Samstag8. November 2025

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Florian Bohnert„Wir können es uns nicht erlauben, weniger als 100 Prozent zu geben“

Florian Bohnert / „Wir können es uns nicht erlauben, weniger als 100 Prozent zu geben“
Florian Bohnert (l.) beim letzten Duell gegen Bulgarien am 17. November 2022 Foto: Editpress/Gerry Schmit

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Florian Bohnert kehrt am Samstag nach Bulgarien zurück, in das Land, wo er vor acht Jahren sein einziges Tor für die Nationalmannschaft erzielt hat. In Plowdiw müssen er und seine Teamkollegen auf die zwei September-Niederlagen reagieren. Im Interview mit dem Tageblatt erklärt der Bastia-Profi auch, warum er an eine Reaktion der FLF-Auswahl glaubt.

Tageblatt: 2016 haben Sie Ihr erstes und einziges Tor für die Nationalmannschaft bei der 3:4-Niederlage gegen Bulgarien erzielt. Welche Gefühle verbinden Sie mit diesem Tag?

Florian Bohnert: Es war ein spezieller Tag für mich. Es gibt nicht viele Trikots, die ich behalte, aber das Trikot von meinem ersten Tor habe ich noch immer. Aus persönlicher Sicht verbinde ich schöne Erinnerungen mit diesem Tag. Es war mein erstes Länderspiel in einer offiziellen Quali und mein erstes Tor. Ich schoss das 3:3 in der 90. Minute. Leider haben wir zwei Minuten später ein weiteres Gegentor kassiert und mussten die Heimreise mit einer Niederlage antreten. 

Das ist schon acht Jahre her.

Die Zeit ist in der Tat sehr schnell vergangen. Ich bin jetzt 26 Jahre alt und bereits seit neun Jahren Teil der Nationalmannschaft. Es liegt eine lange und spezielle Reise hinter mir. Ich bin stolz darauf, dass ich an der Entwicklung der Nationalmannschaft teilhaben konnte. In all den Jahren konnte ich sehr viele Erfahrungen sammeln. Es gab negative und positive Momente. Manchmal war es schön, manchmal etwas schwerer. Die Nationalmannschaft ist etwas Spezielles für mich und einer der Gründe, warum ich Fußball spiele.

Damals waren Sie noch Offensivspieler, mittlerweile werden Sie vor allem als Außenverteidiger eingesetzt. Vermissen Sie diese Zeit?

Nein, eigentlich nicht. Im Verein hatte ich oft die Möglichkeit, als „piston“ (deutsch: Schienenspieler) zu agieren, und in dieser Position schaltet man sich doch sehr oft mit in die Offensive ein. Ich muss auch zugeben, dass diese oder die Rolle als Außenverteidiger besser zu meinen Qualitäten passt. Ich hätte es als offensiver Flügelspieler wohl nicht zum Profi geschafft. Deshalb war es die richtige Entscheidung, sich auf diese Position zu konzentrieren.

War Ihr Leben als Angreifer unbeschwerter?

Auf jeden Fall hatte ich mehr Freiheiten. Als Flügelspieler hatte ich mehr Eins-gegen-eins-Situation und es war meine Rolle, mit Aktionen das Offensivspiel zu entriegeln. Das war aber wahrscheinlich nicht meine beste Rolle, deshalb habe ich auch gar kein Bedauern, dass ich nun auf einer anderen Position zum Einsatz komme.

Beim SC Bastia sind Sie seit fast mehr als einem Jahr in der Startelf gesetzt. Ist Bohnert mittlerweile ein Name auf Korsika?

Das weiß ich nicht (lacht). Ich kann noch ganz normal in den Supermarkt gehen, aber ich werde von den Leuten erkannt. Aber jeder meiner Mitspieler wird erkannt. Das ist normal auf Korsika, wenn man für den SC Bastia spielt. Ich versuche, mein Bestes zu geben, und wenn die Leute meinen Einsatz mögen, ist das umso besser.

Das Leben auf der „île de beauté“ hat so seine Vorzüge. Was schätzen Sie besonders an Korsika?

Es ist eine Trauminsel und es gefällt mir hier sehr. Den Unterschied macht aber der Verein. Der SC Bastia hat auf Korsika eine gewisse Wucht. Es ist ein Traditionsverein, der einen hohen Stellenwert für die Bevölkerung der Insel hat.

Benoit Tavenot ist seit diesem Sommer Ihr Trainer. Was hat sich für Sie unter ihm verändert?

