CoronaWir sind geimpft!: Tageblatt-Korrespondenten berichten aus London, Paris und Belgrad

Corona / Wir sind geimpft!: Tageblatt-Korrespondenten berichten aus London, Paris und Belgrad
Von AstraZeneca bis Sinovac: Drei unserer Korrespondenten konnten sich bereits impfen lassen – hier erzählen sie von ihren Erfahrungen   Foto: AFP/Juan Barreto

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Die Briten hüpfen begeistert zur Impfung – ich auch

Von Sebastian Borger, London

Nun habe auch er die Impfeinladung erhalten, hat Premierminister Boris Johnson am Mittwoch stolz verkündet. Na endlich, dachte ich, es wurde auch langsam Zeit. Denn Mittfünfziger wie der 56-jährige Regierungschef werden in der britischen Hauptstadt schon seit Monatsbeginn von ihren Hausärzten zur Corona-Impfung gerufen. Im ganzen Land können sich alle Menschen, die ihren 50. Geburtstag hinter sich haben, mittlerweile auch über die Website des nationalen Gesundheitssystems NHS anmelden.

Ich selbst bekam die SMS meiner Arztpraxis an einem Donnerstagnachmittag vor 14 Tagen. Der Link führte mich zu einer NHS-Website, die mir zwei Standorte, beide etwa 50 Fußminuten entfernt, und eine Vielzahl von Terminen anbot. Der nächstmögliche wäre am Samstagabend gewesen, ich entschied mich für den Sonntagvormittag.

Sebastian Borger schreibt für das Tageblatt aus London – geimpft ist er, zum Friseur darf er bislang nicht
Sebastian Borger schreibt für das Tageblatt aus London – geimpft ist er, zum Friseur darf er bislang nicht

Den phänomenalen Erfolg der britischen Impfkampagne – bisher haben mehr als 25 Millionen Menschen, darunter 95 Prozent der über 65-Jährigen, ihre erste Dosis erhalten – hatte ich von Anfang an im eigenen Umfeld miterlebt. Schon Mitte Dezember durften zwei gesundheitlich vorbelastete Nachbarinnen über 80 in einem der örtlichen Impfzentren antreten. Dabei handelt es sich um eine kleine Poliklinik mit mehreren Hausärztinnen, Physiotherapeutinnen und Diätberaterinnen. Sie liegt, behindertenfreundlich zu ebener Erde, in einer ruhigen Seitenstraße unweit eines U-Bahnhofs. Die beiden Zugänge erleichtern den notwendigen Einbahnverkehr der Impfkandidaten.

Die beiden Nachbarinnen erhielten im Dezember und Januar beide Dosen des BioNTech/Pfizer-Serums. Zur Jahreswende gab die Regierung dann die Parole aus: Fortan werde der Abstand zwischen erster und zweiter Dosis von drei Wochen auf bis zu drei Monate vergrößert. Zur Eindämmung der Pandemie, so lautete die Überlegung, sind viele Millionen Menschen mit der Immunität aus einer Dosis viel besser als wenige Millionen mit dem vollständigen Schutz aus zwei Dosen.

Freude am gesunden Pragmatismus

Zur gleichen Zeit begann die Impfung mit dem an der Uni Oxford entwickelten und von AstraZeneca (AZ) hergestellten Wirkstoff AZD1222. Um die gleiche Zeit geisterten unbestätigte Berichte durch die Gazetten, wonach Patienten „lieber das britische Präparat“ haben wollten. Bei meinen eigenen Gesprächen mit Ärzten, freiwilligen Helfern und dem Dekan der Kathedrale von Salisbury, die immer wieder tageweise als Impfzentrum dient, hörte ich hingegen nie, dass Präferenzen geäußert wurden. Hauptsache geimpft! „Die alten Menschen sind so dankbar, die hüpfen fast vor Begeisterung“, berichtete eine Ärztin vergnügt. Mit dem einfacher zu handhabenden AZ-Präparat gingen Allgemeinmediziner auch auf Hausbesuche, wovon Ende Januar meine 88-jährige Schwiegermutter profitierte.

