Dienstag23. Dezember 2025

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Im KinoWilder Genremix: Ryan Coogler spannt mit „Sinners“ den Bogen vom Gangster- zum Vampirfilm

Im Kino / Wilder Genremix: Ryan Coogler spannt mit „Sinners“ den Bogen vom Gangster- zum Vampirfilm
Horror in den Südstaaten: Michael B. Jordan (l.) und Miles Caton in Ryan Cooglers „Sinners“ Foto: Warner Bros.

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In „Sinners“ kombiniert Ryan Coogler den Gangster- mit dem Horrorfilm, um daraus einen weiteren Beitrag zum zeitgenössischen „Black Horror Cinema“ zu formulieren. Dabei reicht der „Black Panther“-Regisseur jedoch nicht an die Subversion seines Kollegen Jordan Peele heran – hält dafür aber allerlei Schockeffekte bereit.

„Black Horror Cinema“ bezieht sich auf eine Tendenz des Horrorkinos, die sich mit Themen und Erfahrungen aus der afroamerikanischen Kultur und Geschichte auseinandersetzt. Diese Filmströmung hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und wird oft als eine diskursive Plattform genutzt, um gesellschaftliche Themen wie Rassismus, Identität, Trauma und soziale Ungleichheit zu behandeln. „Get Out“ (2017) war ein einflussreiches Beispiel eines Horrorfilms, der die tiefen Risse der US-amerikanischen Gesellschaft überzeichnend offenlegte, die rassistischen Spannungen und subtilen Diskriminierungen im US-Alltag satirisch bebilderte – eine Tendenz, die Regisseur Jordan Peele mit „Us“ (2019) und „Nope“ (2022) weiterführte.

Der Filmemacher Ryan Coogler indes ist für mainstreamfähigere, populäre Filme wie „Creed“ (2015) und „Black Panther“ (2018) bekannt, in denen er konsequent Fragen nach afroamerikanischer Identität in spannungsreiche Unterhaltungsfilme, etwa Boxer- und Superheldenfilm, überführte. Sein neuer Film „Sinners“ folgt dieser Leitlinie, kombiniert aber im Gegensatz zu beiden Vorgängerfilmen seine Genreversatzstücke viel freier, um ein verdrehtes Porträt afroamerikanischer Kultur im US-Amerika der Dreißigerjahre zu zeichnen.

Vielschichtiges Potenzial, triviale Schock-Logik

Im Zentrum der Handlung stehen die Zwillingsbrüder Elijah und Elias (in einer Doppelrolle: Michael B. Jordan), Smoke und Stack genannt, die in ihre Heimatstadt im Mississippi-Delta zurückkehren. Nachdem sie jahrelang in Chicago für die Mafia gearbeitet und reichlich Geld von Gangstern gestohlen haben, kaufen sie ein Sägewerk, um eine Musik- und Tanzkneipe für die lokale schwarze Gemeinde zu eröffnen. Es soll ein erfolgversprechender Neuanfang sein, doch wir befinden uns in den 1930er Jahren im ländlichen Mississippi – während der Großen Depression erstrecken sich Baumwollfelder und alte Weiden über die Landschaft, es herrscht Rassentrennung in den Südstaaten. Doch es stellt sich heraus, dass das ehemalige Zuhause der Brüder von einem noch weitaus größeren Übel befallen wird.

Coogler lässt sich erst besonders viel Zeit für die Etablierung seiner Figuren und Schauplätze. Die anfängliche Gangstergeschichte, die vom Alkoholschmuggel ebenso erzählt, wie sie die mythischen Bildwelten der Gründerzeit – ikonische Gangsterfiguren wie Al Capone inklusive – im Hintergrund mitführt, entwickelt sich dabei immer mehr zu einem Streifzug durch die schwarze Musikgeschichte, die in einer eindrücklichen Sequenz in etwa zur Filmhälfte kulminiert. Hier werden Vergangenheit, Gegenwart und mögliche Zukunft zu einer eindrücklichen Plansequenz verdichtet, mit der „Sinners“ seinen erzählerischen Höhepunkt erreicht.

Die zweite Filmhälfte verliert sich schnell in den immergleichen erzählerischen und visuellen Mustern des Horrorfilms, denn Coogler lässt seine Geschichte allmählich ins Übernatürliche umkippen, um seinen Themenkomplex aus Rassismus, Rassentrennung und Sklavenarbeit durch den Filter des Horrorkinos ironisch zu überzeichnen, genauer: mit den Motiven des Vampirfilms. Es wird allerlei Knoblauch gegessen, der Holzpfahl gezückt und Blut fließt nur so in Strömen. Hier wird das vielschichtige Potenzial für eine triviale und vulgäre Logik aus Schockeffekten, im Wesentlichen bestehend aus Gewalt- und Gegengewalt, aufgegeben, ein einziges Massaker wird da mit viel Lust am Exzess zelebriert, das obendrein allerlei Schnittwechsel zwischen Figuren und Orten betreibt, die die Orientierung im filmischen Raum ungemein erschweren. Am Ende ist klar: Ryan Cooglers wilder Genremix ist um einen populäreren Beitrag in das zeitgenössische „Black Horror Cinema“ bemüht als etwa die schwarzhumorigen und mitunter subversiveren Arbeiten seines Kollegen Jordan Peele.