Freitag24. Oktober 2025

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Neue Wendung Wikileaks-Gründer Julian Assange darf britischen Supreme Court anrufen

Neue Wendung  / Wikileaks-Gründer Julian Assange darf britischen Supreme Court anrufen
„Jetzt reicht es“: Assange-Anhänger vor dem Gericht in London Foto: AFP/Daniel Leal

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Julian Assange darf den britischen Supreme Court anrufen und wird nicht sofort an die USA ausgeliefert. Es ist ein Etappensieg für den Wikileaks-Gründer.

Im Kampf gegen seine Auslieferung in die USA hat das Londoner Appellationsgericht am Montag dem Wikileaks-Gründer die Anrufung des britischen Supreme Court erlaubt. Dabei geht es um die Verlässlichkeit von Garantien, mit denen Washington die Gesundheit des psychisch labilen 50-Jährigen sicherstellen will. „Wir haben gewonnen“, sagte die Anwältin Stella Moris, die mit Assange zwei Söhne hat. „Aber von Gerechtigkeit sind wir in diesem Fall weit entfernt.“

Das Londoner Bezirksgericht hatte vor Jahresfrist die Auslieferung des depressiven und suizidgefährdeten Aktivisten verweigert, dem die USA schwerwiegenden Verrat militärischer Geheimnisse zur Last legen. Neben Assanges fragilem Gesundheitszustand spielten für die Entscheidung die Schilderungen der harschen Haftbedingungen in US-Gefängnissen eine entscheidende Rolle. Weil Washington umgehend Widerspruch einlegte, musste sich im vergangenen Herbst das Appellationsgericht mit dem Fall befassen.

Assanges Verteidiger zweifeln an US-Versprechen

Dem Präsidenten sämtlicher Gerichte in England und Wales, Lord Chief Justice Ian Burnett, sowie dessen Kollegen Lord Justice Timothy Holroyde legten die US-Vertreter dabei mehrere „feierliche“ Versprechungen vor. Der Wikileaks-Gründer werde nicht, wie von der Verteidigung gefürchtet, in Einzelhaft sitzen müssen; auf ihn würden nicht die berüchtigten „speziellen Behandlungsmethoden“ (SAMs) à la Guantánamo Bay angewandt; weder die Untersuchungs- noch die mögliche Strafhaft werde er in einem Hochsicherheitsknast absitzen müssen. Sollte es zu einer Verurteilung wegen Computer-Hackings und Spionage kommen, werde Assange zur Verbüßung der Strafe in seine australische Heimat überstellt.

Die Versprechungen der US-Vertreter wurden von Amnesty International als „von Grund auf unseriös“ gekennzeichnet. Hingegen ließ sich das Richterduo davon überzeugen, mehr noch: Der Meinung der beiden Juristen zufolge hätte die Bezirksrichterin dem Auslieferungsbegehren stattgeben müssen, wenn ihr die Garantien vorgelegen hätten.

Assanges Verteidiger stellten diese Argumentation auf den Kopf und fragten, ob es überhaupt zulässig sei, in ein einmal begonnenes Verfahren neue „Garantien“ einzuführen. Das sei eine „relevante rechtliche Frage“, gaben die Appellationsrichter nun zu; ob der Supreme Court sich damit befassen wolle oder nicht, überlasse man diesem Gremium.

Der australische Aktivist beschäftigt die Londoner Gerichte seit 2010, als zunächst Schweden seine Auslieferung wegen angeblicher Sexualdelikte forderte. Nachdem letztinstanzlich der Supreme Court der Überstellung zugestimmt hatte, flüchtete Assange 2012 in die ecuadorianische Botschaft in London. Knapp sieben Jahre später konnte Scotland Yard ihn in der Botschaft festnehmen, anschließend verbüßte er eine knapp einjährige Haftstrafe wegen seines Verstoßes gegen die Kautionsauflagen. Inzwischen sitzt er seit beinahe drei Jahren im Gefängnis Belmarsh im Osten von London. Dort wollen Assange und Moris, die gemeinsam zwei Kinder haben, demnächst heiraten.

Irgendwann kommt der Punkt, wo man sagt: Jetzt reicht es

Der australische Labor-Oppositionsführer Anthony Albanese

Wikileaks hatte 2010 und 2011, teilweise in Zusammenarbeit mit renommierten Medien wie New York Times, Guardian und Spiegel, US-Geheimdokumente veröffentlicht. Durch die Veröffentlichungen kamen schwere Kriegsverbrechen amerikanischer Soldaten in Afghanistan und Irak ans Licht; viele Delikte bleiben bis heute ungeahndet. Inzwischen haben sich viele der Medien, die ursprünglich vertrauensvoll mit Assange zusammengearbeitet hatten, von seinen Methoden distanziert. An der unerbittlichen strafrechtlichen Verfolgung durch Washington hat auch der zweifache Präsidentenwechsel nichts geändert: Wikileaks gilt dort als „feindseliger nicht-staatlicher Geheimdienst“.

Während der Fall in der britischen Öffentlichkeit kaum noch eine Rolle spielt, haben sich europäische wie australische Politiker immer wieder für Assange eingesetzt. Canberras Vizepremier Barnaby Joyce zog im Dezember das Auslieferungsverfahren in Zweifel: Der Aktivist solle entweder in England vor Gericht gestellt oder in seine Heimat überstellt werden. Labor-Oppositionsführer Anthony Albanese glaubt sogar, Assanges Haftzeit solle endlich zu Ende gehen. „Irgendwann kommt der Punkt, wo man sagt: Jetzt reicht es.“