken Mitgefühl mit der syrischen Bevölkerung hat, musste sich doch über den Sturz Assad's mitfreuen! Ein grausamer Clan, der wie in 1000 und 1er Nacht lebte ist weg vom Fenster! Es geht auch jetzt nicht um die Religionsfreiheit in Syrien, sondern darum, dass das "christliche" Europa vorgibt, so edel zu sein (liebe deinen Nächsten wie dich selbst...) mit allen im Artikel Angeklagtem (und Tatsächlichem), Lügen straft. Verständlich wäre nur gewesen, ALLE kriminellen, bei uns straffällig gewordenen Flüchtlinge in ihre Herkunftsländer OHNE finanzielle Belohnung zu entlassen, nicht nur Syrer! Ich wüsste nicht, was mit den Befreiern schrecklicher werden könnte, als es vorher war. Schlimm, dass dieser Artikel geschrieben werden musste...

Jo
16. Dezember 2024 - 9.46

Sie haben den Nagel auf dem Kopf getroffen.
Die von ihnen besprochene Situation/Dpllermoral ist der Grund wegen der die normalen Bürger kein Vertrauen mehr im Politischen System haben.

RCZ
16. Dezember 2024 - 8.35

Bei Assad gab es Religionsfreiheit, die wird es mit den Islamisten nicht geben! Da will man nicht Christ sein und sollte besser flüchten! Das Christentum hat den Propheten Jesus zu Gott gemacht. Das geht im Islam überhaupt nicht. Mit dem IS in Syrien wird es nicht besser als mit Assad.