Mittwoch22. Oktober 2025

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Formation continue„Wir brauchen einen Paradigmenwechsel“ – Claude Cardoso von der CSL sieht die Unternehmerseite in der Pflicht

Formation continue / „Wir brauchen einen Paradigmenwechsel“ –  Claude Cardoso von der CSL sieht die Unternehmerseite in der Pflicht
Drei Bereiche sind bei Weiterbildungen konstant hoch im Kurs: darunter auch die IT Foto: Editpress-Archiv

In Zeiten des rasenden technologischen Wandels wird die berufsbegleitende Weiterbildung immer wichtiger, sagt Claude Cardoso von der „Chambre des salariés“. Trotzdem gehe der Trend in die andere Richtung und die Zahl der Einschreibungen sei rückläufig. Cardoso sieht die Unternehmen in der Verantwortung und fordert von ihnen einen „Paradigmenwechsel“.

Tageblatt: Herr Cardoso, als stellvertretender Direktor bei der „Chambre des salariés“ zeichnen Sie für den Bereich der Weiterbildungen verantwortlich. Wie hat sich das Angebot in den vergangenen Jahren nicht nur bei Ihnen und Ihrem Lifelong Learning Center (LLLC), sondern landesweit verändert?

Claude Cardoso: Das Angebot wächst. In den vergangenen zehn Jahren jedoch nicht mehr so stark als in den Jahren zuvor. Nach dem Gesetz von 1999 zur Kofinanzierung durch den Staat, das den Sektor neu regelte, strömten zahlreiche neue Anbieter auf den Markt – und das Angebot an Weiterbildungen explodierte regelrecht.

Gilt das auch für die Zahl der Teilnehmenden?

Auch die Zahl der Teilnehmenden stieg in demselben Zeitrahmen. Das bestätigen europäische Studien sowie national vom „Observatoire de la formation“ des INFPC erhobene Daten. Leider stellen wir die letzten Jahre fest, dass die Anzahl an Teilnehmenden abnimmt.

Wo sehen Sie die Gründe für diesen Rückgang?

Für eine fundierte Antwort bräuchten wir eine qualitative Analyse, die uns derzeit leider nicht vorliegt. Dennoch lassen sich Trends erkennen. Wir hören immer häufiger vom Fachkräftemangel – und das zu Recht, denn er ist real. In einigen Branchen konzentrieren sich die Unternehmen vor allem darauf, den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten. Weiterbildung wird dabei leider nicht immer als strategische Investition betrachtet, sondern eher als Kostenfaktor. Kommt es dann zu wirtschaftlichen Einbrüchen, wird häufig zuerst an zwei Stellen gespart: bei der Kommunikation – und eben bei der Weiterbildung.

Claude Cardoso ist stellvertretender Direktor der „Chambre des salariés“
Claude Cardoso ist stellvertretender Direktor der „Chambre des salariés“ Foto: Editpress-Archiv

Sehen Sie noch weitere Gründe?

Vor allem einen: Was wir beobachten, ist die Sorge mancher Unternehmen, dass Mitarbeitende nach einer Weiterbildung zur Konkurrenz oder in den öffentlichen Dienst wechseln könnten. Diese Befürchtung führt dazu, dass in bestimmten Fällen gar nicht erst in Weiterbildung investiert wird. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass Weiterbildung nicht mehr als zukunftsorientierte Maßnahme für Menschen und Betriebe gesehen wird, sondern als Belastung. Doch angesichts der tiefgreifenden Veränderungen unserer Zeit – und ich meine damit nicht nur die digitale und die klimatische – muss jede Organisation in die Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden investieren. Andernfalls steuert sie direkt auf ernsthafte Probleme zu. Bedauerlicherweise sehen das noch immer viele Betriebe anders.

Weiterbildung wird leider nicht immer als strategische Investition betrachtet, sondern eher als Kostenfaktor

Sparen sich Unternehmen vielleicht auch Weiterbildungen, weil sie ihre Angestellten im Betrieb brauchen und nicht freistellen können?

