Montag27. Oktober 2025

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Militärexperte im Interview„Wladimir Putin muss sich auf einen Krieg nach dem Krieg einstellen“

Militärexperte im Interview / „Wladimir Putin muss sich auf einen Krieg nach dem Krieg einstellen“
Ein Freiwilliger mit einem Gewehr in der Hand schützt am 25. Februar eine Hauptstraße, die nach Kiew führt  Foto: AFP/Daniel Leal

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Der ehemalige Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Ex-Generalinspekteur Harald Kujat, über die Gefahr einer militärischen Eskalation an der NATO-Ostflanke, einen Guerilla-Krieg der Ukrainer gegen Russland und einen möglichen Atomwaffenbefehl von Wladimir Putin.

Tageblatt: Herr Kujat, will Wladimir Putin die ganze Ukraine oder begnügt er sich mit den sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk?

Harald Kujat: Ich war der Meinung, die russischen Streitkräfte würden lediglich die beiden Volksrepubliken besetzen und deren Gebiete auf die ehemaligen Verwaltungsbezirke Luhansk und Donezk ausdehnen. Der Überfall auf die gesamte Ukraine ist für Putin ein Risiko. Ich hatte Zweifel, ob er diesen großen Fehler begehen würde. Wir sehen jetzt aber eine großangelegte Invasion, deren Ziel auch die Absetzung der gewählten Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj ist. Die russischen Streitkräfte sind hochmodern ausgerüstet und demonstrieren, wie ein Krieg im 21. Jahrhundert geführt wird. Zunächst werden die ukrainischen Luftstreitkräfte, die Luftverteidigung und Kommandozentralen mit weitreichenden Waffensystemen ausgeschaltet. Luftlandeeinheiten sichern Flugplätze für die eigenen Luftstreitkräfte und besetzen strategische Schlüsselpositionen. Dann greifen Kampfhubschrauber und schließlich die Landstreitkräfte mit gepanzerten Verbänden in die Kampfhandlungen ein. Auf diese Weise wird das Risiko für den Vormarsch russischer Bodentruppen so gering wie möglich gehalten.

Der Überfall auf die gesamte Ukraine ist für Putin ein Risiko

Mit welchem Widerstand muss Putin rechnen?

Wladimir Putin muss sich auf einen Krieg nach dem Krieg einstellen. Das war für mich auch der Grund, weshalb ich Zweifel hatte, dass er diese Option wählt. Am Beispiel der Sowjetunion in Afghanistan kann Putin doch sehen, wie lang, verlustreich und letztlich erfolglos ein Guerillakrieg ist. Auch in der Ukraine könnte ihm so etwas drohen, wenn etwa die USA den Widerstand der Ukrainer mit Waffen unterstützen, so wie sie die Mudschaheddin seinerzeit mit Flugabwehrwaffen und anderen modernen Waffen ausgerüstet haben. Die großen Verluste, die die Sowjets in Afghanistan hatten, sind in Russland bis heute präsent. Es besteht also auch die Möglichkeit, dass die Stimmung im Land kippen und sich auch gegen den Präsidenten richten könnte. Putin hat ja selbst gesagt: Russland und die Ukraine seien zwei Staaten, aber ein Volk. Das heißt, er führt einen Bruderkrieg, der zu Hause nicht gut ankommt. Die ersten Proteste haben bereits stattgefunden, sie werden sich über die Zeit noch verstärken.

Helfen Waffenlieferungen jetzt noch?

Waffenlieferungen vor der russischen Invasion hätten Putin nicht abgeschreckt, sondern zu einer Verlängerung des Widerstands und damit zu einem höheren Blutzoll der ukrainischen Streitkräfte geführt. Wenn etwa Deutschland jetzt, in dieser Lage, weiteres Material an die Ukraine liefern will, ist das ziemlich naiv. Wenn Russland den Krieg so wie bisher weiterführt, was ich für sicher halte, kommt dieses Gerät bei den Russen an, nicht mehr bei den Ukrainern.

Was kann die NATO jetzt tun?

Die NATO muss deutlich machen, dass sie jedes Bündnismitglied gegen einen Angriff schützen wird, gerade mit Blick auf die baltischen Staaten, Polen und Rumänien. Wenn Russland die gesamte Ukraine besetzt, dann stehen sich an der Grenze zur NATO in den baltischen Staaten oder Polen russische Soldaten und NATO-Truppen direkt gegenüber. Das Risiko, dass es in einer solchen Situation zu einem menschlichen oder technischen Versagen kommt, oder dass jemand überreagiert, ist groß. Und dann haben wir den ganz großen Krieg. Allein deshalb muss die NATO dafür sorgen, dass deutlich wird: Wir werden unsere Mitgliedstaaten verteidigen! Deswegen müsste die schnelle Eingreiftruppe der NATO jetzt sehr schnell an die Ostflanke verlegt werden. Außerdem müssen die USA über den Atlantik Truppen und Gerät nach Deutschland und Polen bringen, um zu signalisieren: Wir sind bereit, unsere Verpflichtungen – auch zum Beistand in Europa – zu erfüllen. Etwa 7.000 US-Soldaten sind bereits in Marsch gesetzt. Es müssen jedoch noch wesentlich mehr kommen.

Genügt das?

Nein, es müssen jetzt dringend Vorkehrungen getroffen werden, um eine Ausweitung des Krieges zu verhindern. Einerseits durch Verstärkung der Verteidigungsfähigkeit der NATO zur Abschreckung vor einem Angriff auf das NATO-Gebiet sowie durch Regelungen, die einen versehentlichen Zusammenstoß zwischen russischen und NATO-Truppen verhindern. Zweitens muss trotz aller berechtigten Kritik an diesem maßlosen Vorgehen Russlands versucht werden, mit Russland wieder ins Gespräch zu kommen. Wir müssen verhindern, dass die Eskalation so weit voranschreitet, dass wir eine Entwicklung erreichen, die unumkehrbar ist. Das Wichtigste ist also, dass wir die Risiken, die aus der jetzt geschaffenen Situation entstehen können, unter Kontrolle bekommen.

Kann ein Szenario mit einem Atomkrieg drohen, ist das Putin zuzutrauen?

Man kann Putins Worte durchaus so verstehen, dass er bereit ist, auch Nuklearwaffen einzusetzen, falls es durch das Eingreifen des Westens zu einem großen Krieg zwischen Russland und der NATO kommt. Übrigens hat auch Präsident Biden dieses Risiko gesehen, als er den Einsatz amerikanischer Truppen in der Ukraine ausschloss.

gierenz.armand
26. Februar 2022 - 21.22

Krecke und Schneider sind Leute ohne anstand und ehre. die lsap müsste sie raus schmeissen.

Erasmus
26. Februar 2022 - 16.32

Jeder Ukrainer bekommt eine Stinger-Rakete.
So wurden sie auch aus Afghanistan vertrieben.