Seither berichteten Freunde und Bekannte immer häufiger von Terminen für kerngesunde 72-Jährige, 65-Jährige, 60-Jährige … plötzlich sogar für eine deutlich jüngere Freundin! Die rief deshalb extra bei ihrem Hausarzt an. Tja, da habe der Computer wohl einen Fehler gemacht, erhielt sie zur Antwort. „Aber bis wir den Fehler gefunden, sie von der Liste genommen und auf eine spätere Liste platziert haben, vergeht wertvolle Zeit – kommen Sie doch bitte trotzdem.“

Solcherlei gesunden Pragmatismus hätte man auch jenen Experten und Politikern auf dem Kontinent gewünscht, die nun AZD1222 wegen äußerst seltener Nebenwirkungen schlechtreden. Ich selbst hatte auf Empfehlung wohl informierter Freunde vorab zwei Paracetamol-Tabletten genommen, wodurch am Impftag alles Unwohlsein wegfiel. In der anschließenden Nacht erlebte ich den viel beschriebenen Schüttelfrost und ziemlich scheußliche Kopfschmerzen, war einen Tag lang sehr schlapp. Damit war die Sache erledigt.

Bei Menschen, die eine Covid-19-Erkrankung hinter sich haben, soll die Reaktion des Körpers manchmal heftiger ausfallen. Ich will es Boris Johnson nicht wünschen. Dass er vorab schon wusste, man werde ihm das AZ-Präparat spritzen, liegt wohl am Insiderwissen des Premierministers – weder ich selbst noch ein Einziger der mehr als zwei Dutzend Menschen, mit denen ich darüber sprach, wussten vorab, welchen Impfstoff wir erhalten würden.


De la ponctualité militaire à l’éprouvante barrière administrative

Bernard Brigouleix était bien à l’heure mais a dû se demander s’il ne s’était pas trompé de lieu
Bernard Brigouleix était bien à l’heure mais a dû se demander s’il ne s’était pas trompé de lieu

Bernard Brigouleix, Paris

Ainsi l’ont voulu, samedi dernier, les hasards de mes déplacements dans l’Hexagone: ce n’est pas à Paris, mais à Saint-Jean-de-Luz, cité historique et balnéaire à l’extrême sud-ouest de la France, que j’ai pu saisir l’occasion d’une première vaccination contre le coronavirus. Et rejoindre ainsi la troupe des quelque cinq millions de mes compatriotes ayant déjà reçu une première dose du précieux vaccin – en ce qui me concerne, l’AstraZeneca. Lequel n’avait pas encore eu le temps d’être suspendu, puis réhabilité.

Le jour J avait été précédé de trois rappels de l’autorité de vaccination, par SMS et par courriel, afin de s’assurer que je serais bien au rendez-vous à 15.30 h précises: cela sentait l’affaire sérieuse, la ponctualité militaire, l’organisation irréprochable, qu’il n’était donc surtout pas question de faire déraper. N’était-ce pas, d’ailleurs, un privilège (dû, il est vrai, à l’âge et à un problème de santé que l’on baptise pour la circonstance du terme passablement anxiogène de „comorbidité“) que de pouvoir devancer des dizaines de millions d’autres candidats?

A propos du rayon de boucherie …

Toutes raisons pour lesquelles j’ai fait en sorte d’être impeccablement à l’heure. Toutefois, en entrant dans le grand gymnase aménagé pour la circonstance, je me suis demandé si je ne m’étais pas trompé de lieu. Là où je m’attendais à trouver, puisque les horaires de rendez-vous étaient si stricts, tout au plus quelques personnes, se tenaient au contraire, qui dans un morne accablement et qui dans un état d’exaspération manifeste, des dizaines de postulants convoqués, pour certains, plusieurs heures plus tôt.

Il est vrai qu’aucun système de régulation, par exemple une distribution de numéros à l’entrée, n’était prévu. Ce qui devait susciter la remarque d’une dame: „Franchement, le rayon boucherie de mon supermarché le fait bien, vous devriez y arriver vous aussi!“ Début d’applaudissements dans la petite foule, où les plus rusés en profitent pour jouer des coudes, et aigre réponse d’une des jeunes femmes, manifestement débordées, qui tentent de gérer la pagaille: „Madame, on fait ce qu’on peut!“

J’ai tout de même fini par franchir cette éprouvante barrière administrative pour passer, fiche technique en main, sous l’autorité du personnel médical; et dès lors, tout est allé vite et bien: bref entretien avec un médecin (qui, coupant court à mes explications, m’a répondu: „De toute façon, je vaccine tout le monde, on n’a plus de temps à perdre!“), injection par l’infirmière, attente d’un quart d’heure pour le cas où … Et enfin retour au grand air de la Côte basque; avec, outre le soulagement d’en avoir terminé – pour deux mois du moins: piqûre de rappel en mai – une sorte d’inavouable et vaguement aristocratique fierté d’appartenir désormais à la caste des vaccinés. En espérant quand même que celle-ci s’élargisse le plus vite possible à la population tout entière.


