Montag20. Oktober 2025

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EditorialWillkommen in Absurdistan, wo die Rechte von Frauen zum politischen Spielball werden

Editorial / Willkommen in Absurdistan, wo die Rechte von Frauen zum politischen Spielball werden
Symbolbild: Über eine Schwangerschaft sollte nur die betroffene Person entscheiden Quelle: Pexels

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Stillsitzen, es ist Zeit für die Geografie-Klausur! Wer weiß, wo Absurdistan liegt? Mehrfachantworten sind angesichts der Weltlage erlaubt. In der hinteren Reihe schnellt eine Feministin hoch. Es befindet sich u.a. auf dem „Krautmaart“ in Luxemburg-Stadt, dem Sitz der luxemburgischen Abgeordnetenkammer? Korrekt! Dort führten die Politikschaffenden – die prominenteste Bevölkerungsschicht des Landes der Unsinnigkeiten – diese Woche eindrücklich Sitten und Bräuche vor.

Herausgeputzt und mit Notizblättern in der Hand stellten sie sich ans Rednerpult und debattierten über häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder. Alle waren sich einig: Gegen diese Aggressionen, meist ausgehend von Männern, muss die Regierung vorgehen. Der dafür vorgesehene Aktionsplan gehört unterstützt! Her mit mehr Daten zu genderspezifischer Gewalt! Fast alle Abgeordneten sprachen sich für passende Anträge aus – darunter einer, in dem Daten zu Frauenmorden seit 2023 sowie jährliche Statistiken dazu gefordert werden. Absurdistan würde seinem Ruf allerdings nicht gerecht, gäbe es keine Haken. Die folgen prompt.

Femizide sind in Luxemburg nämlich kein Straftatbestand. In Kriminalstatistiken werden sie (noch) nicht separat erfasst. Daten gibt es also keine, weswegen Justizministerin Elisabeth Margue (CSV) bei der Debatte zu bedenken gab: Jedes Dossier müsse jetzt einzeln hervorgekramt und darauf untersucht werden, ob der Mord an der Frau aufgrund ihres Geschlechts begangen wurde. Ist mühsam, könnten sich die zuständigen Behörden jedoch sparen, würden Femizide endlich als solche anerkannt und erfasst. Zwar gilt u.a. geschlechtsspezifische Gewalt seit 2022 als erschwerender Straftatbestand, doch wurde diese Gesetzeserweiterung bisher kein einziges Mal angewandt.

Kommen wir zur nächsten Absurdität: Die Regierung predigt ein Ende der Gewalt gegen Frauen, übt sie jedoch selbst aus. Gesundheitsministerin Martine Deprez (CSV) teilte in der Abgeordnetenkammer mit: Die Verlängerung der gesetzlichen Frist für den Schwangerschaftsabbruch von zwölf auf 14 Wochen ist in dieser Legislaturperiode vom Tisch. „Nach der zwölften Schwangerschaftswoche sind verschiedene Charakteristiken des Kindes feststellbar“, sagt Deprez, „und das ist ein schwieriges ethisches Problem, das wir nicht von heute auf morgen lösen können.“ Sollen wir auch nicht, denn die Entscheidung, wer ein Kind gebärt, obliegt allein den Schwangeren. Genauso die Risikoeinschätzung für die eigene Gesundheit, in Rücksprache mit den behandelnden Ärzt*innen. Den medizinischen Fachkräften steht es nach dem „Code de déontologie“ zudem frei, den Eingriff abzulehnen, sofern die Behandlung nicht lebensnotwendig ist oder einen Notfall darstellt.

Das „Nationalkomitee der sozialistischen Frauen“ ist über Deprez’ Beschluss empört, lässt aber außen vor: Unter Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) bestand eine interministerielle Arbeitsgruppe zum Thema, an der sich u.a. der Verein „Vie naissante“ beteiligen sollte. Ein Bündnis, das sich klar gegen Schwangerschaftsabbrüche positioniert. Es kam nie zu dem Treffen und die Arbeitsgruppe wurde inzwischen aufgelöst, dennoch spricht allein die Einladung Bände.

Da ist es nur ein schwacher Trost, dass die Regierung immerhin die bisher obligatorische Bedenkzeit vor dem Schwangerschaftsabbruch aufhebt. In Absurdistan, Hausnummer 19, sollte trotzdem demnächst über die Namensänderung von „Chambre des députés“ in „Chambre des contradictions“ nachgedacht werden – vor allem, wenn es um den Kampf für Frauenrechte geht.

Müller Erwin
29. Januar 2025 - 15.35

Es ist schon erschreckend dass manche Journalisten sowas schreiben ohne nachzudenken.... Man schreibt einen Artikel zur Gleichberechtigung idem man zuerst die Männer unter Generalverdacht der häuslichen Gewalt gegen Frauen und Kinder stellt, als ob eine Frau keine Form der Gewalt gegen Kinder oder Männer ausüben könnte. Dann fordert man der Gleichberechtigung zu liebe einen eigenen Term den "Femizid", also den Mord an einer Frau, da "Homozid" also der Mord an einer Person scheinbar nicht zutrifft... Was wird hier gefordert, dass Frauen keine Personen sind? Die Aussage allein, dass hier im Land Leute und damit sind "Männer" gemeint frei rumlaufen und sobald sie eine Frau sehen, diese ermorden wollen da sie eine Frau ist, ist an Absurdität nicht zu übertreffen. Ja es gibt Morde von Männern an Frauen, aber ich glaube kaum dass diese ohne Vorgeschichte und allein auf Geschlecht basierend stattgefunden haben. Und der Artikel gibt dies frei zu, es gibt keine Statistik, man kann nicht einmal ein einziges Beispiel nennen...