Ja, wir sehen das bei längeren Weiterbildungen, zum Beispiel im IT-Bereich. Dort sagen uns Unternehmen zwar, dass sie unser Angebot brauchen – am Ende sind die Kandidatinnen und Kandidaten dann doch nicht da, weil die Unternehmen sie nicht dafür abstellen können oder wollen. Doch wir brauchen von Unternehmensseite einen Paradigmenwechsel. Es geht nicht mehr ohne Weiterbildung. Wenn wir unsere Arbeitnehmer nicht für den Wandel in der Arbeitswelt vorbereiten, dann geht es irgendwann nicht mehr. Und wir merken das jetzt schon! Einige Unternehmen müssen hart um ihr Überleben kämpfen. Das liegt nicht nur an mangelnden Weiterbildungen – aber dieser Mangel spielt eine gewichtige Rolle dabei. Dabei helfen Weiterbildungen unserer gesamten Wirtschaft: In Bereichen wie Cybersecurity oder im Netzwerk-Management, um nur die zu nennen, fehlen uns die Experten. Wir brauchen diese Leute, haben sie aber nicht. Weder in Luxemburg noch in der Großregion und auch nicht genügend in Europa. Also bleibt nur ein Ausweg: Wir müssen die Menschen, die wir haben, auf das Niveau bringen, das wir brauchen.

Welche Bereiche haben sich besonders entwickelt in den vergangenen Jahren?

Beim LLLC, für andere Anbieter kann ich nicht sprechen, waren während der vergangenen zehn, 15 Jahre immer drei Bereiche auf dem Podium: Buchhaltung und Management, alles aus dem juristischen Bereich, die IT. Mal war der eine Bereich vorne, mal der andere, aber das sind die Top drei. Auch Soft Skills sind eine Konstante. Diese werden in allen Bereichen gebraucht und werden immer wichtiger.

Sie sagen, dass Unternehmen zu oft zögern, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzubilden – gibt es nicht auch Angestellte, die das nicht unbedingt wollen?

Wahrscheinlich gibt es die auch. Aber es gibt sie immer weniger. Die Menschen sehen ja, wie schnell der Wandel voranschreitet – und wollen darauf vorbereitet sein. Was nur durch Weiterbildung geht.

Worauf sollte ein Unternehmen vor einer Weiterbildung achten?

Ganz wichtig ist, die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorab zu informieren, warum sie sich weiterbilden sollen. Im Vorfeld müssen Ziele gesteckt und Perspektiven aufgezeigt werden. Die Leute müssen klipp und klar wissen, warum gerade sie in diesen oder jenen Kurs geschickt werden. Das mag bizarr klingen, dass ich das erwähne, aber wir sehen immer noch viel zu oft Teilnehmende, die bei der Willkommenssitzung nicht genau wissen, was sie da sollen und warum ihre Chefin oder ihr Chef sie dorthin geschickt hat. Und das geht natürlich gar nicht.

Noch eine Frage zu den Entwicklungen über die vergangenen Jahre – beginnen die Menschen immer früher mit berufsbegleitenden Weiterbildungen?

Vor 15 bis 20 Jahren verzeichneten wir eine Lücke bei den Kandidaten im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Die am stärksten vertretene Altersgruppe lag zwischen 30 und 45 Jahren, was auch heute noch zutrifft. Heute hat sich dieses Bild gewandelt. Mittlerweile kommen deutlich mehr junge Menschen unter 30 Jahren zu uns. Das ist teilweise, aber nicht ausschließlich, auf die Projekte zurückzuführen, die wir gemeinsam mit der ADEM im Rahmen des LLLC anbieten. Diese Programme führen viele junge Menschen zu uns. Früher hatten wir auch weniger Teilnehmende über 45 Jahre. Auch hier beobachten wir mittlerweile einen Anstieg. Es werden also insgesamt mehr – aus unserer Sicht jedoch noch immer zu wenige. Gerade ältere Beschäftigte sollten verstärkt Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen erhalten. Die berufliche Weiterbildung muss alle Altersgruppen einbeziehen, um den Herausforderungen des Arbeitsmarktes gerecht zu werden.

Sehen Sie sonst noch einen Bereich, wo Weiterbildungen nottun?

Ja, und das sind die Nichtqualifizierten. Egal, wie alt sie sind – sie machen bei weitem nicht genug Weiterbildungen mit. Jeder braucht Weiterbildungen, und Nichtqualifizierte machen da keine Ausnahme, ganz im Gegenteil: Das würde wesentlich dabei helfen, ihren beruflichen Werdegang abzusichern.