Besser auf dem Balkan als in der EU

Impfwillige gelangen beim EU-Anwärter Serbien schnell an die Nadel, weiß unser Korrespondent Thomas Roser aus Eigenerfahrung zu berichten
Impfwillige gelangen beim EU-Anwärter Serbien schnell an die Nadel, weiß unser Korrespondent Thomas Roser aus Eigenerfahrung zu berichten

Thomas Roser, Belgrad

Manchmal hat das Korrespondentenleben im EU-Wartesaal auch Vorteile: Zumindest die Impfungen sind in Serbien besser organisiert als in der EU.

Ob am Kiosk, im Laden oder bei Gesprächen mit Freunden und Bekannten: die verwunderten Nachfragen in Serbiens Hauptstadt Belgrad mehren sich. „Was ist los bei euch?“, so die Erkundigung meines Ohrenarztes Milos nach den Gründen der Impfturbulenzen in der Heimat: „Ich dachte immer, dass die Deutschen so gute Organisatoren sind.“

Genau kann ich meinen Belgrader Mitmenschen auch nicht erklären, warum meine 81-jährige Mutter im fernen Schwaben noch immer nicht geimpft ist. Dafür wartet das Korrespondentenleben im serbischen EU-Wartesaal ausnahmsweise mit unerwarteten Vorteilen auf. Der Direkteinkauf auch bei russischen und chinesischen Serumsproduzenten macht es möglich: Impfwillige gelangen in Serbien wesentlich schneller ans Nadelziel als in der EU.

Ich fühle mich erleichtert

Eine im Sommer überstandene Corona-Infektion und mein schon durch zwei frühere Lungenentzündungen gebeutelter Blasebalg ließen mich zu Jahresbeginn keine Zeit verlieren. „Wir kommen irgendwann im Herbst dran“, beschied ich meiner Partnerin skeptisch, als ich mich am erst möglichen Tag am 11. Januar über das digitale Verwaltungsportal „E-uprava“ als impfwillig registrieren ließ. Von den angegebenen Impfstoffalternativen klickte ich die Westvarianten Pfizer und Moderna an: In Sekundenschnelle erhielt ich eine Bestätigung meines Impfbegehrens samt einem Link für etwaige Änderungswünsche.

Meine Überraschung war groß, als mein 85-jähriger Schwiegervater Momcilo bereits nach einer Woche zur Impfung mit einer der kargen Pfizer-Dosen geladen wurde. Doch die Massenimpfungen gewannen erst mit der Landung eines Transportflugzeugs mit einer Million chinesischer Sinopharm-Dosen an Bord an Fahrt. Meine eigene Impfungeduld war es, die mich am 24. Januar zu einer Spontanimpfung ohne Termin auf das Belgrader Messegelände trieb. Nach dreistündiger Wartezeit war ich schließlich mit Sinopharm geimpft: Die Ärztin, die mein Impfbüchlein abstempelte, kündigte eine rechtzeitige Benachrichtigung für die Auffrischimpfung an.

Per SMS und Mail wurde ich nach drei Wochen über deren Termin informiert. Keine zehn Minuten hatte ich zu warten, dann war der zweite Impfstich gesetzt. „Man könnte neidisch werden“, seufzte meine Mutter am Telefon.

Von der EU anerkannt oder nicht: Selbst fühle ich mich über meine neue chinesische Pandakraft vor allem erleichtert. Bereits nach zwei statt der empfohlenen vier Wochen ließ ich aber in einem Labor sicherheitshalber deren Immunwirkung überprüfen: Die Zahl der Antikörper lag über dem Achtfachen des Grenzwertes. „Die werden noch wesentlich mehr“, so die beruhigende Kunde einer Epidemiologin in der Verwandtschaft.

Die meisten meiner Belgrader Bekannten sind inzwischen mit Sinopharm, einige mit russischem Sputnik oder britischen AstraZeneca-Serum, nur wenige mit Pfizer geimpft. Doch obwohl Serbien hinter Großbritannien und Malta mit 18,6 Prozent die dritthöchste Impfrate Europas aufweist, ist die Zahl der Impfskeptiker groß – und der Schutz gegen die neu aufgeflackerte Epidemie noch zu gering. Serbiens Siebentage-Inzidenz ist mittlerweile wieder auf 471 geklettert – eine der höchsten in Europa.

Sie habe einen Anruf „von der großen Tombola“ erhalten, berichtete mir gestern meine Mutter in Schwaben am Telefon. „Hast du endlich einen Termin?“, fragte ich hoffnungsfroh. „Nein, sie wollten nur wissen, ob ich noch immer an einer Impfung interessiert bin“, so ihre Antwort: Es könnte sich „bald etwas tun“.