Campagna Norbert
26. Januar 2025 - 17.32

Vie naissante meint, ob zu Recht oder Unrecht sei dahingestellt, dass ein nasciturus ein Mensch ist und insofern über Menschenrechte verfügt. Es liegt demnach für sie ein Rechtekonflikt.
Ausserdem habe ich es satt mit den Unterstellungen. Abtreibungsgegner sind nicht automatisch patriarchatsfreundlich. Ich hätte nichts gegen eine Welt, in welcher Frauen die Männer rechtlich dazu zwingen könnten, Verhütungsmittel zu gebrauchen. Frauen haben gegenüber Männern ein absolutes Recht darauf, keinen ungeschützten Geschlechtsverkehr zu haben und nicht ungewollt schwanger zu werden. Ein Mann, dem es gleichgültig ist, ob seine Partnerin beim Geschlechtsverkehr schwanger wird oder nicht, ist ein A…l….
Die absolute Priorität der Politik sollte es sein, die Zahl der Abtreibungen zu senken, und dies setzt voraus, die Zahl der ungewollten Schwangerschaften zu senken, und dies setzt voraus, sich vom Dogma des allein seligmachenden penil-vaginalen Geschlechtsverkehr zu verabschieden. Zwei Menschen können auf vielfältige Weise sexuelle Lust suchen. Hauptsache ist, dass jeder alles unternimmt, dass dem anderen dadurch kein Schaden entsteht bzw. dass der oder die andere nicht in eine ungewollte Situation versetzt wird. Frage: Wie würden die Abtreibungsbefürworter sich beim Gedankenexperiment von Judith Jarvis Thompson entscheiden?

Guy Mathey
26. Januar 2025 - 14.42

Das Recht selbst über seinen eigenen Körper bestimmen zu dürfen ist ein fundamentales Menschenrecht (my body, my choice).
Die Partei déi Lénk hat bekanntlich, sich an Frankreich inspirierend, die Initiative ergriffen, das Recht auf Abtreibung auch in der Luxemburgischen Verfassung zu verankern. Diese wichtige Initiative muss parteiübergreifende Unterstützung aller Menschenrechtsverteidiger*innen, welche das Patriarchat ablehnen, finden.
Da man betreffend fundamentale Menschenrechte bekanntlich keine Kompromisse schliessen darf, erscheint es mir nur konsequent, dass man eine Vereinigung, wie "Vie naissante", deren Vorsitzender übrigens ein Mann ist! und welche diesem Grundrecht klar ablehnend gegenübersteht, nicht in die Diskussion über Abtreibung einbinden kann.
Worüber man jedoch absolut mit dieser Vereinigung reden sollte, ist zum einen, welche Unterstützung sie schwangeren Frauen, welche sich in schwierigen Lebenslagen befinden und sich aus welchen Gründen auch immer gegen eine Schwangerschaftsunterbrechung entschieden haben, bieten kann.
Zudem sollte man im Gespräch mit dieser Vereinigung bleiben, mit dem Zweck sie zu überzeugen , dass ihre Rolle nicht darin bestehen darf die eigenen, patriarchatsfreundlichen, gesellschaftspolitischen Vorstellungen der gesamten Gesellschaft aufzuzwingen.

fraulein smilla
26. Januar 2025 - 7.40

@ Campagna Rien à ajouter

Guy Mathey
25. Januar 2025 - 19.13

Hervorragender Artikel Frau Spigarelli. Ich teile die von Ihnen in diesem Artikel vertretenen Positionen voll und ganz. Es ist in der Tat noch ein weiter und mühsamer Weg, daher ist es so wichtig, dass alle Frauenrechtsverteidiger*innen den Kampf gemeinsam führen.
Feminist*innen dieser Welt vereinigt euch!

Campagna Norbert
25. Januar 2025 - 13.23

Wer also anders denkt und Bedenken äussert, darf nicht mitreden und darf auch nicht eingeladen werden. Da ist doch die katholische Kirche toleranter als manch eine Tageblatt-Journalistin. Und ich Idiot glaube noch an das Ideal der rationalen Diskussion zwischen Menschen, die trotz ihrer Meinungsverschiedenheiten Respekt fūr einander zeigen, da jeder von ihnen weiss, dass niemand von ihnen die ganze Wahrheit für sich allein gepachtet hat, sondern dass die Wahrheit oder gute Lösung im Konsens gefunden werden muss. In der schönen neuen Welt der Fanatiker aller Couleurs werden Menschen wie ich auf dem Scheiterhaufen landen. Es sei denn, Scheiterhaufen produzierten zu viel CO2.