Vor allem hat sich das System verändert. Unter Régis Brouard haben wir vor allem im 3-5-2-System gespielt. Tavenot setzt meistens auf ein 4-1-4-1-System mit anderen Ideen. Seine Spielweise liegt mir sehr gut und das kommt meinen Leistungen zugute.

Kann Bastia in dieser Saison die Aufstiegs-Play-offs für die Ligue 1 erreichen?

Das ist aktuell sehr schwer zu sagen, weil die Saison noch sehr jung und die Ligue 2 sehr ausgeglichen ist. Wir haben die Mannschaft, um die Playoffs zu kommen, aber es spielen noch andere Faktoren eine Rolle. Es wird wohl viel davon abhängen, wie gut wir unsere komplizierten Phasen überstehen.

Zurück zur Nationalmannschaft. Seit Montag trainieren Sie zusammen mit Ihren Teamkollegen. Wurden die Niederlagen gegen Nordirland und Weißrussland gut verdaut?

Seit ich hier bin, habe ich das Gefühl, dass jeder reagieren will. Wir wissen alle, dass wir es besser können als in diesen beiden Spielen. Wir haben noch vier Spiele, um die Situation in der Tabelle geradezurücken, und darauf ist aktuell jeder konzentriert.

Leandro Barreiro meinte in einem kürzlich im Tageblatt erschienenen Interview, dass vielleicht im September auch noch das Nicht-Erreichen der Europameisterschaft unterbewusst eine Rolle spielte.

Das trifft zumindest auf mich nicht zu. Ich habe die Nations League als Wettbewerb gesehen, in dem wir uns neue Ziele stecken konnten. Mit Sicherheit war aber eine gewisse Enttäuschung innerhalb der Mannschaft vorhanden, dass wir den Sprung zur EM nicht geschafft haben. Uns ist auch im September bewusst geworden, dass wir an unsere Leistungsgrenze gehen müssen, um Punkte in einer ausgeglichenen Gruppe holen zu können. Wir bleiben Luxemburg und können es uns nicht erlauben weniger, als 100 Prozent in jeder Partie zu geben.

War dies im September nicht der Fall?

Nein, wir haben nicht die nötigen Anstrengungen unternommen, um diese Spiele zu gewinnen. Jedem ist bewusst geworden, dass wir nicht einfach so Spiele gewinnen, weil wir gut in Ballbesitz sind. Diese Gedanken hat sich jeder gemacht und das sieht man täglich beim Training.

Gegen Bulgarien und Weißrussland steht die Mannschaft nun in der Pflicht, zu punkten. Ist das ein ungewohnter Druck für Luxemburg?

Wir hatten auch Druck in der vergangenen EM-Qualifikation, aber es war etwas anders. Als Mannschaft spüren wir, dass es Druck von außen gibt. Der erste Druck, den wir uns machen, kommt aber von uns selbst. Unsere Ansprüche sind gestiegen und wir wollen gewisse Ziele erreichen. Vor ein paar Jahren wären zwei Niederlagen zum Start der Nations League kein so großes Problem gewesen. Das ist jetzt anders und das ist auch gut so. Es ist positiv, wenn man Ambitionen hat und die Zuschauer eine gewisse Erwartungshaltung haben. Ich denke, dass wir in der Lage sind, dem Druck standzuhalten – das hat bereits die vergangene EM-Quali gezeigt.

Sie sind gerade aus der Videoanalyse gekommen (das Interview wurde am Mittwochabend geführt, Anm. d. Red.). Welchen Eindruck haben Sie vom nächsten Gegner Bulgarien?

Es ist eine spielstarke und strukturierte Mannschaft, die bereits seit acht Spielen nicht verloren hat. Wir haben einen Plan, wie wir gegen sie ankommen wollen, aber es wird mit Sicherheit nicht einfach, in Bulgarien einen Sieg zu holen.

Fast wäre die Reise zur Nationalmannschaft wegen des Streiks auf Korsika nicht zustande gekommen. Hatten Sie einen Plan B?

Ich habe kurz darüber nachgedacht, mit dem Paddelboot oder mit dem Hubschrauber anzureisen (lacht). Die Situation war schon beunruhigend. Der Flughafen und die Häfen waren geschlossen und ich habe mir so meine Gedanken gemacht, wie ich nach Luxemburg kommen könnte. Glücklicherweise hat sich der Streik am vergangenen Freitag aufgelöst und ich konnte am Montag zur Nationalmannschaft reisen. Wäre das nicht passiert, hätten ich und die anderen Nationalspieler von Bastia uns vielleicht nach Privatpersonen umsehen müssen, die uns mit ihrem Boot ans Festland gebracht hätten.