Montag24. November 2025

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KonzertberichtWolf Alice: Pop/Rock-Lametta 

Konzertbericht / Wolf Alice: Pop/Rock-Lametta 
Bei Wolf Alice dreht sich alles um Frontfrau Ellie Rowsell Foto: Editpress/Hervé Montaigu

„Es war das zweite Mal, dass ich Wolf Alice gesehen habe – und sie waren so gut. Außerdem ist das Atelier wahrscheinlich der einzige Club, in dem ich bei Konzerten etwas sehen kann.“ Das war am Freitagabend das rundum zufriedene Fazit von Jennifer aus Saarbrücken. Sie stand auf dem Balkon und war gerade Zeuge des bereits dritten Luxemburg-Gastspiels der britischen Band Wolf Alice gewesen. 

Eine Band, die auf der Insel längst durchgestartet ist und schon mit den Foo Fighters auf Tour war, in einer solch intimen Atmosphäre, wie sie das Atelier bietet, live erleben zu können, ist heutzutage eine Seltenheit. Aber genau das macht den Luxemburger Club seit Jahren aus. Er ist ein Mekka für junge, aufstrebende sowie etablierte Acts und für alle Konzertbegeisterten in der Großregion.

Bevor Wolf Alice die Bühne betraten, standen dort Florence Road, vier Irinnen, die sich seit Kindertagen kennen. Sie machen seit 2019 Musik und haben im Juni ihre erste EP „Fall Back“ veröffentlicht. Warner Music hatte sie zuvor unter Vertrag genommen. Hier hat der Branchenriese ausnahmsweise mal ein gutes Händchen bewiesen und sich keine weitere Trendpop-, sondern eine junge Rockband geschnappt. Dass Florence Road Potenzial haben, dürfte nach diesem Auftritt außer Frage stehen. Die Menge vor der Bühne applaudierte zwischen den Songs lautstark, was Sängerin und Gitarristin Lily Aron wieder und wieder ein breites Grinsen ins Gesicht zauberte.

Dann kamen Wolf Alice. Sie hatten im Hintergrund einen Vorhang aus riesigen Lametta-Streifen angebracht. Lametta war in den Siebzigern und Achtzigern das Lieblingsutensil vieler beim Christbaumschmücken – bevor man realisiert hatte, dass dies keine allzu ökologisch sinnvolle Wahl war. Nicht ganz zufällig kokettieren Wolf Alice auf ihrem aktuellen vierten Album „The Clearing“ mit der Musik aus den Siebzigern. Sie wollten laut eigener Aussage ein klassisches Pop/Rock-Album konzipieren. Fast die Hälfte der am Freitag gespielten Songs stammten davon.

Rowsell Dreh- und Angelpunkt

Bei Wolf Alice dreht sich eigentlich alles um Frontfrau Ellie Rowsell. Die Songs scheinen um ihre Stimme herum komponiert zu werden. Sie ist ihr Dreh- und Angelpunkt und orchestriert diese mit ihrer Stimme. Im Atelier ging es mit der Ballade „Thorns“ los, gefolgt von „Bloom Baby Bloom“, dem eindringlichen Hit auf „The Clearing“, in dem sie erstmals ihr ganzes Stimmvolumen ausreizen konnte. Wenn sie mit Verve agiert und beherzt schreit, geht einem das Herz auf. Doch die neuen Lieder sind oft von softer, fast zaghafter Natur, weshalb Rowsell selten dazu kommt, sich stimmlich auszutoben. Das ist vielleicht das kleine Manko im Hinblick auf die neuen Lieder. Sie sind beileibe nicht schlecht, aber sie könnten etwas mehr Pep vertragen.

Vielleicht dauerte es auch deshalb etwas, bis Band und Publikum auf einer Augenhöhe angekommen waren. Die Zuschauer waren von Beginn an Feuer und Flamme und fraßen Rowsell, Gitarrist Joff Oddie, Bassist Theo Ellis, Keyboarder Ryan Malcolm und Schlagzeuger Joel Amey aus der Hand. Letztere wiederum tauten erst nach einigen Songs auf. Da spielten sie gerade „How Can I Make It Ok?“ vom Vorgängeralbum „Blue Weekend“. Der Song ist musikalisch gar nicht mal spektakulär, wäre da nicht Rowsells Stimme, die das Stück in eine ganz andere Sphäre zu transportieren vermag. Mit der sich langsam aufbauenden Musik füllten sie klanglich den kompletten Saal und drangen bis in die letzte Ecke vor. Großartig. Das war ihnen mit den ruhigen Stücken bis dahin nicht gelungen.

Wenn sie beherzt schreit, geht einem das Herz auf
Wenn sie beherzt schreit, geht einem das Herz auf

Von da an war die Verbindung zwischen Band und Publikum enger, und die Softrock-Ballade „The Sofa“ kam zum richtigen Zeitpunkt. Flugs ging es zurück ins Jahr 2015, genauer gesagt zu ihrem Debütalbum „My Love Is Cool“. „Jump up and down with us. Come on“, forderte der groß gewachsene, blondierte Gitarrist Oddie die Fans auf und stimmte den Ohrwurm „Bros“ an. Während „Bread Butter Tea Sugar“, einer Fleedwood-Mac-Reminiszenz der Briten, räkelte sich Rowsell, die ihre Augenlider mit silbernem Glitzer geschminkt hatte, im Luftstrom des vor ihr positionierten Ventilators. Das erinnerte entfernt an eine Protagonistin aus einem für die 70er- oder 80er-Jahre typisch lasziven Werbeclip.

Publikumsnähe

Es folgte das nächste Highlight: „Yuk Foo“. Jetzt durfte Rowsell wieder ihr ganzes Können zeigen. Die Gitarre war auf volle Lautstärke gedreht und schön verzerrt, und sie schrie durch ein Megafon ins Mikrofon. Dazu gab es ein Blitzlichtgewitter. Das erinnerte an eine Punk-Edition von Wolf Alice.

Auch gegen Ende ihres regulären Sets ging das Quintett noch mal energischer und rockiger zur Sache. Sie traten schließlich mit „Smile“ ab. Und im Publikum konnte man viele glückliche Gesichter ausmachen. Über zwei Minuten wurde gejubelt, ehe Wolf Alice zurückkehrten. Für die erste Zugabe „Safe From Heartbreak (If You Never Fall In Love)“ gesellte sich Rowsell sogar in die Menge. Das war überraschend und für die Fans in ihrer Nähe sicherlich ein unvergesslicher Moment. Zum guten Schluss gab es noch ihren 2017er Hit „Don’t Delete The Kisses“.

Wie viele sich dann beim Rausgehen ein T-Shirt für üppige 45 Euro gekauft haben, ist nicht bekannt. Aber wer das Geld nicht investieren wollte, dem bleibt die Erinnerung an diesen tollen Konzertabend im ausverkauften Atelier. In solch geselliger Atmosphäre wird man Wolf Alice sicherlich nicht mehr oft zu Gesicht bekommen.  

Frontfrau Ellie Rowsell suchte die Nähe zu den Fans
Frontfrau Ellie Rowsell suchte die Nähe zu den Fans Foto: Editpress/Hervé Montaigu