Donnerstag23. Oktober 2025

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NaturWildkräuter-Wanderung mit Loridiflori

Natur / Wildkräuter-Wanderung mit Loridiflori
Der Respekt vor der Natur steht beim Sammeln an erster Stelle, deshalb sollte immer nur so viel genommen werden, dass die Pflanze weiterlebt Foto: Laura Tomassini

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Kräuterbutter, Teemischungen, Gelenksalben, Pesto: Laura Everad, bekannt als Loridiflori, widmet sich in ihrer Freizeit den Wildpflanzen, denn in der Natur findet man vieles für Küche und Heimapotheke. Das Tageblatt hat sie auf einem ihrer Spaziergänge begleitet.

Man könnte sie fast übersehen, denn mit ihrem gelben Rock passt sie genau zwischen die gelben Blüten, auf die sie gerade verweist. Laura Everad, alias Loridiflori, macht ihrem Pseudonym alle Ehre, denn die 32-Jährige ist verliebt in Blüten, Wildpflanzen, das Natürliche. 2020 eröffnete Lori zusammen mit einer Arbeitskollegin zwei Waldklassen in ihrer Grundschule auf Kirchberg. Hierfür musste die Lehrerin an einer Ausbildung im Bereich der Naturpädagogik teilnehmen, zu der ebenfalls ein Modul über Wildkräuter gehörte. „Ich war sofort begeistert, denn es wächst so vieles direkt vor unserer Haustür, was wir kennen und eigentlich aber nicht kennen“, meint die 32-Jährige.

Heute arbeitet Lori zwar nicht mehr als Grundschullehrerin, ihrer Leidenschaft für Wildkräuter geht sie dennoch nach: „Ich versuche, jeden Tag spazieren zu gehen und meinen Korb mitzunehmen, um zu pflücken.“ Von Wildpflanzen-Salaten über Suppen, Smoothies, Tees und Salben bis hin zu Sirups und Ölen: Was gerade im phänologischen Kalender – also dem, der sich nach dem Entwicklungsstadium von Pflanzen richtet – steht, findet in Loris Heim Verwendung, sei es im kulinarischen Sinne oder als natürliche Heilmittel.

Die erste Pflanze, die sie zeigt, ist der Spitzwegerich, „Wee-Kraut“ auf Luxemburgisch und „Plantago lanceolata“ auf Latein. „Das ist eine mega Powerpflanze, die entlang von Wegen und Äckern wächst.“ Die lanzenförmigen Blätter mit ihren Blüten schmecken geröstet nicht nur im Salat und Müsli, sondern wirken auch antibakteriell und entzündungshemmend, wie so viele Wildpflanzen. „Spitzwegerich ist gut für die Darmflora, kann aber auch bei Husten und Halsweh helfen und wirkt gegen Hautirritationen und Mückenstiche“, erklärt Lori. Ob mit Zucker als Sirup oder direkt zerquetscht und mit Spucke vermischt auf der Haut: Das heimische Kraut hat viele Geheimkräfte, man muss sie nur kennen. „Viele nehmen täglich Flohsamenschalen bei Verdauungsproblemen ein, diese wachsen aber gar nicht in Luxemburg. Die Samen von Spitzwegerich haben dieselbe Wirkung und sind die lokale Alternative.“

Spitzwegerich gilt als wahre Powerpflanze und wirkt bei Verdauungsbeschwerden genauso gut wie die bekannten Flohsamenschalen
Spitzwegerich gilt als wahre Powerpflanze und wirkt bei Verdauungsbeschwerden genauso gut wie die bekannten Flohsamenschalen Foto: Laura Tomassini

Die nächste Powerpflanze: das Johanniskraut, auch bekannt als „Gehaanskraut“ oder „Hypericum perforatum“. Während früher Kränze zur Abwehr von bösen Geistern getragen und Johanniskraut-Büschel über Türen gehängt wurden, besitzt die Pflanze viele wahre Wirkungen, etwa als pflanzliches Antidepressivum. „Johanniskraut wirkt stimmungsaufhellend und gegen Depressionen, dazu gibt es zahlreiche Studien“, erklärt Lori. Bei der Heilpflanze gilt jedoch gewusst wie, denn falsch eingesetzt, kann es zu unerwünschten Nebeneffekten kommen. „Die Pflanze reagiert mit der Sonne, sprich aus ihr hergestelltes Öl entfaltet seine Wirkung erst durch Sonneneinstrahlung, man soll es auf der Haut auftragen, jedoch nicht der Sonne aussetzen, denn dann kann es zu Rötungen und Irritationen kommen.“

Respekt vor der Natur

Beliebt ist das sogenannte Rotöl, benannt nach der roten Farbe, die beim Zerdrücken der gelben Blüten entsteht, bei Zerrungen, Muskelbeschwerden und Rheuma, getrocknet können die Blätter und Blüten aber auch als Tee zu sich genommen werden und haben dann die genannte antidepressive Wirkung. Ein weiteres Plus: Rotöl wirkt als natürliche Aftersun-Creme. Ein dritter Schatz der Luxemburger Wiesen und Felder ist das Mädesüß, die „Reine des prés“ oder „Filipendula ulmaria“ – alias natürliches Aspirin. „Als Tee wirkt Mädesüß super gegen Kopfschmerzen. Natürlich setzt die Wirkung nicht so schnell ein wie bei einer chemischen Pille, dafür ist aber alles rein natürlich“, so Lori.

Hauptsächlich beschäftigt die 32-Jährige sich mit Blüten, Blättern und Samenkörnern, doch das Universum der Wildkräuter ist schier unendlich. „Meine Urgroßtante hat schon viel mit Wildpflanzen gekocht, ich erinnere mich noch gut an ihre ,Kierwelszopp‘.“ Das Wissen zu den verschiedenen Verwendungen sei zwar über eine Generation verloren gegangen, mittlerweile steige jedoch wieder das Interesse und das findet die „Kräider-Gaus“, wie Loris Freunde sie nennen, auch gut so, „schließlich ist und bleibt die Natur das Original“. Einer ihrer absoluten Favoriten fürs ganze Jahr: die Brennnessel, ob als Detox-Tee im Frühling, Chips im Vorsommer oder Alternative zu Spinat im Herbst und Winter.

Tee, Sirup, Öl: Die Verwendung von Wildpflanzen ist vielfältig, sowohl im kulinarischen, als auch heilenden Sinne
Tee, Sirup, Öl: Die Verwendung von Wildpflanzen ist vielfältig, sowohl im kulinarischen, als auch heilenden Sinne Foto: Laura Tomassini

Das Wichtigste beim Sammeln: „Nachhaltig sein, also nicht alles für sich nehmen, sondern so, dass die Pflanze weiterlebt.“ Vor allem Wissen stehe stets der Respekt vor der Natur, deshalb sei es wichtig, Kinder von klein auf zu sensibilisieren. Für Lori gibt es neben der Verbundenheit zur Natur und der „back to basics“-Mentalität aber noch einen weiteren Vorteil, wenn man sich mit Wildpflanzen beschäftigt: „Ich finde den ganzen Prozess meditativ, man kreiert einen achtsamen Moment und kann durch kleine Tricks den Tag entschleunigen.“ Nicht nur das Sammeln an sich, sondern auch das anschließende Riechen und Schmecken erlebt sie als puren Luxus und gönnt sich dabei stets auch einen kleinen Strauß Wildblumen – „einfach, weil sie schön sind“.